Hoffnung in kleinen Dosen

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Die neuen Erzählungen von Susanna Tamaro spielen nicht auf der Sonnenseite des Lebens.

Was ist die Liebe?" grübelt Rosa. "Gibt es sie auch wirklich? Und in welcher Form manifestiert sie sich?" Rosa ist die Hauptfigur der ersten von drei Erzählungen im jüngsten Buch der italienischen Autorin Susanna Tamaro. "Wacht jemand über uns, oder sind wir allein?" fragt Rosa den fremden Hund. "Antworte mir!" So lautet auch der Titel des Buches.

Susanna Tamaro, die Großnichte von Italo Svevo, verdankt ihren Weltruhm vor allem dem Buch "Geh, wohin dein Herz dich trägt". Die drei neuen Geschichten sind alle auf der dunklen Seite des Lebens angesiedelt, lassen aber einen Schimmer von Hoffnung offen, vor allem die letzte. Alle sind sie lesenswert, denn es sind Erzählungen von so großer Intensität, dass man sich ihnen nicht entziehen kann. Ob es sich nun um Rosa handelt, deren Mutter stirbt, als sie acht Jahre alt ist, um die Frau, die nach dem Tod ihres tyrannischen Mannes in der Erinnerung ihre schreckliche Ehe nochmals durchlebt, oder um Saverio, dessen fürsorgliche Liebe zu seiner Frau sich durch Misstrauen und Eifersucht plötzlich in unbändigen Hass verwandelt. Susanna Tamaro konfrontiert uns mit Leid und Schmerzen, lässt aber ihre Menschen an schrecklichen Erfahrungen wachsen und zu Unabhängigkeit und Eigenständigkeit finden.

Schmerzhaft vermisst die kleine Rosa ihre fröhliche, lustige Mutter, die, wenn sie erwachte, lachend zu ihr sagte: "Und jetzt geht ein Gewitter von Küssen auf dich nieder ..." Sie zieht sich in sich selbst zurück und wird bei den Klosterschwestern im Internat zur schweigsamen Außenseiterin. Ihr Pech, dass man Verwandte von ihr findet, ein freudloses Paar in einem trostlosen Dorf, wo sie die Ferien verbringen muss und irgendwann von der Tante die Wahrheit über ihre Mutter erfährt. Immer wieder fragt sie sich, und manchmal auch andere, was Liebe sei. Auch Onkel und Tante: "Wie viele Arten von Liebe gibt es denn? Zwei? Drei? Vier? Zehn? Tausend? Da ihr beide verheiratet seid, müsst ihr doch wenigstens eine kennen, oder nicht? Darum heiratet man doch, oder nicht? Oder habt ihr..." Sie ruft Empörung hervor. Sie flieht und hat eine kurze Phase des Glücks - bis zum nächsten Schicksalsschlag. Nun philosophiert sie über das Leben: "Ich hatte mich immer gefragt, was die Liebe ist, aber nie, was das Leben ist. Wir kommen auf diese Welt und singen von da an unablässig ein Loblied auf die Provisorien. ...Wir singen das Loblied auf die Provisorien und laden uns ständig ein zum Bösen, das wir unablässig wechselseitig aneinander vollziehen ..."

Auch die beiden folgenden Erzählungen sind eher traurig. In "Es gibt keine Hölle" zeichnet Tamaro das Psychogramm einer Frau, die sich in ihrer Ehe einem Tyrannen und herzlosen Ungeheuer ausgeliefert hat. Die Frage ist: Warum hat sie still gehalten? Hätte sie nicht immer zu viel Angst gehabt, wäre ihr Sohn vielleicht noch am Leben. Auch hier geht es um Liebe und Hass: "Das Haus ist bereit, doch nicht mein Herz. Zwar ist mehr Ruhe darin, aber kein Frieden, und manchmal überkommt mich der Hass wie ein Hefeteig, der zu lange gegangen ist."

Ähnliches geschieht in "Der brennende Wald", wo Saverio sich und seine labile Frau in einen Kokon der Liebe einspinnt und an beider Kind Mutterstelle vertritt. "Wenn sich Hass nicht definieren lässt, wie kann man dann Liebe definieren? Jedes Wort läuft Gefahr, pathetisch und sinnlos zu werden ... Ihr Leben erhellte das meine und gab ihm gleichzeitig Sinn." Alles scheint in Ordnung, bis die Frau gesundet und sich aus dem Kokon zu lösen beginnt. Seine Gefühle schlagen nun um, was folgt, ist eine Katastrophe, gefiltert, zu Literatur und damit erträglich gemacht durch die Erzählkunst Susanna Tamaros.

ANTWORTE MIR

Von Susanna Tamaro

Übersetzung: Christel Galliani

Bertelsmann Verlag, München 2001

220 Seiten, geb., öS 263,-/e 19,11

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