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Die Reporter Susanne Fischer und Christoph Reuter berichten aus dem Irak.

Warum sind ansonsten durchaus intelligente Menschen in den USA und Großbritannien überrascht, dass die Mehrheit der irakischen Bevölkerung die Besetzung ihres Landes ablehnt", fragte vor über einem Jahr Tariq Ali. Der pakistanische Schriftsteller prophezeite den Amerikanern einen erbitterten Widerstand von breiten Schichten der Bevölkerung und widersprach der immer wiederholten Behauptung, dass lediglich einige "Terroristen" oder "Saddam-Anhänger" noch letzten Widerstand leisteten.

Wenn man die Reportagen von Susanne Fischer und Christoph Reuter liest, findet man die Einschätzung von Tariq Ali bestätigt: Zwar sei die große Mehrheit der Iraker froh, dass das Terrorregime von Saddam Hussein beseitigt ist, aber das bedeute keineswegs, dass man die Amerikaner als Befreier sehe. Im Gegenteil: "Die Amerikaner machen da weiter, wo Saddam aufgehört hat." So die launische Bemerkung eines Bagdadis zum Folterskandal in Abu Ghreib, die die Stimmung gegenüber den Coalition Forces auf den Punkt bringt. Die beiden Reporter zeigen auf, dass die Anschläge und Entführungen von unterschiedlichen Gruppen und aus unterschiedlichen Motiven verübt werden. Versuche, irgendwelche "Top-Terroristen" wie Abu Musab Zarqawi als alleinige Drahtzieher hinzustellen, seien haltlos. Der Wiederstand sei von einem breiten Nationalgefühl getragen. Die Amerikaner würden als Besatzer empfunden und sie täten auch nicht viel, diesen Eindruck zu verhindern. So brachte zum Beispiel erst der Widerstand des Ayatollah Ali Sistani die USA dazu, einen Termin für allgemeine Wahlen auf diesen Januar anzusetzen.

Dabei ergehen sich die beiden deutschen Reporter keineswegs in antiamerikanischen Vorurteilen. Die Anfangskapitel schildern Begegnungen mit einem Übersetzer aus Saddam Husseins Informationsministerium und geben einen hervorragenden Einblick in die "Republik der Angst" des Diktators. Fischer und Reuter berichten auch von religiösem Wahn, von Stammesfehden, von Vorurteilen und völliger Unerfahrenheit in Demokratie. Die Probleme im Irak haben viele Ursachen. Die Reportagen über fundamentalistische Gläubige, traurige Jazz-Musiker, junge PKK-Kämpfer in den Bergen und verliebte jungen Frauen in Bagdad sind sehr gut geschrieben und spannend zu lesen. Das Buch hebt sich wohltuend ab von eilig zusammengeschriebenen Büchern diverser Irak-Kriegsreporter. Hier schreiben zwei Journalisten, die das Land nicht nur vom Balkon des Hotel Palestine aus kennen gelernt haben, sondern aus monatelanger Erfahrung im Land schöpfen und dazu die heimische Sprache sprechen.

Einziger Wermutstropfen: Die meisten Kontaktpersonen der Reporter scheinen aus der Oberschicht des Landes zu kommen. So berichten sie über die amerikanische Wirtschaftspolitik im Irak aus der Perspektive derer, die sich freuen, dass allerlei neue Waren zollfrei ins Land kommen. Welche Auswirkungen die Wirtschaftspolitik der Amerikaner, die vom britischen Economist als "Erfüllung kapitalistischer Träume" bezeichnet wurde, auf heimische Industrien und die Masse der armen Menschen hat, erfahren die Leser nicht.

Fischer und Reuter schreiben, dass Paul Bremer kurz vor der Machtübergabe an die Übergangsregierung noch 98 Dekrete erließ, die bis zum Jahr 2009 gültig bleiben; darunter die Festsetzung des Steuersatzes auf maximal 15 Prozent und Regeln zum Microchipdesign und zu Urheberrechten. Diese Dekrete werden also auch eine neue gewählte Regierung erheblich einschränken. Da müsste ein Reporter doch sofort fragen: Warum und wem nützt das? Leider sind die beiden Journalisten wie der Großteil der Irak-Berichterstatter dem nicht nachgegangen. Über die wirtschaftliche Ausbeutung des Irak kann also noch ein Buch geschrieben werden.

Café Bagdad

Der ungeheure Alltag im neuen Irak

Von Christoph Reuter und Susanne Fischer. C.Bertelsmann Verlag, München 2004. 320 Seiten, geb., e 20,50

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