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I love pottery

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FURCHE: Wie sind Sie zur konkreten Poesie gekommen? JANDL: Auf eine Zeit wilden Produzierens von Gedichten (1951/52), angefeuert von dem bewunderten Andreas Okopenko, angeregt von Sanaburg, Prevert und Brecht, folgte während eines Jahres in England 1952/53 eine Verengung der Produktion in Verbindung mit erhöhter Selbstkritik und der nützlichen Konfrontation mit der reifen, selbstbewußten künstlerischen Haltung Erich Frieds. Damit begann für mich das Schreiben als Experiment, ein Experiment mit der Sprache, mit der Poesie, wie sie ist und noch nicht ist, mit anderen als den Versuchspersonen, und natürlich mit mir selbst. Mein erstes Buch, „Andere Augen“ (1956), enthält unter anderem eine Reihe Gedichte aus den Jahren 1954 und 1955, die diese Entfernung von den erstgenannten Vorbildern, aber auch vom einfach heruntergeredeten Gedicht zeigen, auf eine knappere Sprache zu,eine bedachte Form, Form nicht als Behälter, sondern als Bewegung des Gedichts — etwa das konstellationsartige „Einlaß zu finden“ (1954). Der Kontakt mit Friederike Mayröcker, ab 1954, wirkte sich in dieser Richtung aus, schon lang Bekanntes — Stramm, der frühe Johannes R. Becher, Gertrude Stein, James Joyce — Jconnte nun erstmals anregen, 7955 stieß ich, schon mitten Im Experiment mit nicht Garantiertem, in Hanns Weissenborns „Alpha“ Nr. 5 auf eine Konstellation samt Manifest, beides von Gomringer, war von Reni Altmanns kühnen Gedichten und Szenen begeistert und wurde 1956 von Artmann und Rühm, vor allem auf Grund der eben geschriebenen „Prosa aus der Flüstergalerie“ als „dazugehörig“ akzeptiert. Bei aller Gegensätzlichkeit war der kurze, aber intensive Kontakt mit Artmann und Rühm, Frühling 1956 bis Anfang 1957, wohl für alle Beteiligten, jedenfalls für mich, äußerst anregend. Es war für mich, als Autor, bisher die schönste Zeit, und auch eine, die viele brauchbare Gedichte abwarf. Manchmal reizt mich etwas gegen diese Art der Klassifizierung, und so sagte ich unlängst, der Klarheit halber auf Englisch:l love concrete i love pottery but i'm not a concrete pot How about that?

FURCHE: Worin besteht Ihrer Meinung nach der Hauptunterschied zwischen der konkreten Poesie und der herkömmlichen Lyrik?

JANDL: Konkrete Poesie: herkömmliche Lyrik = comic Strips: erzählende Prosa. FURCHE: Welche Einstellung erwarten Sie vom Leser? Würden Sie den „naiven“ oder „fachmännischen“ Leser bevorzugen? JANDL: Beide, nämlich alle, alle Leser, sofern sie an solchen Dingen gerne kauen, die sich nicht unbedingt als Gedichte, wie jeder sie kennt, herausstaffiert haben, und die doch sagen, ohne Verbeugungen zu erwarten: Wir sind Gedichte.

FURCHE: Glauben Sie, daß Ihre Methoden der Sprachreduktion in adäquater Weise auch auf die Prosa anzuwenden wären? JANDL: Daß Methoden der Sprachreduktion auf Prosa anwendbar sind, haben Autoren wie Max Bense, Helmut Heißenbüttel, Franz Mon, Reinhard Döhl, Friederike Mayröcker und Gerhard Rühm und vor allem die unsterbliche Gertrude Stein längst bewiesen. Mich beschäftigt vorderhand die Lyrik, aber an Texten wie „die klinke des pinguins“ in „Laut und Luise“ oder „kneiern-zuck“ in den „sprechblasen“ könnte man erkennen, daß die Reduktionsmethode in der Prosa auch bei mir klappt.

FURCHE: Kann man Ihrer Meinung nach heute noch traditionelle Gedichte schreiben? JANDL: Unbedingt. Je meh<-konkrete Lyriker es gibt, um so größer werden die Chancen. Ich betätige mich ganz eifrig auf diesem Gebiet. 1

FURCHE: Wen halten Sie in Österreich für den bedeutendsten Autor der Gegenwart?

JANDL: Bedeutendst für wen, und für wessen Gegenwart? Doch wohl nur für mich, und meine. So auch die Antwort: ich liebe Friederike Mayröcker und ihre Produktionen, jedes Wort, das einer von uns beiden schreibt, wird gemeinsam besprochen, wir schreiben Hörspiele gemeinsam, sie ist die Bedeutendste für mich; meine Freunde in Österreich, wenn ich hier welche habe, sind Artmann und Rühm, Ossie Wiener und Reinhard Prießnvtz, Otto Breichä, Peter Handke und Wolfi Bauer, Fredy Kolleritsch, Gerald Bisinger und Michael Scharang.

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