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Hymnus an Österreich

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Aber du lebst, lebst wirklicher denn in der Fülle der Zeiten, Und die Schläge der Welt trafen doch niemals dein Herz,

Denn mit Weichheit gepanzert und ohne beschaubares Antlitz, Schlug noch jeder vorbei, schienst du auch tödlich betäubt.

Wer ward barbarischer denn in Stücke .gerissen und lebte Dennoch als zuckendes Glied? Gift und Messer und Brand,

Tobten gegen den Res . Selbst dieser bestand die Berserker. Wieder bildet ein Herz sich im noch wesenden Teil.

Widerstand, Wille und Kraft, man mag sie loben. Wo sind sie Sichtbar? Ich greife sie nicht. Selbst der erfahrene Sohn,

Spürt nur an Atem und Puls das währende Wunder des Lebens, Immer die Gnade des Seins wider Gebrauch und Vernunft.

Hört, der Totgesagte singt wieder und spottet der Sagerl Welt, schau an ihm jene Kraft, die sich dem Wissen entzieht,

Dem verderbten, doch auch deih erfüllten, jenem und jedem,

Der das Lebendige zerlegt und es augurisch beschaut.

Wer ward schwerer geprüft, als der sein Geheimnis verachtend, Sich den Mächten hingab, Würfler im täppischen Spiel,

Gleicher nur unter Gleichen, ein Staat wie einer und lüstern Nach den Schätzen der Welt, die nur nach Zahlen bemißt?

Wer büßt härter für jeden Verrat am dunkleren Wesen,

Für den leisesten Griff in das Gemeine? Du lebst

Wieder als Zeuge des kleinen, erbärmlichen, wirklichen Daseins, Und dein noch heiteres Lied steht für die zitternde Welt.

Auch wenn wir dich verraten und quälen wie keiner dich quälte, Wirkst du doch tiefer in uns als es der Treu’ste begreift.

Denn Verachtung und Haß, die Schändung des heiligen Namens, Ach, sie zählen zu uns wie das beseligte Lied.

Auch die Blinden sind dein, und Sehende leugnen die Kindschaft, Doch wenn ein Wort dich verflucht, rückt es uns nur dein Antlitz

Näher, ganz nah„-erschreckend und herrlich und mütterlich

Und wir blicken bestürzt in unser eig’nes Gesicht.

Stimmt die Fanfaren, ihr Völker der Erde, die hohen, die grellen. Schmettere jedes sein Lob, kindlich und groß und berauscht!

Schreitet erhaben wie ihr euch schaut, und benommen von ,,, Würde.

Peitscht die Verächter hinaus. Wer euch beleidigt, schmäht •Gott.

Ach, wir lächeln nur müde, wenn uns die Fremden lobpreisen. Hören wir gern auch ihr Lob, nimmt es doch keiner zu ernst.

Doch dem Sänger im Land verzeih’n wir nicht die Fanfare,

Eher dem Sudler den Schmutz. Er scheint uns wirklich und echt.

Nur was dennoch besteht, bleibt gültig auch hinter den Worten, Stärkt und befreit und erfüllt uns in der Stunde der Not,

Trägt uns die Steilen hinan und über Abgründe, die keiner Je überspringt, der nicht fliegt. Und wir fliegen im Traum.

Unüberwindlich ist nur, wer zwischen den Reichen noch siedelt. Laßt uns allein. Jeder Weg führt uns doch wieder zu uns.

In uns lebt noch das Reich, das von euch zerschlag’ne der Völker, Ob wir uns wehren und leicht auch unser Erbe vertun.

Wer ermißt den Zerfall, und wer beschreibt das Geblieb’ne?

Er beschriebe die Luft oder der Träume Gewicht.

Denn dem Tage entrückt, den Eitelkeiten und Sünden,

Selbst der ihm eig’nen Kraft und jedem irdischen Maß Wächst es verklärt in die Nacht: ein Licht, ein Schein, eine Röte, Die wir nicht deuten. Es sei denn schon der kommende Tag. Wer begriff dies Gebild, als es noch unter uns war und fordernd Werkte und herrschte und nah noch dem gemeinen Gebrauch? Wer verhöhnte es nicht als Kerker der Völker, als Haufen,

Dem ein Greis noch gebot wider Vernunft und Gesetz?

