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Hilfe für Nairobis Straßenkinder

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Sie sind so alt wie die Sternsinger in Österreich, die Straßenkinder von Nairobi. Ein dortiges Projekt der Dreikönigsaktion leitet Schwester Mary Killeen aus Dublin in Irland. Die im Gespräch mit der FURCHE sehr engagiert und kompetent wirkende Ordensfrau gehörte schon zehn Jahre den „Sisters of Mercy" an, ehe sie 1976 nach Kenia ging, um dort im Schulwesen zu arbeiten. Ihre Tätigkeit in den Slums von Nairobi begann 1985. Sie wollte sich jener riesigen Zahl von Straßenkindern annehmen, denen das Geld für einen normalen Schulbesuch fehlte. Bald mußte sie feststellen, daß allein in ihrem Bereich hunderte Kinder, teils schon ab acht Jahren, sexuell mißbraucht und, meist für Besucher aus dem Ausland, zur Prostitution angehalten wurden. Viele dieser Kinder haben keine Eltern mehr, haben sie oft durch Aids verloren, manche werden von ihren Müttern auf die Straße geschickt, weil die ganze Familie Hunger leidet. Die Kinder sind oft so arm und hungrig, daß sie Angeboten von Essen und Kleidung nicht widerstehen können.

Besonders beklagt Schwester Mary, daß es Leute gibt, die vorgeben, Straßenkindern zu helfen, in Wirklichkeit aber in die eigene Tasche wirtschaften oder sogar selbst die Kinder gut zahlenden Sex-Kunden zuführen, während die armen Familien ihre Kinder in guten Händen (Bil-dungs-, Sport- oder Kultureinrichtungen), wähnen. Das ganze Netzwerk der Prostitution und Pornographie sei schwer zu durchschauen, sich mit diesen Leuten anzulegen, äußerst gefährlich. Es sind in erster Linie Ausländer, die - mit schlecht bezahlten einheimischen Jugendlichen als Helfern - dieses Sex-Business managen und gutdaran verdienen. Bei der Herstellung von Porno-Videos, die weltweit vermarktet werden, sind sogar Kinder gestorben.

Daß das Problem in den letzten zehn Jahren so gewachsen ist, führt Schwester Mary auf verschärfte Gesetze in den Industriestaaten und ein Ausweichen der Leute mit diesen Neigungen in Dritte-Welt-Länder zurück. Das betreffe Touristen, aber auch ständig im Land lebende Ausländer wie Angehörige von Botschaften und internationalen Organisationen, leider auch Missionare, die von ihren Orden aus Europa und Amerika nach Afrika transferiert wrurden.

Das Problem sei eindeutig importiert. Es widerspreche allen afrikanischen Traditionen, mit Kindern sexu -eil zu verkehren. Für 1 lomosexualität wüßten die Buben in Kenia nicht einmal ein Wort. Nicht nur aus Pädo-philie, sondern auch aus Angst vor Aids, tendieren die Sex-Kunden zu besonders jungen Sexualpartnern.

Gibt es ein Leben nach dem Kinder-Sex? Für viele Kinder nicht mehr, sagt Schwester Mary, viele sterben, leiden an Infektionen (meist Aids) oder sind für ihr Leben gezeichnet. Viele werden Prostituierte, andere wollen mit Sex überhaupt nie mehr etwas zu tun haben. Oft werden Heranwachsende auch mit Drogen und Alkohol gefügig gemacht und kommen dann von dieser Abhängigkeit nicht mehr los. Manche der jungen Mädchen bekommen Babys, empfinden aber keine Mutterliebe, wissen nicht, wie sie mit dem Kind über die Bunden kommen sollen.

Es braucht viel Zeit und Mühe, damit Heranwachsende mit derartigen Erfahrungen sich wieder halbwegs wie normale Jugendliche verhalten. Mißbrauchte Buben sind oft noch mehr zerstört als Mädchen. Sie hassen sich selbst, verfallen Drogen und Alkohol und sterben meist früh.

Eine Behabilitation ist meist nur bei Mädchen, und auch da nur selten, möglich, aber wenigstens der Abschluß einer Grundausbildung zur Übernahme einfacher Arbeiten (Kochen, Handarbeiten, Körbe flechten, Frisieren et cetera). Die Aussprache über Erfahrungen im Bahmen von praktischer Arbeit wirkt therapeutisch und gibt den Mädchen ihre Würde wieder. Manche, die Schwester Mary mit zwölf Jahren übernommen hat, haben es mit 18 und 19 geschafft, sind sogar universitätsreif, wenn sie sehr begabt sind, aber das ist eine sehr lange, mühsame Arbeit, sie so weit zu bringen. Über die Dreikönigsaktion können auch Österreicher den Opfern dieser skandalösen Zustände helfen.

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