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IM SPIEGEL DER PRESSE

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„Vielleicht ist es auch Ihnen so ergangen: Eine der sympathischesten Nachrichten aus dem Randgebiet der österreichischen Innenpolitik war jene, in der es hieß, an den Schikursen, zu denen der Bundeskanzler die Politiker aller Parteien eingeladen hatte, würden diesmal auch Sozialisten teilnehmen. Das war 1967 nicht der Fall gewesen. Dem Österreicher, der auf Volk und Staat etwas hält, auch wenn er daraus nicht in nationalistischer Begeisterung eine „Nation" machen will, wurde warm ums Herz. Gemeinsames ist nicht nur edler als Trennendes, es ist auch notwendiger. Politiker aller Parteien in Hintermoos. Einmal nicht allein vereint im Parlamenfs- restaurant, sondern beim fröhlichen Tummeln auf der Skiwiese. Und das gar mit Angehörigen. All das fast schon eine Weihnachtsbotschaft.

Aber leiderl Als die Weihnachtsstimmung dahingezogen war und das junge neue Jahr seine Realitäten präsentierte, war zu hören, da(5 out der Skiwiese VP- und FV-Teilnehmer unter sich bleiben sollten. Und sie blieben es.

über das Warum kann man sich Gedanken machen. Irgendein ,Großer Bruder' hielt zuviel Fraternisieren tür taktisch falsch, parteischädigend, dem Bart von Karl Marx widersprechend. Es gibt da Gralshüter, die können von ihrem Gral nicht los. Es klingt zwar nach Leifartikelphrase, wenn man es ausspricht, daß der Gral ,Österreich' heißen soll und nicht .Partei'. Aber es soll wirklich so sein. Oder wenn schon nicht Österreich, damit niemand glauben soll, es ginge langsam zurück zu 1933, so Menschlichkeit, einfach Menschlichkeit.

(Friedrich Schuhmayer)

„Unter dem Zwang der Konjunkturabschwächung hat der Finanzminister das Budgetsteuer im vergangenen Jahr um 180 Grad herumwerfen müssen. Geldausgeben um jeden Preis, das war gewissermafjen das Gebot der Stunde. Und allen anderen Erwartungen zum Trotz ist es Schmitz nicht schwergefallen, das Geld für dieses „deficit spending" auch aufzutreiben. Zwar finden sich auch im Budget 1968 einige Linien, welche die Politik der Sfrukturbereinigung bei den Sfaats- ausgaben aus dem Vorjahr fortsetzen. Gemessen an der Masse der Posten, in denen vergangene Sünden einfach in die Zukunft projiziert wurden, wiegen sie nicht allzu schwer. Und wenn jetzt sogar das Eventualbudget anstandslos finanziert werden wird, kann bei der Masse der Funktionäre zu leicht der Eindruck entstehen, daß die Warner vor einem Debakel unrecht und die Befürworter einer leichten Hand beim Geldausgeben recht gehabt hätten.

Unter diesen Umständen das Steuer erneut herumzuwerfen und die Ansätze zur Budgetreform zu einem sinnvollen System zu erweitern, ist gewiß keine leichte Aufgabe. Die Regierungspartei wird sie aber in Angriff nehmen müssen, wenn sie sich nicht geschlagen geben will, ehe sie auch nur zur nächsten Wahl angefre- ten ist."

(Karl Gräber: „Das Debakel kommt erst”)

„In Ihrer beachtenswerten Serie .Wien nicht dem Verkehr opfern!' erklären Sie die Autoleidenschaft mit dem Satz: Man fährt Auto vor allem, um Zeit zu sparen. Als Angestellter eines Unternehmens in der Inneren Stadt halte ich diese Erklärung für schliditweg falsch. Wir haben zahlreiche Kollegen, die täglich nur der Parkplatzsuche wegen eine halbe Stunde früher aufstehen, als sie müßten, wenn sie für die Fahrt zur

Arbeitsstätte die Straßen- oder Stadtbahn benützten. Nach Dienstschluß zwängen sie sich herdenweise in den stinkenden, stockenden Verkehr, Tag für Tag nicht nur mehr Zeit, sondern auch mehr Nervenkraft vergeudend als die Straßenbahnfahrer. Und was bekommt der Arbeiter, der Angestellte, der Beamte als Gegenwert tür die zusätzliche Anspannung am

Steuer eines eigenen Beförderungsmittels, das — auch wenn er die Augen davor verschließt — sein Einkommen entscheidend schmälert? Im Stadtverkehr nicht mehr als das „Glücksgefühl", eine Maschine zu steuern. Wer Auto fährt, kann nicht lesen — auch an dem politischen Bildungsproblem und dem Auflagenschwund der meisten Zeitungen trägt die tägliche Blechlawine schuld."