Wer noch hatte ein Maß, das Unmeßbare zu messen?

Oder die sanfte Gewalt zwischen Gebrüll und Gedräng?

Wer ertrug seinen Geist und den Widersinn der Vermengung, War doch ein Gott nur im Blut wirklich und stark und gerecht! Wer beschrie nicht das duldsame Nebeneinander als Schwäche, Wer nicht als Torheit den Glanz, der die Getrennten umfing? Was kein Heute je war, kein Gestern, dem diese verweste Zeit keinen Winkel bewahrt, dies weltlose Gebild,

Wirklich doch und näher dem Traume der Menschheit;

wir tragen

Noch seine Maße in uns, jeglichem Zugriff entrückt.

Also verging jenes Reich nur, daß es als Wolke hinleuchte. Deutet ihr endlich dies Licht, deutet ihr auch unsern Sinn.

Zerrt uns nicht in den Schwarm, wenn ihr ausschwärmt nach neuen Gestaden!

Die ihr entdeckt, sind nicht neu, und die noch neuen sind wüst.

Immer das gleiche Geschrei, wenn einer ein Haus baut, ein andrer

Seine Glasperlen anpreist oder den Bruder betrügt.

Immer dies Muskelgepräng und der läppische Kaufruf, der höchste Turm und der wildeste Stier, auch ein gigantischer Plan.

Oh, ihr Kindlichen, ihr von Zahlen Berauschten, ihr Prahler, Nur unsere Buben erregt, was ihr als Leistung ausschreit.

O der Erlösungen Pläne, o Worte, immer nur Worte!

Göttlich selbst das Gelall, auch ein barbarischer Tanz,

Ist er nur neu. Er erschüttert die Welt. Doch wir stehen Ungerührt neben der Zeit, ach, und so gar nicht entflammt. ,

Denn wir schmecken das Leben, begreift es! Nie werdet ihr’s spüren.

Auf unsrer Zunge zergeht auch das heroische Wort.

Und wir speien es aus, wenn es schal wird, und lächeln des

Toren, Der mit dem künstlichen Brei gern sich den Magen verdirbt.

Wohin lockt ihr uns schon? Für Händler und Narren zu leben,

Dünkt uns gering. Kein Geschrei hat je die Menschheit erlöst.

Nur das Menschliche rührt uns und gilt, das herrliche Leben.

Nur die Freiheit entflammt auch unser wissendes Blut.

Nichts darüber und nichts daneben., Soll einer hier glühen,

Rührt an sein Herz! Jedes Wort, selbst das gerechte, versagt.

Was von euren Gemachten ist wert, daß einer sich opfre?

Doch uns schreckt nicht der Tod, wenn er das Leben verspricht.

Auch ein nächtliches Weinleid fällt nicht aus den Zeiten und trägt uns

Mitten im fröhlichen Schwarm über uns selber hinaus.

Gönnt mir den Trunk uiid die dünne Musik aus dem summenden Garten!

Ach, ich weiß, ich bin nicht, der ich bei Tage noch war.

Aber der Tisch und die Bank und die Linde, das Tor, und der Hofzaun,

Vor mir das flackernde Licht, über dem Giebel ein Stern,

Und im leisen Gelächter der Fremden die schweigsamen Freunde.

Stört nicht dies Bild. Es besteht auch den Irrsinn dieser Zeit.

Ob ihr’s begreift? Wer nicht singend die Hänge der Reben hinwandert,

In einer blühenden Nacht an die noch rauschende Stadt Ganz sich verschenkt, den die Heiterkeit stört der nur mehr

Entrückten,

Er betrinkt sich und gröhlt, wirft sich in Bilder und weint. Doch ihn berührt nicht der Zauber, und schal bleibt die Stunde des Mondes,

Nur noch erbärmliche Hucht in ein versunkenes Reich.

Ja, wir wissen’s. Wir kennen die falschen Töne, wir hassen Längst ein romantisches Bild, das uns nur schwächt und verzerrt.

Aber die Stunde des Weins ist herrlich, ist stärker und tiefer Als eure Tiefe und Kraft, wirklicher noch als der Geist.

