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Ii Turco in Salzburg

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Wenn die Musikhistoriker berichten, daß Rossinis Opera buffa, „II Türco in Italia“, zwei Jahre vor dem „Barbier“ entstanden, bei ihrer Uraufführung an der Mailänder Scala durchfiel, hat man nach der glänzenden Auferstehung des vergessenen Werkes Mühe, ihnen zu glauben. Zumindest beneidet man das Opernpublikum von 1814, das sich's leisten konnte, eine solche Kostbarkeit ad acta zu legen. Wie müssen diese Leute verwöhnt gewesen sein! Wir sind es nicht, und so schätzen wir uns glücklich, wenn unsere systematischen Grabungen im Schutt der Vergangenheit mit einem solchen Fund belohnt werden.

Daß der stürmische Erfolg der Wiederaufführung im Rahmen des Florentiner „Maggio musicale“ kein zufälliger Treffer war, wurde durch den Triumph der deutschen Fassung in Hamburg bestätigt. Das Salzburger Landestheater hat nun als erste österreichische Bühne die von Günther Renne und Carl Stueber herrührende Bearbeitung in einer brillant pointierten Inszenierung herausgebracht und sich damit rühmlich in unsere Operngeschichte eingetragen.

Es ist zum Lachen, wie drastisch das alte Libretto von Feiice Romani jener Forderung unserer Avantgardisten entspricht, die von der Auffassung ausgeht, daß der einzige würdige Gegenstand eines Werkes der Literatur seine Entstehung sei. Ecco! Hier schreibt ein gerissener Librettist, der sein Publikum kennt, auf offener Szene seine Komödie. Träumend, schreibend und trinkend fügt er Einfall an Einfall, die Bilder seiner Imagination sind die Elemente der Handlung und erscheinen als Theater auf dem Theater. Die Personen werden auf wirklich lustige Weise vom Poeten als ihrem Urheber dirigiert, kommentiert, korrigiert.

Der Bühnenbildner Ernst Bruzek und als Regisseur des Abends Rudolf Kautek zeigten sich in schöpferischer Faschingslaune. Sie überboten einander in der Er-f^dnn? origineller Gags und verstreuten ihre bunten Einfälle wie Koriandoli. Alles war auf Parodie gestellt, die reizend stilisierte Szene ebenso wie die Führung der handelnden Personen. Das Onernhafte als Parodie der Oper. Die Choreographie der Tanzszenen stammte von Manfred Taubert und fügte sich dem Regiekonzept organisch ein.

Robert Granzer war als Poet von sympathischer Komik, ob er nun gerade von der Hartleibigkeit seiner Phantasie geplagt wurde oder im Glück der Inspiration schwelgte; auch gesanglich bot er eine untadelige Leistung. In der Gestaltung der Zigeunerin Za'ida wechselte Sharon Bliss mit virtuoser Leichtigkeit von der Travestie ins Dramatische und umgekehrt; ihre schöne Stimme entwickelt sich immer verheißungsvoller. Als ihre Gegenspielerin Fiorilla glänzte Valerie Masterson durch die spielerische, fast mechanische Präzision, mit der sie ihre schwierige Koloraturpartie meisterte. Der Türke Selim hatte es, mit dem Baß Peter Branoffs ausgestattet, nicht schwer, die Weiblichkeit zu begeistern. Besonderes Lob gebührt diesmal Fred Würz. Er sang und spielte den Don Geronio ganz hervorragend. Jakob Soltermanns Bel-kanto-Tenor kam auf das angenehmste zur Geltung. Schließlich auch ein Bravo für den Dirigenten Karl Heinz Brand. Er ließ auf der Bühne keine Unsicherheit aufkommen; das Mozarteumorchester spielte unter seiner Führung mit Elan und schien von dem karnevalistischen Brio dieser Partitur in die beste Musizierlaune versetzt. — Die schwungvolle Aufführung hatte großen Erfolg.

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