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Hinter den Kulissen des deutschen Geheimdienstes

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Die geheime Front. Organisation, Personen und Aktionen des deutschen Geheimdienstes. Von Walter Hagen. Nibelungen-Verlag, Linz und Wien. 515 Seiten.

Zahlreich sind die vorliegenden Erinnerungsbücher über den zweiten Weltkrieg, über das System und die Männer des Nationalsozialismus. Berufene und unberufene Wortführer des „anderen Deutschland“, alliierte Staatsmänner, Exilpolitiker von gestern und heute, ja selbst namhafte Vertreter der abgetretenen politi sehen Richtung sind in den Zeugenstand getreten, um vor dem allein zuständigen, vor einem wirklich inter- und übernationalen Gericht, der Geschichte, ihre Aussage zu machen. Welche Motive auch immer in den einzelnen Fällen entscheidend für diesen Schritt gewesen sein mögen, ein Verdienst muß man allen Schreibern von Memoiren und Erinnerungen zugute halten. Nachdem es dem Dritten Reich auf seinem Rüdezug aus dem Weltgeschehen gelungen war, auch alle geistigen Brücken abzubrechen, viele erreichbare Dokumente über die jüngste Vergangenheit zu zerstören, bilden persönliche Erinnerungen, Berichte von Augenzeugen die Planken des schmalen Notsteges, auf dem einmal die Historiker den Weg zurück, den Erkundungsgang in die Vergangenheit, antreten können. Aber die Geschichte des zweiten Weltkrieges ist nicht nur eine Geschichte diplomatischer und politischer Aktionen, auch nicht allein eine Abfolge von Schlachten und Feldzügen. Der Ablauf des großen Dramas, in dem wir alle gezwungen waren, mitzuspielen, wurde nicht selten durch die Personen und Aktionen jener .Fünften Kolonnen“ bestimmt, unter welchem Namen in den vergangenen “Ringen die Geheimdienste und Nachrichtenabteilungen der kriegführenden Mächte in noch nie gekannten Ausmaßen zur Entscheidung beitrugen. Und hier klaffte unter den vielen, unter den allzu vielen Erinnerungsbüchern über die vergangene Epoche bisher eine Lücke. Verständlicherweise. Denn es ist kaum denkbar, daß irgendein Wissender der Siegermächte den Bann dieses Schweigens brechen wird. Ebenso wie es auch gut zu verstehen ist, daß die Uberlebenden, die auf deutscher Seite die Netze des Geheimdienstes im Ausland geknüpft hatten, ihre Erlebnisse für sich behielten.

