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Im Sog der Gewalt

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Das Leben als Fassade leben, schön langsam mit Rissen, abgebröckelten Stücken, schließlich in nackter Rlöße, gebettet in Grausamkeit. Frauen und ihr Griff zur Gewalt, wenn das Leben an festgezurrten patriarchalen Rollenzwängen zu zerbrechen droht, sind in der Literatur als Sujet keine Seltenheit. Auch der neue Roman der oberösterreichischen Autorin Elfriede Czurda variiert das Schicksal einer Frau, das mit boshafter Härte über ihr Leben hereinstürzt und in Unglück und Tötung kulminiert. Umso betroffener macht, daß Czurda auf einen authentischen Fall zurückgegriffen hat, dessen Rrutalität sich wie selbstverständlich zu entwickeln, der wie selbstverständlich im Desaster zu enden scheint.

Der Text ist nach dem Muster des analytischen Dramas gestrickt. Die Katastrophe am Reginn, der Selbstmord Magdalenas, bedeutet paradoxerweise Ziel, „Höhepunkt einer Glückssträhne” in ihrem Dasein, indem er den Endpunkt aller drückend wirkenden Gesetze und Gemeinheiten markiert, fallen sie doch „aus ihrem I .eben so endgültig hinaus wie sie selbst”. Vor dem Auge des Lesers entfaltet sich dieses Leben in vier Großkapiteln als Panorama weiblicher Reschädigungen, ohne Weinerlichkeit, nüchtern und sachlich abgespult. Die Autorin unternimmt sozusagen die Analyse eines Falls, eine kühne Restandsaufnahme, die zugleich vom Fall Magdalena distanziert. Kurze, einfache Sätze werden in ebenso kurzen Absätzen aneinandergereiht wie Wahrnehmungssplitter oder isolierte Ereignisse. Die Subka-pitel muten wie Momentaufnahmen an, Schnappschüsse aus der kranken Welt einer Frau, von denen jeder zum Teil eines seelischen Mosaiks mutiert. Alles fügt sich zu einer beklemmenden Welt ohne Freiraum zusammen, in der ein Inferno vor dem gnadenlosen Hintergrund der Kindheit vorprogrammiert scheint.

Magdalenas Leben ist geprägt von Erinnerungen. Sie nagen an ihrer Seele und „branden wie eine Springflut an ein Gedächtnis”: aufgewachsen ohne Vater, verlassen von der Mutter, vergewaltigt vom Onkel. Die Ehe macht sie zunächst dankbar. Aus der „Nichtehefrau”, aus dem „ Ganzundgarnichtexistieren ” ist eine Frau geworden, eine Hausfrau, die ganz in ihrer neuen Rolle aufgeht: „Morgen ” ist nicht mehr die tote, verlorene Zeit, in der Magdalena in der Stadt umherirrt, auf der Suche nach einer Stelle. Morgen heißt, Jakob ein frisch gebügeltes Hemd bereitlegen und ein kernweiches Ei kochen, Jakob ist jetzt Magdalenas Zuhause. Und Magdalena führt einen perfekten Haushalt. Das konstatieren auch die Nachbarn. Mit seismographischer Sicherheit registriert das Kontrollgremium jede Veränderung im Leben der Eheleute, sublim, scharfzüngig, spitz, hintertrieben. Die Metamorphose Magdalenas und ihres I Iaushaltes bleibt freilich nicht lang verborgen.

Rald schwebt „eine leichte Agonie” über dem weiblichen Arbeitsfeld, Jakobs Geld trägt kaum „häusliche Zinsen”, der Respekt für den Haushaltsvorstand schwindet. Dabei sind das erst „Spitzen, die eine perfekte Ordnung zerstechen, bis sie zerplatzt”. Magdalena leidet heimlich an Bulimie, hortet Vorräte, „ißt, würgt und kotzt”: „Fussen als Damm gegen die Vergangenheit” - Essen und Schlafen. Sukzessive nistet sie sich ein in einer „weißen hypnotischen Welt”, ja wird selbst zu einem „Friedhof”. Der Schlaf wird zum Fluchtraum, düsteres Befugium seelischer Unbehaustheit. Das Kennenlernen eines anderen Mannes läßt kurzzeitig vergebliche Hoffnung auf das Kitten von Zerbrochenem aufkommen. Magdalena beginnt, die Wirklichkeiten zu wechseln, fühlt sich preisgegeben und ausgeliefert. Sie pocht auf ihr Becht, Mensch sein zu dürfen, entzieht sich dem Prozeß der Versachlichung, indem sie mit dem Messer, „einem Teil ihres Armes”, neue Grenzen in ihrem persönlichen Krieg zieht.

„Die Schläferin” hat Elfriede Czurda nach den „Giftmörderinnen” als zweiten Teil einer Trilogie mit dem Titel „Drei Doppelleben” geplant. Die in Wels geborene Autorin, die heute in Berlin lebt, konzentriert sich damit auf das Leben von Frauen, die rollenspezifisch eingeengt gewaltsam gegen die Gefühlskälte ihrer Umwelt aufbegehren, ehe sie selbst daran zugrunde gehen.

Bestechend und treffsicher setzt sie die ästhetische Kraft ihrer Sprache wider die zu beschreibende Sache, experimentiert mit Figuren und Beschreibungen von Halluzination und Imagination: „Hecheln Hyänen? Hecheln Heckenschützen? Oder brandet ein Hecheln eines ganzen Heers auf eine Magdalena zu?” „fiine rote fad riechende Müdigkeit” will Magdalena überfallen, um sie ins „Vergessen hinunterzuziehen”. Verbale Staccati korrespondieren mit dem schnellen Lauf des Geschehens.

Die Beschäftigung mit dem Phänomen der Grausamkeit ist heute offenbar im Trend. Doch wo, wie in der „Schläferin”, Opfer im unerbittlichen Sog des Bösen selbst zu hechelnden Hyänen werden, schlägt das Leid in Gewalt um. Dies hinterläßt einen schalen Nachgeschmack. Der Leser bleibt betroffen zurück, während das Buch so wunder-„natür-lich” ausklingt: „Ein Windstoß fährt in einen Haufen Laub und wirbelt rote und gelbe Blätter zum verhangenen Himmel empor. Haltlos torkeln sie durch die Luft”, gleich den zitierten Erinnyen, die Vergeltung suchen und nicht eher ruhen, ehe der Zorn in der Rache aufgeht.

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