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Holzschiffe greifen an!

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Lissa, 20. Juli 1866: Die Holzschiffdivision der österreichischen Eskader im Kampf. Zum letztenmal in der Geschichte kämpfen bei Lissa hölzerne Schiffe: das brennende Linienschiff „Kaiser“ ist ihre Todesfackel. Max von Rottauscher, der Bruder des Kürassieroffiziers von Königgrätz (vgl. „Die Furche“ Nr. 27 1966) war als Linienschiffsfähnrich auf der „Adria“ dabei. Seine Lebenserinnerungen, denen wir diesen mitreißenden Augenzeugenbericht entnehmen, werden in Kürze im Verlag „Herold“, Wien—München, unter dem Titel „Als Venedig noch österreichisch war“ veröffentlicht.

Ich will die Lage Wiederholen. Die österreichische Eskader hatte in drei Keilen anistürmend die feindlichen Panzer rechts und liniks auseinandergeschleudert. Hierauf hatten sich diese, von den riickwendenden kaiserlichen Panzern verfolgt, wider die Hdlzschiffe geworfen und waren im Artilleriekampfe an uns vorbeigestrichen. Beim Passieren dieser Gegner ereignete sich all das, was ich bisher des langen beschreiben mußte, das sich aber in Wirklichkeit sehr rasch abgespielt hat. Nunmehr verhielten sich die Dinge derart, daß der Kampf der Panzer, eingehodter wie einholender, in unserem Rücken sich verknäulte und stand. Die Holzfregatten aber dampften weiter gegen Lissa.

Der Grund dafür, daß sie dies taten, lag in einer Sonderaktion dreier Italiener, des „Affondatore“, des „Re di Portogallo“ und der „Maria Pia“, die sich eines nach dem anderen auf das Flaggschiff der Holzdivision, das Linienschiff „Kaiser“ geworfen und es jämmerlich zugerichtet hatten.

Ihm, das zu jener Zeit abermals

Ttoat-jAff n’diatore“ bedrängt wurde,

eilten, wir nun zu Hrlfe.’

Die Trommeln rasselten: „Steuerbord bemannen." Mit Schlägelwirbel und Fußgetrappel flutete die Bat- teriebamannung zur anderen Seite hinüber.

Ein barbarischer Anblick rollte jetzt vor unseren Augen auf: Ein Riesenlkampf der Zerstörung. Etwas abseits lag der „Affondatore“. Er war ganz nieder, sehr lang und schien immer wieder zu tödlichem Rammen ansetzen zu wollen. Doch jedesmal zuckte er wieder rückwärts und feuerte, statt zu stoßen, mit seinen mächtigen Turmgeschützen. Die Furcht, sich vom „Kaiser“ nicht rasch genug befreien zu können und mit in die Tiefe gerissen zu werden, hemmte seine Energie.

Der „Kaiser“ aber war gräßlich anzusehen. Dreimal höher als sein eiserner Peiniger schwankte der Holzkoloß träg bald rechts, bald links und schleppte sich langsam dem rettenden Hafen zu. Ein Mast war gestürzt, der Kamin zerschmettert. Kleine Flammen züngelten manchmal auf, von der Bordwand bis zum Wasser war der Körper in Rauch gehüllt. Kurz, das Linienschff war nichts mehr denn eine riesige Brawdwotke, über der unwahrscheinlich, wie frei in den Lüften schwebend, die gewaltigen rotweißroten Flaggen der stehengebliebenen Maste flatterten. Dieser Brodem, in dem Menschen gegen Lobe und Tod rangen, wälzte sich Wider die Feisen- insel.

Aber Obgleich wir vermeinten, daß der „Kaiser“ nun und nun in die Luft fliegen werde, obgleich hinter ilhm schon ein kaiserliches Kanonenboot herzag, um bei der Katastrophe Ertrinkende aufzufischen, feuerte er dennoch weiter. Ununterbrochen schmetterte das Linienschiff, den Höllemidumst des eigenen Leibes mit grellen Blitzbändern durchleuchtend, Lagen um Lagen gegen den „Affondatore“.

Ihm also eilten wir Holzschiffe zu Hilfe und formierten, indem sich eins nach dem ändern ihm anschloß, Kielwasserlinie. Langsam hinziehend, ein Band von Flaggen, hohe Bordwände, die von überziehenden Ketten und Eisenbahnschienen wie verrunzelt aussahen: So dampfte man an dem Italiener hin.

Derart wurde der „Kaiser“ rasch meinem Blick entrückt, und nun folgten die Minuten, da ich den stärksten Kanonendonner gehört habe. Denn alle Fregatten feuerten konzentrisch auf den „Affondatore“. Es war ein fortwährendes Vorbrausen weißen Geschützqualms. Kaum daß er wasserwärts sank, fegten schon neue Wolken darüber hin, senkten sich und wurden von den nächsten überdacht. In kurzer Zeit hat die „Adria“ allein etwa hundert Geschosse wider das feindliche Panzerschiff geschleudert. Auf den Fregatten waren, um die Distanz zu errreichen, die Rohre möglichst steil gestellt und Vollkugeln geladen worden. So suchten wir, in hohem Bogenschuß dem ungeschützten Deck des Italieners beizukommen.

