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HUGO PORTISCH SENSATIONEN UM 20 UHR

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Man sieht ihn fast täglich; und fragt sich, wie er es schafft, heute aus Paris und morgen aus Prag zu berichten, dazwischen einen amerikanischen Staatssekretär in Washington zu interviewen und demnächst als einer der ersten westlichen Journalisten mit Unterstützung des sowjetischen Fernsehens unzensurierte Direktberichte aus Moskau zu kabeln.

Dr. Hugo Portisch ist zum liebsten Kind der heimischen Seherschaft im „Patschenkino“ geworden.

War es der „Reisende“ der Postkutschenzeit, der Wochen nach einem Ereignis im Ausland in den heimischen Gazetten berichtete und war es der „rasende Reporter“ der Telegraphenzeit, der noch vor der Kollegenschaft ein schnelles Kabel aufgab, so ist Portisch der Kommentator der Jet-Generation, ln der schnellen

„Caravelle“ eilt er an die Brennpunkte des Weltgeschehens, kontaktiert, interviewt, recherchiert. Und sagt, was früher in Lettern zwölf Stunden später zu lesen war, direkt um 20 Uhr dem heimischen Publikum.

Die Rundfunkreform hat uns dieses Optimum der neuen Kommunikation ermöglicht. Und die Revolution, die das Fernsehen schon anderswo darstellt, ist auch in Österreich infektiös geworden. Wir erleben das Weltgeschehen nicht mehr distanziert, retrospektiv und mittelbar, sondern direkt, zur gleichen Zeit und höchst intensiv-unmittelbar, ja manchmal unvermittelt. So ist auch bei uns die „Waffe TV“ spürbar geworden. Denn die Brutalität eines Krieges im Dschungel, das Miterleben von Erschießungen, Verwundungen und Gefangennahmen, das Dabeisein im Ausbruch der Anarchie einer polizeilichen Knüppelorgie in Paris oder Berlin und das Sehen von Ödemen verkrampfter Kinderbäuche verhungernder kleiner Neger beeinflussen uns in ihrer krassen Direktheit mehr als je ein geschriebenes oder gesprochenes Wort.

Portisch vermittelt uns etwas von dieser unmittelbaren Direktheit. Wenn er mit seinem Jungengesicht und den leger-salopp maßgeschneiderten Anzügen temperamentvoll von der Karlsbrücke zum Hradschin deutet, dann glaubt man fast schön selbst, dabeizusein.

Und Portisch bringt auch internationale Erfolge ein: Seine Gespräche mit den Delegationschefs der USA und Nordvietnam aus Paris waren Sensationen und wurden von mehreren ausländischen TV-Stationen übernommen.

So ist Hugo Portisch auch Bachers liebstes Kind. Gegen 4000 Schilling Honorar für jeden Auftritt vor der Kamera haben sich die Ex-Chefredakteure zweier Konkurrenzzeitungen gefunden.

Portisch, 1927 in Preßburg als Sohn eines Journalisten geboren, wuchs mit dem Journalismus auf. 1948 kam er zur ÖVP-Kolumne „Tageszeitung", 1953 übersiedelte der junge Dr. phil. in das „Austrian Information Service“ in die USA. Dort schuf er sich gute Kontakte zur amerikanischen Politik und Journalistik. So wunderte es niemanden, als die Amerikaner, nachdem der von ihnen beherrschte „Wiener Kurier“ in den unabhängigen .fffeuen Kurier“ überging, in Portisch einen Interessenwahrer erblickten.

1958 stieg Dr. Portisch auf den Sessel des Chefredakteurs und spielt das Blatt systematisch an die Spitze des heimischen Tageszeitungsmarktes. Die Fernseher lernen ihn in dieser Zeit als aggressiven und temperamentvollen Disputierer der Runde der Chefredakteure kennen. In den Jahren des gemauerten Proporzes war diese Diskussion zum Teil das einzige Ventil des starren

Fernsehbetriebes. Als „Unabhängiger“ firmierend, stellte sich Portisch als Chefredakteur der auflagenstärksten Tageszeitung an die Spitze des Volksbegehrens für Rundfunk und Fernsehen. Dank einer günstigen politischen Konstellation wurde dieses Volksbegehren Gesetz und Portisch schlug im „Kurier" — gegen die Usancen der politischen Journalistik — Gerd Bacher als Generalintendanten vor.

Ein halbes Jahr später löste der Herausgeber des „Kurier“, Doktor Polsterer, auf Grund persönlicher Differenzen das Verhältnis zu Portisch und wird zum Bacher- Gegner, dem er Willkür und Verfälschung der Intentionen des Volksbegehrens vorwirft. Portisch aber rückt in die Argentinierstraße ein und wird zum Chef- reporter des ORF.

Daß der Chefreporter auch Buchautor ist und seine Bücher in Amerika großen Erfolg haben, braucht nicht zu seiner Definition ergänzt werden.

Jedenfalls: Der „rasende Reporter“ des General Bacher hat lebendig mitgeholfen, den Österreichern den Horizont zu weiten und den Zusammenhang zu klären. Man darf ihm wünschen, daß seine Reports nicht zur Routine werden — und daß er weiß, wo sein persönliches Maß liegt. Das Publikum ist eine Bestie, die nur zu bald nach neuen Gesichtern verlangt, auch wenn die alten noch immer große Klasse sind

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