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Anmerkungen des Grenzverlegers Lojze Wieser.

Es ist durchaus nicht alltäglich, dass ein Verlag ein Buch über einen "Konkurrenten" veröffentlicht. "Die Zunge reicht weiter als die Hand" mit Texten aus der Feder des Verlegers Lojze Wieser erschien im Czernin Verlag und ist zweifellos ein spannendes und lesenswertes Werk. Herausgegeben haben es Freunde, die sehr verschiedenartige Texte aus einem Zeitraum von 20 Jahren zusammengetragen und redigiert haben. Neben Barbara Maier, Franz V. Spechtler immerhin auch Peter Handke.

Den Hauptteil machen die etwas zu umfangreich geratenen "Positionierungen" aus. Hier kann man die Entwicklung Wiesers als Verleger - zunächst als Verlagsleiter des Klagenfurter slowenischen Drava-Verlages und dann selbstständig im inzwischen in Österreich und weit darüber hinaus anerkannten Wieser-Verlag - nachvollziehen. Von seinem ursprünglichen Anliegen ausgehend, slowenische Literatur im deutschen Sprachraum bekannt zu machen, gibt er in der Zeit der Balkankriege den Anstoß zu einem regen Kulturaustausch - als bewussten Gegenpol zum Kriegsgeschehen -, indem er bosnische Literatur übersetzt und in Europa bekannt macht und bosnische Flüchtlinge mit kroatischen Büchern versorgt. Bis er schließlich seinen Wirkungskreis auf den ganzen "europäischen Osten" erweitert.

Ein großer Traum

Sein großer Traum bleibt das bis heute unverwirklichte Projekt "Hotel Europa", in dem er Schriftsteller mit Übersetzern einquartieren möchte. Sie könnten den früheren Osten enzyklopädisch aufarbeiten, Literatur aus den "neuen Ländern" im "alten" Europa bekannt machen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Beseitigung der sichtbaren und unsichtbaren Trennlinien durch Europa leisten.

Hinter solchen Aktivitäten stehen natürlich persönliche Geschichte, Wertvorstellungen, politische Optionen und großartige Visionen, die in Reden, Essays und vor allem Interviews offenbar werden - manchmal zornig, immer aber engagiert vorgetragen. Auch wenn man nicht alle Überzeugungen und politischen Bewertungen des Autors teilen mag, so beeindruckt doch das konsequente Aufspüren von positiven Entwicklungen in allen noch so aussichtslos scheinenden Situationen, das in seinem Glauben an die Gleichwertigkeit aller Menschen und das mögliche Miteinander von verschiedenen Kulturen ihre Kraftquelle hat und zugleich innovative und sinnvolle Projekte hervorbringt.

In Sprachen zu Hause

In den beiden nächsten Abschnitten "Beredungen" und "Wortungen", in denen einige literarische Texte Wiesers vorgestellt werden, tritt hinter den auch hier dominierenden Kernthemen seines Denkens auch die Person Lojze Wieser zu Tage, die zumindest in Umrissen einen sehr sensiblen und menschenfreundlichen, durch Grenzerfahrungen geprägten "Grenzverleger", wie er sich selber nennt, vorstellt. Er selbst ist in mehr als einer Sprache zu Hause. Zweisprachig in Südkärnten aufgewachsen zeigt er in einigen selbst vorgenommenen "Übertragungen" aus mehreren slawischen Sprachen in Deutsche, dass er zudem mit Sprache hervorragend umzugehen weiß.

Wünscht man sich zwischendurch eine Biografie Wiesers, so muss man am Ende doch einräumen, dass alle Beiträge zusammen gelesen letztlich ein sehr interessantes lebensgeschichtliches Mosaik ergeben, das den kürzlich 50 gewordenen Verleger vor allem mit seinen Visionen und Zukunftsplänen vorstellt. Es ist Lojze Wieser zu wünschen, dass mit diesem Buch insbesondere seinem Herzensprojekt, dem "Hotel Europa", der nötige Rückenwind zukommen wird.

DIE ZUNGE REICHT WEITER

ALS DIE HAND

Anmerkungen eines Grenzverlegers

Von Lojze Wieser

Czernin Verlag, Wien 2004

320 Seiten, geb., e 19,-

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