Den ihr beschwört mit Urwaldtänzen und blutigen Riten,

Mit dem gemischten Gebräu nach der Barbaren Geschmack.

Auch wenn wir uns verlachen, beweinen und selber uns wundern, Daß wir noch lachen, es summt jener aus uns, dem, ertaubt, In diesem Hofe die Himmel ertönten. Er trägt uns

Ueber die Trümmer dahin, die ihr als Heimstatt anpreist.

Unsere Gipfel sind nicht die höchsten. Auch Städte und Wälder Brausen gewaltiger wo. Wir besitzen kein Maß,

Das ihr nicht leicht übertrumpft. Doch dies und jenes als Einheit: Stadt und Hügel und Wein, Firne und Steppe und Strom, Dunkle und leuchtende Seen und unermeßliche Wälder,

Schaut ihr nur hier wie im Spiel sacht aneinandergereiht Und ineinander erhöht. Wie will die Stadt noch zermalmen Den, der mit Wald und Gebirg atmet? Wer lebte so fern, daß ihn die Stadt nicht erhöht? Das Lied der einsamen Hirten Tönt im symphonischen Chor. Unser Tanz walzt um die Welt. Auch den Fremdling verwirrt der Zusammenklang nicht, dem

Ertaubten

Klingt nöch die Grundharmonie. Und das zertrümmerte Wort Steigt verjüngt aus den Wildert!.’Selbst die vom Geiste Gejagten Kühlt hier ein Quell, daß die Zeit sie doch nicht völlig verbrennt.

Denn das Gebirg bliebe wüst und der Wald ein romantisches

Eiland,

Lockten sie uns aus der Zeit, stärkte ihr Heilsames nicht Auch unser kämpfendes Herz in den Stunden grausamer

Entscheidung,

Wären wir nicht, was wir sind, eins noch in Werk und Natur. Das nicht Erlernte besteht. Zerreißt dieses Land, schlagt in

Trümmer,

Was ihr nicht greift und begreift! An unser Herz rührt ihr nicht.

Denn aus verborgenen Brunnen trinkt unser Volk. Ihr verschüttet Einen, schon quillt’s nebenan aus dem uralten Gestein.

Und in der bäurischen Hütte greift einer die Sterne, und andre Widerhallen den Chor, der für die Menschheit erklingt.

Mitte des Abendlands, Brücke der Völker, sind wir’s? Wer weiß es?

Aber gewiß ist der Wind, der uns von überall weht. Manchmal wächst er zum Sturm. Und brennt wo ein Winkel der Erde,

Spüren auch wir den Gestank, zünden die Funken bei uns. Und wir sehen, wie viele das Feuerchen schüren und löschen. Flammt unser Haus, brennt die Welt? Zweimal schon habt ihr’s erprobt.

Laßt uns allein. Wir hüten die Flammen, wir wärmen uns lieber.

Kommt ihr zu uns auf Besuch, steht dann das Gastmahl bereit. Jedem sein Lieblingsgericht aus Nord und Süd, nur gemildert, Westlich und östlich gemischt, daß es den Gaumen erquickt. Setzt euch zu Tisch ohne Zwang und vergeßt, was draußen euch scheidet,

Trinkt, eh’ ihr redet, und singt mit uns ein fröhliches Lied! Auch ein besinnliches. Alles klingt hier. Die Tischmusikanten Lachen und weinen zugleich. Aber betrinkt euch nur nicht. Schlage auch keiner wild auf den Tisch. Uns verdrießt’s, euch beschämt es.

Uebet lieber mit uns, wie man einander erträgt,

Auch einander bestaunet und prüft und dem Eignen verbindet.

Wer ist so reich, daß er sich täglich und gänzlich genügt? Singen wir nicht auch gern eure Lieder im Chor? Jedes neue Freut uns, wenn es gelingt, aber verlangt nicht, daß wir Unsre verschweigen! Euch danken wir’s erst, daß sie wieder uns klingen, Neu und herrlich. Was kein Rühmen der Heimat vermocht.

Ihr habt dies Oesterreich wieder dem zögernden Herzen erschlossen.

An euch finden wir uns, tiefer nur, als ihr’s begreift.

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