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„Herr Kishon, macht Ihnen das Schreiben Spaß?”

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DIEFURCHE: W Bücher, in JJ Sprachen übersetzt, 40 Millionen verkaufte Exemplare, zwei Dutzend Theaterstücke, acht Filme, mehrere Oscar-Nominierungen, Ehrendoktorwürden Humoris Causa, Orden wider den tierischen Ernst Wie bleibt man bei so viel Erfolg und Geld normal? EPHRAIM KISHON: Ich bin nicht so sicher, was die Normalität betrifft, aber ich muß zugeben, daß ich einen sehr guten Eindruck mache. Mein Aufstieg zum erfolgreichsten Satiriker aller Zeiten kam nicht kometenhaft. Ich hatte Zeit, mich daran zu gewöhnen. Von meinem ersten Buch auf deutsch, „Drehen Sie sich um Frau Lot”, wurden 4.500 Exemplare verkauft; das zweite, „Arche Noah, Touristenklasse” fand zunächst 3.500 Leser. Die Schattenseite des Erfolgs heißt, ein Leben am Schreibtisch zu verbringen. Daß ich „normal” geblieben bin, liegt aber hauptsächlich daran, daß ich mich selbst nicht zu ernst nehme.

DIEFURCHE: In Ihrer Familie - der Vater Bankdirektor, die Mutter eine un* garische Schönheitskönigin - gab es keine Schriftsteller und schon gar kei-

ne Humoristen Wie haben Sie entdeckt, daß Sie mehr Humor als andere Leute besitzen?

KlSHON: Sie könnten genauso gut fragen, warum manche besser Schach spielen als andere. Große Schauspieler sind mit hoher Kombinationsfähigkeit und einem außerordentlichen Gedächtnis geboren. Ich habe übrigens einen Schach Computer entwickelt, der Kishon heißt! Mit dem Humor verhält es sich ähnlich. Man ist mit der Fähigkeit geboren, komischen Situationen eine sprachliche Form zu geben. Es braucht aber unendlich viel Übung und Erfahrung, bis man wirklich kurz, präzise, zugespitzt schreiben kann. Manchmal werde ich gefragt, ob ich nicht fürchte, daß ein neues 1 älent auftaucht und mir die Krone des Humors wegnimmt. Ich kann darauf nur sagen: erst muß einer fünf Jahre lang

schreckliches Zeug schreiben, bis ihm der erste gute Text gelingt.

DIEFURCHE: Geht Ihnen das Schreiben leicht von der Hand? KlSHON: Nein, ich quäle mich furchtbar. Ich schreibe mit der Hand, mit Bleistift. Ein Kritiker, der ein Manuskript von mir gesehen hat, sagte, das sei kein Manuskript, sondern eine Ba-dierung. Für die Korrekturen verwende ich Buntstifte, und manchmal habe ich Schwierigkeiten, meine Texte selbst zu entziffern.

DIeFüRCHE: Nachdem Sie der Deportation ins KZ durch die Deutschen entkommen waren und auch den sowjetischen Besatzern entschlüpften, wurden Sie im kommunistischen Ungarn ein Liebling der Machthaber. Wie war das möglich bei Ihrer großbürgerlichen Herkunft?

KlSHON: Der Genosse Lenin hat zwar geschrieben, daß im Arbeiter- und Bauernstaat nicht das Talent über die Aufstiegschancen entscheiden solle, sondern die Abstammung. Wenn er die Intellektuellen auch verflucht hat, so fügte er doch hinzu: Humoristen sind immer bürgerlicher Abstammung. Führende ungarische Politiker nannten mich die „Hoffnung des sozialistischen Humors”. Da wußte ich, daß ich gehen müßte. Ich floh in einem Viehwaggon unter dem Heu versteckt, zunächst nach Wien, dann über Italien nach Israel. Das war 1949.

dieFurche: Eine Flucht in die Wüste. Konnten Sie damals Hebräisch?

