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„Holländer“ und Volksstück
Das erste Großereignis der neuen Ära des Salzburger Landestheaters hat stattgefunden. Intendant Dr. Hetterich hat das Alte Festspielhaus gemietet und dort einen „Fliegenden Holländer herausgebracht, wie er in Salzburg gewiß nicht oft zu sehen und zu hören war. Es gibt sogar Stimmen, die der Inszenierung das Prädikat „mit Festspielniveau zuerkennen. Mag man das auch nur mit Einschränkungen gelten lassen, so sei doch zugegeben, daß die Aufführung über unsere Verhältnisse gut ist. Freilich ist der Erfolg zum großen Teil den Gästen zu danken, die das Landestheater zur Bewältigung der schwierigen Aufgabe verpflichten mußte. Da ist Anneliese Corro-dis Bühnenbild, Vision eines Nordmeermythos, elementar und balladenhaft: von dem zyklopischen Strand geht der Blick in die Weite des Weltmeers, wo das Geisterschiff des Holländers „blutrot die Segel, schwarz der Mast“ , als magische Erscheinung auftaucht und verschwindet. Nirgends hat das Mittel der Projektion mehr Berechtigung als in solchen Bildern. Daß die Mädchen ihre Spinnräder vor das Haus getragen haben, wo die Netze aufgehangen sind, so daß Senta die Ballade unter freiem Himmel singt, ist ein poetischer Einfall, dem man zustimmen kann. Der Gastregisseur Waller Pohl führt das Ensemble im Geist der Dichtung; den wuchtigen Tanz der Seeleute vermochte er nur andeutungsweise zu realisieren; die Männer des Chors konnten da nicht ganz mit und wirkten eher unbeholfen, komisch als bärenhaft urwüchsig. Gesanglich großartig und gut in der Darstellung waren die Gäste Branca Stilinovic (Senta) und Edmund Hurshell (Holländer). Die Mitglieder des Landestheaters, Nicolai Hantojj (Daland), Gunnar Johnson (Erik),.Sitze Leal (Mary) und Edmund Kuhn (Steuermann), boten erstaunliche Leistungen. Der slawische Baß B'antfiijs hat ausgefragten Charakter; er ist. besonders in der Mittellage, sehr gut angelegt, bedarf aber noch der Entwicklung. Das Mozarteum-Orchester war seiner Aufgabe wohl technisch, nicht aber klanglich gewachsen. Das Haus war ausverkauft, der Beifall enthusiastisch.
Vor den Feiertagen spielte man im Landestheater die Wiener Weihnachtskomödie „Heimg'funden von Ludwig An-zengruher in der Inszene Rudolf Kauteks. Den klugen Leuten, die es sich schuldig zu sein glauben, über Anzengruber zu witzeln, sei empfohlen, sich einmal in seine Zeit hineinzudenken. Der Kleinbürger entdeckt sich selbst und ist gerührt von seinem herzhaften, einfältigen Bild, gegen das sich das fadenscheinig gewordene Großbürgertum recht inhaltslos ausnimmt. Gewiß sieht der kleine Mann sich optimistisch und besser als er ist. Aber dieses überhöhte Selbstbewußtsein der unteren Schichten ist wahrscheinlich die psychologische Voraussetzung jeder sozialen Revolution, und es ist sehr billig, von „Verlogenheit zu reden. Wie ein Theaterstück gebaut werden soll, kann man bei Anzengruber (man braucht ihn darum nicht für einen Dichter zu halten) heute noch lernen. In wenigen Minuten ist die ganze Exposition da, die Personen charakterisieren sich mit ihrem ersten Satz, und es gibt Rollen, um die sich die größten Schauspieler gerissen haben. Freilich ist manches heute verstaubt, veraltet; aber Kautek hat durch seine Bearbeitung, durch geschickte Striche gezeigt, wie man es machen muß. Und dieser Rest von Sentimentalität, der zurückbleibt — tut er einem nicht ganz wohl in der Zeit des die Gemütskräfte sterilisierenden Intellektualismus ?
Mit den Schauspielern konnte man zufrieden sein. Sehr sympathisch, wenn auch etwas zu bajuwarisch, war Gustl Bayrhammer als Thomas; Cornelia Ober-kogler (Hermine) zeigte ihren Reichtum an Nuancen, F. M. Westen (Buchhalter) überraschte durch eine fesselnde Leistung, und die Damen Stiegler und Knei-dinger konnten sich nach Kräften ausleben. Auch alle anderen gaben ihr Bestes. Das Bühnenbild von Imre Vincze hatte Stimmung, wenn man sich auch den Christkihdlmarkt schimmernder und lebhafter gewünscht hätte.
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