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Pensioniert - und was dann? Micheline Rampes unsentimentales Buch erzählt, wie man "gut" alt werden kann.

Man kann nicht darauf warten, dass jemand einem einen neuen Sinn anbietet. Man muss sich schon selbst darum kümmern", sagt die 78-jährige Annemarie Dose, Erfinderin der "Hamburger Tafel", einem Verein, der Lebensmittel, aber auch andere Spenden sammelt und an soziale Einrichtungen verteilt. Als Frau Dose mit 65 Jahren nach einem ganz der Familie gewidmeten Leben Witwe wurde, stand sie vor der Entscheidung, ohne Sinn ihrem Ende entgegenzuvegetieren, oder etwas Neues anzufangen. Heute hat ihre Organisation über 100 ehrenamtliche Mitglieder, von der täglich 6000 Bedürftige profitieren. Mittlerweile gibt es in Deutschland 500 "Tafeln", die 500.000 Bürgern in Not helfen.

Die Journalistin Micheline Rampe erzählt dieses Beispiel in ihrem Buch "Jeder will es werden, keiner will es sein: Alter als Herausforderung". Auf Interviews folgen jeweils Kapitel mit Anregungen für die wachsende Zahl der "jungen Alten" in unserer Gesellschaft. "Die Angst vor dem Tod und das Nachdenken darüber halten uns nicht vom Sterben ab, aber vom Leben", wird eine 86-Jährige zitiert. Das Buch behandelt also nicht die allerletzte Lebensphase, sondern die Spanne zwischen Pensionierung und dem Zeitpunkt, wo jeder die Hilfe der anderen braucht.

Früher schenkten Gemeinden ihren Jungbürgern beim Erlangen der Volljährigkeit ein "Staatsbürger-Buch". Heute sollten Arbeitgeber, Kirchen, ja vielleicht sogar Ärzte dieses Buch verteilen. Es ist natürlich nicht das einzige auf dem Markt zu diesem brennenden Thema, doch hat es einen besonderen Charme, weil es keine sentimentale Zeile enthält. Die Anregungen bleiben nah am Leben und zeigen, wie man "gut" alt werden könnte. Es macht Mut: zur eigenen Kreativität, die während des Berufslebens zurückgestellt werden muss; zum Querdenken in reiferen Jahren, nach dem chinesischen Sprichwort: "Wer die Spur nicht wechselt, hat keine Chance zum Überholen." Es regt an, neue Rollen zu suchen, jene des Mentors für Junge, des Unterstützers, des Netzwerkers.

Da immer mehr Menschen in den Genuss längerer Lebenszeit kommen, wächst die Erkenntnis, dass das reine Nichtstun viele nicht befriedigt. Hat man sich Jahre lang über Beruf und Familie definiert, steht man bei der Pensionierung im Niemandsland. Es gilt also, rechtzeitig Freundschaften zu pflegen, sich sportlich zu betätigen und in sich hineinzuhören, wohin der Weg führen könnte. Rampe betont: "Was man gern macht, macht man gut." In vielen Gesprächen hat sich ergeben, dass die meisten Menschen gebraucht werden möchten. Und in der Gesellschaft wächst die Erkenntnis, wie kostbar Erfahrungswissen ist. Und Weisheit, Mut, Umsicht, Geduld, Veränderungsbereitschaft; Pflege der Religiosität und Spiritualität. Vielen älteren Menschen fällt es schwer, nicht in der Vergangenheit zu leben. Da holt sich die Autorin Schützenhilfe bei großen Denkern aus verschiedenen Kulturen, z. B. bei Schiller: "Nicht in die ferne Zeit verliere dich! Den Augenblick ergreife, er ist dein."

Jeder will es werden,

keiner will es sein

Alter als Herausforderung

Von Micheline Rampe

A1 Verlag, München, 2006

214 Seiten, geb., e 18,80

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