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Im „ausgewählten Kreis“

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Seine Freundschaft zum Führer der ESB, Per Engdahl, konnte Timmel nicht verleugnen. So lud er Engdahl zur Schiller-Feier am 17. Oktober 1959 nach Wien. Der schwedische „Führer“ wurde von Timmel begrüßt und trat in einem „ausgewählten Kreis“ (Aula) als Redner auf.

Bis zum Jahre 1960 waren Rechtsnationale in Europa, mit Ausnahme von Italien und vielleicht Frankreich, praktisch zur Untätigkeit verdammt. Sie waren bedeutungslos geworden und sind es auch heute noch, betrachtet man ihre Zahl. Doch in jenem Augenblick, in dem ihnen wieder e'ne Waffe in die Hand gegeben war — und Waffe ist hier nicht nur im übertragenen Sinn, etwa als Publizität, verstanden —, setzten sie alias daran, sich empor-zuhieven. Südtirol, ein unbefriedetes Südtirol, ein nationaler Konflikt, konnte nur im Interesse einer Formation sein, deren deklariertes Ziel eine „nationale und soziale Revolution in jedem Land“ (Gründungsmanifest der ESB) ist. Das Interesse der Rechtsnaticoalen in Österreich wie in Italien an einer Krise in Südtirol ist evident. Sie brauchen politischen Zündstoff; sie brauchen eine Agitationsbasis zur Verkündung ihrer Ideen, zur Realisierung und Publiaierung ihrer Politik.

Claus Gatterer, Südtiroler, Journalist in Wien und einer der hervorragendsten Kenner der Problematik: „Der Neofaschismus steigert den Neonazismus und umgekehrt. Sie arbeiten, indem sie aus verschiedenen Gründen, aber gleichen Motiven durch ihren Radikalismus jede Lösung (in Südtirol) erschweren, einander in die Hand.“

In Südtirol hat man die zwielichtige Rolle der Rechtsradikalen sehr schnell erkannt. Durch das Dazwischentreten extremistischer Kräfte wurde der gerechte Kampf der Südtiroler diskreditiert; das demokratische Bemühen der Südtiroler wurde und wird für Ziele mißbraucht, die nur durch den Namen Südtirol getarnt sind.

Es sei entschieden festgestellt, daß der Terrorismus, wie ihn Burger forcierte und ihn Drechsler publizistisch unterstützte, nichts gemein hat mit dem legitimen Widerstand der Südtiroler, der zumindest für sich geltend machen kann, für die eigene Sache zu streiten.

Dennoch gelang es sehr geschickt, die Grenzen zwischen der echten Südtiroler Freiheitsbewegung und dem „Importterrorismus“ (Gatterer) zu verwischen. Bis heute will man etwa nicht die wahren Umstände sehen, unter denen Luis Amplatz veranlaßt worden war, sein Testament zu unterzeichnen; man will nicht sehen, daß Radikale in Österreich. Deutschland und Italien, nachdem ihnen die Möglichkeit, mit dem Letzten Willen des Südtirolers politische Geschäfte zu machen, genommen worden war. ihr schändliches Spiel mit dem Testament weitertrieben. So unterstellt die neonazi-

stische „Deutsche Nationalzeitung“ dem österreichischen Außenminister Dr. Kreis ky, das Testament von einem Journalisten gekauft zu haben, so bezichtigten MSI-Politiker den Außenminister und andere österreichische Regierungsmitglieder ganz offen der Mitschuld an Terroran-schägen, so veranlaßte ein bekannter Rechtsradikaler Georg Klotz, in der „Deutschen Nationalzeitung“ zu erklären, was Amplatz in seinem Testament geschrieben hatte, entspreche der Wahrheit.

Der Tod des Luis Amplatz erscheint bereits heute als einschneidendes Ereignis in der jüngsten Geschichte Südtirols. Wenige Wochen nach dem Mord an dem Südtiroler schien es, als würden Österreichs Rechtsnationale tatsächlich die inoffizielle Südtirolpolitik entscheidend beeinflussen.

Dies zu verhindern muß Aufgabe all jener sein, die guten Willens sind. Ein Robert H. Drechsler, der mit der Idee eines „zweiten Zypern“ und einer UNO-Streifcmaeht für Südtirol hausieren geht, ein Norbert Burger, der junge Studenten rücksichtslos verheizt hat, ein Fred Borth, Exponent eines Rechtsextremismus übelster Prägung, ein Roland Timmel, der in einer Vielzahl von Verbänden und Formationen seine paneuropäisch-neunationalen Ideen verkündet, haben in Südtirol nichts, absolut nichts verloren. Das Schicksal der Südtiroler trifft uns alle viel zu sehr, als daß man dulden könnte, daß dieses Land zum Objekt politischer Spekulationen wird.

Es waren seit je Rechtsradikale, die Südtirol geschadet hatten: Italiens Faschisten unter Mussolini und der Nationalsozialismus Hitlers. Betrachtet man Hitlers Südtirolpolitik, so muß das Bemühen seiner ehemaligen Parteigänger in Südtirol beinahe grotesk erscheinen.

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