Der „Kaiser“ brennt

Wie auf alten Bildern eine Belagerung naiv dargestellt ist, ließ sich dieser Teil der Schlacht an: Die blaue Luft war von den steigenden Geschossen für Augenblicke wie besät.

Der „Affondatore“ verschwand in dem stäubenden Gischt der Projektile, die rings um ihn ins Meer bagelten. Einige Zeit lang erwiderte er den Angriff. Wie spitze Feuerzungen blitzten die Strahlen seiner Turmgeschütze in Pausen aus den verhüllenden Wasserschleiern. Dann schwieg er plötzlich und schoß kurz darauf mit aufgetürmten Wellen am Bug aus dem Unwetter hervor, um sich auf den „Kaiser“ zu stürzen. Er wollte ihm offenbar, alle Bedenken hintansetzend, nun doch den Todesstoß geben.

Aber auf halbem Wege besann er sich wieder, wendete und dampfte ab.

Die offiziellen italienischen Berichte erzählen, daß der Kommandant und Erste Leutnant damals tatsächlich willens waren, das kaiserliche’ Linienschiff ¡zu vernichten, bevor sie eineii Kampf äbbrachen, der kaum mehr zu halten und herzlich zwecklos war. Aber Admiral Graf Persano hatte unter Androhung des Kriegsrechtes sie gezwungen, von jener gewagten Tat abzustehen.

Auf den kaiserlichen Holzschliffen wurde „Halt“ geblasen. Während nur noch die gezogenen Deckgeschütze dem abziehenden Italiener mit höchster Elevation nachschossen,

stiegen wir Offiziere aus der dumpfen Batterie in die Sonne hinauf.

Man sah sich um. Der „Kaiser“ war als Brandwolke der Kopf unserer Linie, aus den Stückpforten der übrigen verwehte der Geschützqualm.

Hinter uns kämpften die Panzerschiffe, dorthin strebte der „Affondatore“. Ich sprach gerade mit dem

Pilotageoffizier, als auch eines unserer glatten Geschütze krachte. Der Vormeister hatte es nicht ertragen, daß er nur deshalb, weil seine Kanone schlechter war, schweigen sollte.

„Was ist das für ein Unsinn?“ rief der Pilotageoffizier. Nun bemerkte auch der Kommandant, wie das Geschoss des Übereifrigen auf dem halben Weg hinter dem „Affondatore“ ein Wassersäulchen machte. Er sprang in die Höhe. „Ich lasse ihn erschießen“, schrie er. Offiziere und Kadetten der Deckbatterie warfen sich auf den Unglücklichen, der ein dumm-entsetztes Gesicht schnitt und regalierten ihn mit Rippenstößen.

Entscheidung im Kampf

Dann sah man wieder nach dem „Kaiser“, unserem Führer. Er konnte nicht mehr signalisieren. Er schwieg, schwankte und brannte. Wir waren ohne Kommando. Aber Tegetthoffs Geist wirkte stark, so stark in Willen und raschem Fassen der Lage, daß plötzlich alle Fregatten wandten und so, als habe ihnen ein geheimnisvolles, unsichtbares Wesen Befehl erteilt, den schwer Wunden verließen. So schnell wir konnten, steuerten wir, während sich der „Kaiser“ weiter gegen die Insel schleppte, auf die Panzerschiffe zu. Trotzdem man kurz vorher die eigene Unzulänglichkeit gegen die moderne Zeit erkannt hatte, trotzdem man immer wieder in Brand geschossen worden war, trotzdem ein ebenbürtiger Gegner, die italienischen Holzschliffe, tatenlos drüben vor der Insel hielt, warf man sich augenlblicks in den ungleichen Kampf. Denn dort lag die Entscheidung.

Auf der „Adria“ hatte, um diesen Entschluß zu fassen, eine kurze Unterredung zwischen Pilotageoffizier und Kommandanten genügt. Dasselbe dürfte auf den anderen

Fregatten der Fall gewesen sein. Ohne gegenseitige Verständigung wandten die Schiffe wie auf einen Schlag und dampften dem Ohaos der Panzer zu.

Ich sage Ohaos, denn es war ein solches in des Wortes wahrster Bedeutung.

Himmel und See waren vollkommen aufgeblaut, nur am westlichen Horizont liefen noch ferne Regenböen hin. In dem lichten Sonnentag hatte sich eine dicke, scharf umgrenzte Wolke aufs Meer gesetzt: Kohlenrauch und Geschützqualm der Kämpfer, die wie toll, auf nächste Distanzen zusammengedrängt,

durcheinander fuhren. Man unterschied keinerlei Detail, nur Flaggen waren zu sehen, die drinnen umherflogen. Und dieser kompakte brüllende Dunstklumpen war innerlich fortwährend mit einem Zittern nicht anders durchleuchtet, wie bei schwerem Gewitter eine elektrizitätsgesättigte Wolkenibank erscheint. Von Zeit zu Zeit schoß ein graues Schiff oder ein schwarzes hervor, als sei es durch einen Stoß in den hellen Tag hinausgeschleudert worden, rannte etwas in die Sonne hinaus, hielt eine Sekunde. Dann wandte es und stürzte sich wieder, augenblicks verschwindend, in das Melee.

Die italienischen Holzschiffe passierend, die uns stumm vorbeiließen, eilten wir jenem Gewühl zu.

Taumelte ein graues Schiff ins Licht, so feuerten im Handumdrehen die gezogenen Geschütze aus.

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