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Hilfe ohne Grenzen

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Alle, alle sind wir dafür: Einer trage des anderen Last! Wir schließen uns auch keineswegs aus, wenn es gilt, bei Sammelaktionen oder an uns herangetragenen Bitten um Unterstützung zu helfen. Meist aber erschöpft sich diese Hilfe in einem Griff in die Geldbörse oder im Ausfüllen eines Erlagscheines. Lobenswert — gewiß! Aber Geld allein genügt nicht, wenn dahinter nicht noch anderes steht: tieferes Verständnis und tatkräftige Hilfe. Gelegenheit, sie anzuwenden, gibt es genug, sowohl bei uns als auch in aller Welt, und dabei besonders in den sogenannten Entwicklungsländern, also in weiten Gebieten Afrikas, Asiens und Südamerikas.

Die heutige wirtschaftliche Situation in diesen Ländern wird durch eine rein agrarische Ausrichtung bestimmt. Durch die allgemeine Weltwirtschaft und auch durch ihre oft neue politische Staatsform sehen sich diese Länder nun gezwungen, in wenigen Jahren all das aufzuholen, zu dessen Erreichung das Abendland rund eineinhalb Jahrhunderte lang gebraucht hatte. Der Rückstand kommt heute, da diese Länder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt sind, besonders kraß zum Ausdruck. Immer noch zieht dort der Bauer mit wahrhaft vorsintflutlichem Ackergerät seine Furchen, immer noch wird infolge schlechter Bodenbetreuung nicht die Ernte erreicht, die erreicht werden könnte, und selbst diese bringt infolge der Unwissenheit der Bauern oft nur so geringe Einkünfte, daß sie bestenfalls ein Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben ermöglicht. Dazu kommt die wachsende Bevölkerungszahl, durch welche die Gefahr von Hungersnöten greifbar naherückt.

An dieses Problem knüpft sich die Kernfrage aller Hilfe für die Entwicklungsländer. In der Beurteilung der Lage machen wir dabei immer den Fehler, von unseren Verhältnissen auszugehen. Wir fordern in diesen Ländern eine radikale Geburtenkontrolle zur Stabilisierung des Lebensstandards, aber wir vergessen, daß der Mensch dort viele Kinder haben muß, will er im Alter oder bei Arbeitsunfähigkeit nicht betteln gehen. Es gibt dort fast nirgends Versicherungen, die ihn in solchen Fällen vor dem Elend schützen; seine Kinder sind der einzige Garant eines einigermaßen erträglichen Lebensabends. Solange aber als Folge dieser Tatsache die Bevölkerungszahl explosiv ansteigt — noch unterstützt durch Medizin und Hygiene, welche die Kindersterblichkeit und die Seuchen, die bisher als Regulativ gewirkt hatten, zum Großteil ausschalten —, ist Hilfe in Form bloßer Finanzinjektionen nichts als ein Tropfen auf einem heißen Stein. Geld allein kann zwar momentane Not lindern, hilft aber nur oberflächlich. Für eine nachhaltige wirtschaftliche Gesundung ist daher nicht das Geld, sondern die Arbeitskraft der Bevölkerung das einzig maßgebende Kapital. Geld darf nur das Mittel zur Anschaffung besseren Saatgutes, moderner landwirtschaftlicher Geräte, Aufbereitungsanlagen, Speicher, Bewässerungsmöglichkeiten usw. sein, also Hilfe zur Selbsthilfe. Die Bevölkerung muß damit instand gesetzt werden, ihre wirtschaftliche Lage durch eigene Leistung zu heben.

Es ist der alte genossenschaftliche Gedanke der Selbsthilfe, der uns hier entgegentritt. Der Internationale Genossenschaftsbund, dem auch die österreichischen Konsumgenossenschaften angehören, hat vor mehreren Jahren einen Fonds „Ohne Grenzen“ eröffnet, der mit Hilfe der gesammelten Spenden den Auf- und Ausbau der Genossenschaften in diesen Entwicklungsländern unterstützt. Die österreichischen Genossenschaften haben hier, besonders für Dahomey, bereits große Summen aufgebracht. Das Hilfsprogramm sieht neben der materiellen Hilfe unter anderem auch die Ausbildung eines Lehrerkaders aus der eingeborenen Bevölkerung vor, der seinerseits wieder landwirtschaftliche Lehrer heranbildet, so daß im Laufe der Zeit jedes Dorf von dieser Aufklärungswelle erfaßt werden wird. Diese Lehrer sollen die Bauern nicht nur in der Handhabung der neuen Maschinen unterrichten, sondern sie auch die Grundsätze der genossenschaftlich gemeinsamen Arbeit unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ lehren. So soll in Solidarität und freiem Zusammenschluß zu Genossenschaften jener fundierte und solide Wohlstand geschaffen werden, der zum echten Fortschritt gehört und der aus den heute noch eine Bedrohung des labilen politischen Gleichgewichtes der Welt bildenden Ländern neue Zentren menschlicher Kultur und brüderlicher Zusammenarbeit machen wird.

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