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IM STREIFLICHT

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DAS Osterprogramm der kleinen Wiener Bühnen bot wenig Oesterliches. Nur das „Kleine Theater im Konzerthaus“ machte eine Ausnahme: hier wurde der „Barrabas“ des Flamen Michel de Ghelderode gespielt, ein überaus interessantes Experiment. Ghelderode, der sich durch seine zahlreichen avantgardistischen Stücke vor allem im französischen Sprachraum einen Namen gemacht hat, war in Wien bisher — leider! — noch ganz unbekannt. Sein Drama gibt dem Barrabas-Motiv eine neue Abwandlung, über die man diskutieren kann; ebenso wie Csokors „Pilatus“ läßt es die Gestalt Christi nicht auftreten; aber wir wissen, daß er in der Zelle nebenan, neben Barrabas, festgehalten wird; so ist er in einem stärkeren Sinne gegenwärtig, als wenn er — wie etwa in einem Passionsspiel — leibhaftig auf der Bühne erscheinen müßte. — Das übrige Programm der Kleinbühnen war nicht nur nicht österlich, sondern auch schwach. Eine Ausnahme, was das „schwach“ anbetrifft, machte nur das „Theater der Courage“, das Marc G. Sauvaions „Abrechnung“ in einer sehenswerten Aufführung nun bereits in der dritten Woche mit Erfolg spielte.

DlE kleine Schau von Bildern aus dem „Heiligen Land“, die Prälat Dr. Gorbach in Wien I, Singerstraße 7/1, zusammengestellt hat, ist mehr als nur eine liebe- und pietätvolle Ausstellung. Für den, der Palästina noch nicht kennt, vermitteln die geoplastischen Modelle von Nazateth, Bethlehem, Caesarea, vom See Genezareth mit Kapharnaum und von der Umgebung Jerusalems einen ersten plastischen Eindruck des Heiligen Landes und den Stätten der Heiligen Schrift. Die Landkarten und Wandtafeln ermöglichen ihm eine erste Orientierung. Für den aber, der schon einmal dort war, werden die vielen gezeigten Ansichtskarten, Gemälde und Erinnerungsaufnahmen lebendiges Andenken an einen schönen, unvergessenen Aufenthalt bedeuten. Freilich würde man der Ausstellung viel mehr Raum wünschen; in einem Raum ist alles, was gezeigt wird, viel zu eng beisammen und ein wenig gedrängt. Aber gerade dadurch wird die Ueberfülle dessen, was hier dem Gläubigen geboten wird, so recht deutlich. Die Ausstellung wird bestimmt viele Freunde finden.

DAS Kunsthistorische Museum hat seit Beginn dieses Jahres einen neuen Direktor: Universitätsprofessor Dr. Vinzenz Oberhammer, der sich durch seine langjährige Tätigkeit am Ferdinandeum in Innsbruck und auch im Ausland einen Namen gemacht hat. Er wird zu einer Zeit nach Wien berufen, da vieles im Werden ist (heuer im Sommer soll ein weiterer Teil des Kunsthistotischen Museums dem allgemeinen Besuch geöffnet werden)und manche Neuerungen endlich verwirklicht werden müßten. Seine erste Tat: Er führte den seit Jahren geforderten Abendbesuch der gut ausgeleuchteten Schauräume in der Neuen Burg ein.

