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Herzhaße Frömmigkeit im unfrommen Alltag

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Lange wird er nicht mehr an der Spitze seiner Diözese stehen. Gut ein halbes Jahr schon liegt das (aus Altersgründen vorgeschriebene) Rücktrittsgesuch in Rom -und allgemeine Befürchtungen über eine unsensible Regelung der Nachfolge treiben nicht nur die Tiroler auf und nieder; vor einigen Wochen gab es ordentliche mediale Aufregung um eine dann doch nicht stattgefundene Neubesetzung des Innsbrucker Bischofsstuhls. Sogar Reinhold Stecher selbst beschwört nimmermüde die Entscheidenden: Ein Bischof müsse zwei Vertrauen in sich vereinen, das des Petrus, aber auch das der Herde.

Noch ist unbekannt, wie weit die Nachfolgefrage sich einer Klärung nähert. Gewiß scheint, daß sie - auf wen immer die päpstliche Wahl fällt - schmerzen wird, denn die Latte liegt hoch: ein Bischof Stecher wird der Neue sicher nicht.

Daß der Innsbrucker Weg in die Zukunft nicht leicht wird, ist gleichzeitig ein Kompliment für den derzeitigen Hirten: Denn einen Volksbischof, wie Reinhold Stecher im besten Sinn einer ist, gibt es heute kaum mehr. Einen, der wortmächtig redet und Rilder selbst in der Sprache ausdrücken kann. Und dem der Humor bei Gott nicht vergangen ist. „Er nennt die Dinge mutig beim Namen und redet klar wie Tiroler Bergwasser”, schrieb Bischofskollege Helmut Krätzl schon vor einigen Jahren in der FllRCHE: Man lese und höre Stecher so gerne, weil es so trostvoll sei, Kirche mit Humor zu erleben.

Reinhold Stecher ist nicht nur Rischof, sondern auch ein kirchlicher Bestsellerautor geworden: Buch-Hits wie „Heiter-besinnlich rund um dem

Krummstab” oder „Fröhlich und ernst unter der Mitra” gehören zur „leichten Kost” (was eben bedeutet, daß Kirche auch einmal mit Augenzwinkern und Schalk betrachtet werden sollte), daneben Tiefgründiges und Tiefes wie den Versuch, dem Flachländer, dem Städter oder dem Bequemen die Berge zu erschließen: „Viele Wege führen zu Gott, einer geht über die Berge”, lautet das Motto, das Bischof Stecher seinem Buch „Botschaft der Berge” gab.

Das Bergsteigen gehört zum Ti-roler Reinhold Stecher; die jahrzehntelange Himmelsstürmerei, die der Träger kirchlicher Würde nicht missen mag, hat dennoch alles andere als den Verlust der Bodenhaftung bewirkt. Eine Spiritualität, die von den Felsen mitgeprägt wird: Standfestigkeit ist notwendige Eigenschaft für einen Hirten; Bischof Stecher kann sich ihrer zweifelsohne rühmen (die Erinnerungen an den Streit ums Anderl von Rinn, ums Fn-gelwerk oder an manch brüderlich klares Wort auch an Adressaten in seiner Kirche sind noch nicht verblaßt).

Die Sprache als Werkzeug für Bilder - damit begnügt sich der Innsbrucker Hirte nicht. Karikatur - gezeichneter Humor - auch damit kann der Bischof dienen. Und seine Berge, sein Land erschließt er sich nicht nur mit Wanderschuhen. Auch als pinselkundig erweist sich das bischöfliche Multitalent, die Aquarelle aus seiner Hand lassen seine Sicht farbig werden. Fin weiter Blick, abgebildete Sehnsucht, das Licht - gebrochen oder erstrahlend, Natur im Kleinen groß und in den Bergen gewaltig: Begegnung und Vertrauen - kein Zweifel, Gottesspuren sind gesucht und werden gefunden.

Reinhold Stecher lehrt - mit den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten seiner Person -, was herzhafte Frömmigkeit im unfrommen Alltag bedeutet. Echte Herzensfrömmigkeit, die der Bilder aus den unterschiedlichen Metiers - Sprache, Zeichnung, Aquarell - bedarf.

„Wahrscheinlich ist das erzieherische Tun der Menschheit noch nie so wortreich gewesen wie heute. Aber all unsere Reflexionen und Verbalisie-rungskünste,unser Reden und Schreiben, Vervielfältigen und Ausstrahlen über die Medien - der ganze lärmende Aufwand kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das eigentliche Ziel aller Pädagogik sehr oft nicht getroffen wird: das Herz.” Es ist kein Zufall, daß Reinhold Stecher - von seiner Profession her - Religionspädagoge ist. Und das mit Leib und Seele blieb, auch seitdem er als Bischof wirkt.

Noch weiß man nicht, ob der baldige Rückzug Stechers ungetrübt sein darf. Die Spuren des Bischofs bleiben unübersehbar - auch in den Bildern.

Ein Bildkalender mit dreizehn Reproduktionen von Aquarellen aus Stechers Hand ist jetzt erschienen. Für Stecher-Fans ebenso wie für alle, die des Bischofs Herzenssprache durch Beider nicht missen wollen, eine Möglichkeit, das Jahr 1998 mit dem Hirten aus Innsbruck zu begehen.

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