(Friedrich Wanek: „Herdenfahrer, nicht Herrenfahrer)

„Die belgische katholische Zeitung ,La Libre Belgique' nannte Montag den italienischen Ministerpräsidenten Fanfani einen .kleinen de Gaulle' und erklärte, Fanfani verhindere ein Arrangement der europäischen Gemeinschaften mit Österreich in ähnli cher Weise wie Frankreichs Staatspräsident den britischen Beitritt. Der Streit zwischen Italien und Österreich um Südtirol sei zwar bedauerlich, rechtfertige aber in keinem Falle die Haltung Fantanis.

Wie die Zeitung weiter aufzählfe, wendet sich Italien auch gegen die Assoziierung nordafrikanischer Länder, die eine Konkurrenz für die italienische Obst- und Gemüseproduktion darstellen könnten. ,AII dies ist nicht sehr logisch und schwächt Italiens Position gegenüber de Gaulle. Monsieur Fanfani spielt eine schäbige Karte in einer Gruppe, in der jedes Mitglied es sich versagen sollte, aus Einzelinteressen oder aus rein politischen Gründen zu handeln'."

(„Der kleine de Gaulle")

„Scharfe Kritik übte am vergangenen Wochenende der Bremer evangelische Kirchenvorstand an der übereifrigen Aktion von 30, mehr oder minder jungen Pfarrern, die in einem Telegramm an ihre Amfsbrüder in Berlin die Kirchensförakfionen Dufsch- kes für gut erklärten. Damit hat ein durchaus zuständiges Gremium einmal Geistliche gebührend in ihre Schranken verwiesen. Was sich in diesen Tagen um die Goffesdienstsförer in Berlin und anderen Orten tut, ist bemerkenswert. Die Pfarrer der Kai- ser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind nicht bereif, den aufweichenden Worten des Bischofs von Berlin-Brandenburg, Dr. Kurf Scharf, zu folgen, der die eigenartige Versöhnungsfhese vertrat, die Gemeinde sollte den Ruhestörern verzeihen. In Berlin droht jetzt eine Auseinandersetzung innerhalb der Pfarrerschaft, und es ist falsch und oberflächlich zugleich, hier von konservativen und .fortschrittlichen' Pfarrern zu sprechen. Auf der Seite der zu Recht empörten Pfarrerschaff, an deren Spitze der sehr gemäßigte Generalsuperintendenf steht, befindet sich die überwiegende Mehrzahl der Berliner Bevölkerung."

(Claus Dalberg: ».Unruhe im Lufherrock")

„Die Tschechoslowakei war stefs das westlichste unter den slawischen Mitgliedern der europäischen Völkerfamilie. Nach einem verbreiteten Empfinden haben ihre Bürger seit den tragischen Ereignissen von 1938 und 1948, als sich zuerst von den Deutschen und dann von den Russen her die Schatten der Gewalt über das Land senkten, Jahrzehnte einer freien Entwicklung verpaßt. In Prag, Brünn und Bratislava, deren bröckelnde Fassaden aus früheren Glanzzeiten durch nichts Ebenbürtig-Moderne ersetzt wurden, drängt eine lebhafte neue Generation, der die totalitäre Ideologie längst schal geworden ist, in einen mitteleuropäischen Atemraum zurück.

Können die neuen Herren im Prager kommunistischen Apparat diesen Erwartungen entsprechen, oder werden sie in der Hauptsache noch für eine weitere historische Weile Statthalter Moskaus auf dem Hradschin bleiben? Bis jetzt hat die Erfahrung leider gezeigt, daß in einem kommunistischen Regime, das die inneren Spielregeln .liberalisieren' will, der Punkt bald erreicht ist, wo der lawinenartig anschwellende Freiheitshunger der Untertanen die Parteimacht selbst hinwegzufegen droht. Worauf dann die Schraube der inneren Repression — siehe Polen, Ungarn und Rumänien — wieder zugedreht wird. Die Außenwelt wird mif besonderem Interesse vertolgen, ob es den Nachfolgern Novotnys gelingt, die Polizei, die sich im letzten Jahr eine ganze Reihe böser Exzesse geleistet hat, genügend fest an die Kandare zu nehmen."

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