Dieses Schweigen wird jetzt gebrochen. Im vorliegenden Buch gibt ein Soldat, ein Offizier, der auf deutscher Seite an jener geheimen Front Dienst getan hat, einen Rapport. Das undurchdringliche Dunkel hellt sich auf über einigen Abschnitten der geheimen Kriegsgeschichte, der Geschichte des Krieges der Geheimdienste. Der Scheinwerfer blendet von der Rampe des großen Schauspiels weg hinein in den Hintergrund, in den Schnürboden, wo, für den Blick verborgen, auch im Welttheater die Leitseile für die Kulissen hängen. Hier, unter den wenig bedankten Arbeitern, die die Staffage für das blutig-ernste Spiel der Mächtigen zurechtrückten, war der Platz des Autor. Wenn wir aber die Problematik dieses politischen Standorts Walter Hagens aus der Diskussion heraushalten, können wir das vorliegende Buch nach einer kritischen Durchsicht als einen in der Darstellung ruhigen und nüchternen, um nicht zu sagen ernüchternden, Bericht werten. Aus dem Gedächtnis gezeichnete Skizzen der führenden Männer des deutschen Geheimdienstes, der politischen Auslandsorganisation wie der militärischen „Abwehr“, stehen zu Beginn. Keine politischen Klischees, sondern gutgelungene Porträts, wertvoll durch bisher unbekannte Perspektiven. Retuschen sind nicht zu befürchten. Im Gegenteil: erst die Abkehr von der politischen Schwarzweißzeichnung läßt so abgründige Charaktere wie die Heydrichs, seiner Umgebung und seiner Gegenspieler in ihrer richtigen Tiefe abschätzen und führt die durch den Nationalsozialismus vorgenommene Entfesselung dämonischer Kräffte im Menschen erschreckend deutlich vor Augen. Das Schwergewicht und die Bedeutung dieses Erinnerungsbuches — das durch ein sorgfältig ausgearbeitetes Namens- und Literaturverzeichnis ergänzt wird — als ein vielleicht nicht unwidersprochen bleibender, aber auf jeden Fall wertvoller Beitrag zur historischen Wahrheitsfindung liegt im zweiten Teil, bed der Ubersicht über die Aktionen des deutschen Geheimdienstes und seiner Gegenspieler in den Balkanstaaten und in Italien. Neben einer Bestätigung der Friedensbemühungen des Vatikans, dem vollen Wortlaut des bereits durch den Abdruck in einer Tageszeitung bekanntgewordenen Tagebuches Mussolinis während seiner ersten Gefangenschaft und unbekannten Einzelheiten über die letzten Tage des faschistischen Italiens verdienen vor allem die Berichte über den mißglückten Frontwechsel Ungarns und über Kroatien besondere Beachtung. Die Darstellung gewinnt — anscheinend durch die Nähe der Beobachtung — an Leben und Farbe. Uberhaupt treten die Schachzüge des Nachrichtendienstes zurück vor der Tragödie dieser und aller Länder zwischen dem Deutschland Adolf Hitlers und der Sowjetunion. Die Unfähigkeit der offiziellen deutschen Außenpolitik wird — nicht von einem geschworenen Gegner, sondern von einem langjährigen Gefolgsmann des Nationalsozialismus — einer schonunglosen Kritik unterzogen und gewinnt dadurch an Wert. Daß der Berichterstatter selbst lange Zeit, gemeinsam mit einem Kreis Gleichgesinnter, als dessen hervorragender Exponent General Glaise-Horstenau angesehen werden darf, glaubte, im Dienste des Dritten Reiches altösterreichisches Erbe verwirklichen zu können, ist eine besondere Tragik. Sie wäre wert, auf einem anderen Blatt der Geschichte verzeichnet zu werden. T, ' „, . ., Dr. Kurt S k a 1 n l k

Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Österreichs. Von Hugo Hassinger. Eine Tafel, vier Karten, 194 Seiten.

Man kann das Werk die grundlegende Geschichte der österreichischen Geographie, Kartographie und zum Teil alpinistischen Forschung nennen. Eine Unmasse von archivali-schem Material, privaten Mitteilungen und eigenen Erkundungen des Verfassers ist in lexikonartiger Verdichtung zusammengefaßt, so daß sich geradezu eine Art Nachschlagewerk für eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Fächern ergibt. Das Merkwürdigste an dem Werk ist der Umstand, daß es erst jetzt geschrieben wurde. Während man in anderen Ländern und Staaten seit langem besonderen Wert auf die Evidenzhaltung der eigenen Leistungen bei der Erschließung der Erde legte, hat man in Österreich diese Dinge bestenfalls in den Archiven vergraben, aber nie im Bewußtsein des Volkes gehalten. Die systematische Untersuchung Hassingers zeigt jedoch, daß gerade auf diesem Gebiet in Österreich besonders viel geleistet wurde — eine natürliche Folge der Lage dieses Landes im Schnittpunkt zahlreicher Kulturen und Landschaften. Die Forschungen des Verfassers lieferten — übrigens in Ubereinstimmung mit amerikanischen Forschungen — auch den Beweis, daß die gesamte moderne Kartographie ihre Wurzel im Stift Klosterneuburg hat, wo anfangs des 15. Jahrhunderts, vor dem Beginn der humanistischen Kartographie, eine ganz eigenständige mitteleuropäische Kartographenarbeit ihren Ausgang nahm. Diese Einzelheit aus der österreichischen Forschung ist ebenso erfreulich wie das gesamte vorliegende Werk Hassingers. R. v. Schumacher

Archimedes In Alexandrien. Von Egmont C o 1 e r u s. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 198 Seiten.