KlSHON: Kein Wort. Und wenn ich gewußt hätte,.wie schwer diese orientalische Sprache ist, hätte ich nicht versucht, sie zu lernen. Ein Jahr lang büffelte ich Tag und Nacht, denn ich wollte nicht das Schicksal so vieler Emigranten erleiden, die verstummten. Heute ist mein hebräischer Schreibstil ein Begriff. Und auf dem Papier habe ich auch keinen ungarischen Akzent. Ich glaube, mit der Anstrengung, die ich in diesen Spracherwerb investiert habe - immerhin war

ich schon 25 Jahre alt -, hätte ich auch Atomphysiker werden können.

diefurche: Jüngst wurden Bücher von Ihnen ins Koreanische und Philippinische übersetzt Doch den größten Erfolg haben Sie bei deutschen Lesern Wie war Ihr Vzrhältnis zu dem Mann, der an dem Erfolg in Deutschland maßgeblich beteiligt war, Friedrich Torberg?

KlSHON: Stellen Sie sich zwei Leute vor mit demselben Sinn für Humor, derselben Abstammung, derselben Weltanschauung - es war viel freund -liches Verständnis zwischen uns, aber auch Widerspruch, Haß und Wut des Autors gegen seinen Übersetzer. Er war ein Virtuose der deutschen Sprache, und obwohl mein Deutsch mangelhaft ist, wagte ich dennoch manche Korrekturen in seinen Übersetzungen. Er bekam Wutanfälle, schrieb mir lange Briefe, in denen er mich beschimpfte und Punkt für Punkt nachwies, daß ich nicht recht hätte. Aber ich bin auch ein Verrückter und widerlegte ihn, wieder Punkt für Punkt. Einmal schrieb er mir: Ich kann nicht verheimlichen, daß du -sehr selten - recht hast.

dieFurche: Gingen die Verkaufszahlen Ihrer Bücher nach Torbergs Tod im Jahr 1979 zurück? KlSHON: Nein. Seither übersetze ich selbst. Das wird heftig überarbeitet, aber es gab erstaunlicherweise keinen Einbruch.

dieFurche: Mit Ihren jüngsten

Büchern, „Picasso war kein Scharlatan”, und „Picassos süße Rache”, Abrechnungen mit Aspekten der modernen Kunst, haben Sie sich viele Feinde gemacht

KlSHON: Ich weiß, man hat mir sogar damit gedroht, mich zu erledigen. Aber der Satiriker hat Pflichten wie der Papst: er muß seine Wahrheit sagen. Wenn man mir einreden will, daß eine Badewanne ein Kunstwerk ist und nicht eine Badewanne, dann steigt mein Blutdruck. Ich lasse meinen Intellekt nur ungern beleidigen.

dieFurche: Ein weiteres Thema, das Ihnen am Herzen liegt, ist das westliche Ehe- Treue- Verhältnis. KlSHON: Eine Institution, in der die Zahl jener, die scheitern, größer ist als die, die Erfolg haben, ist ein Fiasko. Ich rede nicht der Polygamie das Wort - obwohl in der jüdischen Beli-gion bis ins Mittelalter Polygamie erlaubt war und ich mir manchmal denke, daß 900 Millionen Muselmanen doch nicht alle irren können —, aber ich glaube, die Ehe ist eine Institution für Kinder. Kinder brauchen diesen Bahmen. Aber sonst. Die Hälfte der westlichen Menschheit lebt im sexuellen Untergrund.

dieFurche: Wie bewältigen Sie das Altwerden?

KlSHON: Über Naturkatastrophen kann man nicht reden. Der einzige Trost ist, daß in der Weltgeschiche andere Leute auch gestorben sind. Jetzt, wo ich so viele Erfahrungen habe, wo ich mich wirklich auskenne in den menschlichen Verhältnissen, wird der Vorhang bald fallen. Wie soll ich den dritten Akt in zehn Minuten spielen? Also arbeite ich täglich 18 Stunden und schwimme jeden Tag.

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