Mit diesem Roman kehrte Colerus noch einmal zu seinem Lieblingsmotiv, der Mathematik, zurück. In Alexandrien, dem großen Sammel- und Rüstplatz der antiken wissenschaftlichen Welt, spürt Archimedes der Kreiszahl mit Erfolg nach und nähert sich der Lösung des Problems von Hebel und Waage. Die Handlung, wenn man von einer solchen reden kann, ist mit erstaunlicher Freigebigkeit in Phantastik versenkt, einen blühenden Überschwang, der noch durch ein störendes und dem Thema widerspruchsvoll angepaßtes erotisches Zwischenspiel erhöht wird. Das große Können des Dichters übersteigert sich hier ins Maßlose an der Phantasiegestalt der Aletheia, die zugleich Sinnbild und wirkliches Weib ist. Diese Romanschöpfung erhält nur durch den Zusammenhang mit früheren Schöpfungen des Autors, etwa seinem „Vom Einmaleins zum Integral“ und „Von Pytha-goras bis Hilbert“ seine psychologische Aufschlüsselung. Dr. F. Greiffenburger

Epiktet. Handbüchlein der Moral und Unterredungen. Herausgegeben von Wolf gang Kraus. Georg-Prachner-Verlag, Wien. 111 Seiten.

Daß Epiktet immer wieder neu aufgelegt wird, daß er der Lehrer Goethes wie Feuch-terslebens und vieler anderer noch im 19. Jahrhundert wurde, hat seinen Grund in der praktischen Lebensweisheit, die dieser Vertreter der sogenannten späteren Stoa zu bieten hat. Seine meistenteils kurzen, lakonischen Weisheitssprüche und Lebensregeln verkünden stets das eine: den Verzicht auf törichte Wünsche, die Überwindung verzagter, kleingläubiger Furcht und die Einsicht in das wahre Wesen des Glücks, das von äußerem Besitz, von Macht und Ansehen unabhängig ist. Die wahre Freiheit besteht nach Epiktet in der Verachtung alles dessen, was nicht in unserer Macht steht. — Der Herausgeber hat diese Edition mit einer knappen Einleitung versehen, die so ziemlich alles enthält, was über das Leben Epiktets bekannt wurde. So richtig ein Büchlein für das Leben, das wert ist, ständig in der Tasche getragen zu werden.

Dr. Robert Mühlher

Stern Im Schnee. Von Käthe Braun-Prager. Amandus-Verlag, Wien.

Ausgewählte Gedichte. So lautet der Untertitel. Doch der Bauplan dieses fülligen, wohlgeratenen Buches läßt uns erkennen, daß wir hier die repräsentative Sammlung der Lyrik von Käthe Braun-Prager vor uns haben, das von ihr selbst als gültig befundene Werk. Zwei Entwicklungsphasen sind zu unterscheiden. Die Gedichte der Jugend und Lebensmitte sind überwiegend sekundär-lyrisch. Den Vorrang behauptet der Gehalt. Die Mädchen-, Frau-und Mutter-, soziale und Landschaftslyrik der Dichterin geben hier das Beste. Aus früheren Gedichtbüchern sind die stärksten Stücke mit aufgenommen worden, unvergessene, unvergeßliche Klänge, wie Bei der Kerze, Herbstlich, Tote Liebe, Verwandelte Welt. Doch mit einemmal wird die sprachliche Gestaltung alles. Die sich immer kühner von den Engen und Zwängen des Stofflichen befreienden Gedichte der Alternden, vor allem die in England, in der Emigration entstandenen Stücke, sind primär-lyrisch, sind reinste-Sprachmusik. Hier nun erlangt die Dichterin ihre volle Meisterschaft. Hier wird das Außerordentliche, überdurchschnittliche Ereignis: Melodieereignis. Hohe Erinnerung, Feuerfrühling, Selbstbildnis, Helle Nacht seien besonders hervorgehoben. Damit nun hat sich die Dichterin an der Seite ihres Bruders, Felix Brauns, ihren ehrenvollen Platz unter den besten österreichische Lyrikern der Gegenwart errungen.

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