TMMER wieder werden im Radio wissenschaftliche Manuskripte nicht von ihren Autoren, sondern von „Sprechern“, meist Schauspielern, gelesen. Oh, würden sie nur gelesen! Aber sie werden vorgetragen, rezitiert, deklamiert .... Unter den „Sprechern“ gibt es: Pathetiken und Dramatiker (meist männlichen Geschlechts), Lyriker (meist Fräulein) und Märchentanten (Männlein und Weiblein). Sie meinen, was der Autor geschrieben habe, genüge nicht, man müßte ihm erst so recht auf die Sprünge helfen. Nun, das scheint uns nicht nötig zu sein. Der „Vortrag“ eines wissenschaftlichen Gegenstandes sei sachlich, nüchtern, gewissermaßen tiefgekühlt. (Einzelne deutsche Stationen sind darin beispielhaft.) — Was hier zuviel an Betreuung getan wird, läßt man auf anderen Gebieten vermissen. Immer wieder fordern wir größere Sorgfalt bei den verschiedenen Ansagen und Kommentaren. Was soll man von einem Sprecher halten, der bei einer Programmvorschau „Leckerbissen der Karwoche“ ankündigt? Und was von einem Kommentator, der uns vor Mendelssohns Violinkonzert versichert, es sei ein Werk der „Romantik, die sich in den Grenzen des Geschmackvollen hält“? Ja. die Grenzgi des Geschmackvollen! Darum geht's!

WAS mit der vielberufenen „Bildungszulage“ “ geschieht, die den Lehrkräften an den österreichischen Mittelschulen großzügig mit 100 S je' Monat gegen strenge Belegvorlage zugebilligt wurde, macht eine kleine Aufstellung offenbar. Nach dieser sind 74 Prozent des Betrages, also 74 S, für den Ankauf von Büchern, 13 S für Theater und Konzert und 13 S für „Bildungsreisen“ aufgewendet worden. Um hier zu beginnen: die Rückfahrkarte nach Wiener Neustadt kostet bereits 1.70 S mehr. Der Theateranteil reicht für einen Platz in den hintersten Reihen der „Volksoper“ (,,Theater-der-Jugend“-Preise). Der Buch-• anteil von 74 S sei folgenden Fachbuchpreisen gegenübergestellt: Deutsche Stilkunst, 175 S, Handbuch der Pädagogik, 230 S, ein Band einer zehnbändigen Weltgeschichte, 177 bis 193 S, drei wichtige Werke für den Musikunterricht, 256 S, dasselbe für Natudehre, 279 S, Bildungsfragen der Gegenwart, 196 S, und ein Literaturlexikon ist ein ausgesprochener Exzeß des Bildungsbedürftigen, 483 S. Die Beträge, mit zwölf vervielfacht, ergeben für Bildungsreisen: 156 S. Der besonders ermäßigte Fahrpreis nach Venedig beträgt 195 S. Trotz Eintretens der Nationalräte in der Budgetdebatte 19?5 und des Bundesministeriums für Unterricht ist es bei diesen nicht gerade schmeichelhaften Zahlen geblieben. *

DIE Geschäftätüchtigkeit der Städtischen Verkehrsbetriebe scheint uns ein wenig zu weit getrieben, wenn man nun auch schon an den Scheiben der Stadtbahnwagen Reklamen anbringt. Zwar hindern sie, bei emporgezogenem Fenster, nicht unmittelbar die Sicht, aber schön sieht das nicht aus! Auch stellen diese auf die Scheiben aufgemalten Bildchen eine andere Gefahr dar. Es könnte sein, daß sie als Vorwand dafür benützt werden, die Scheiben der Stadtbahnzüge noch seltener zu waschen als bisher.

DIE „Namensrente“ nennt die deutsche Fachzeit-schrift „Der neue Film“ zutreffend den in letzter Zeit beängstigend um sich greifenden Unfug gewisser Namensträger, aus einer zufälligen Namensgleichheit mit Filmrollen Schadenersatzansprüche abzuleiten und einzuklagen. Gleich vier Fälle, darunter einen aus. Wien, nennt das Blatt aus jüngster Zeit. Es gibt den verschreckten Autoren von Filmen auch gleich einen guten Rat, dem wir uns anschließen: „Nennen Sie die Hauptakteure Rolf, Wolfgang oder Stefan; die Damen hören unverfänglich auf Beate, Ursula, Katrin oder ,Du Einzige!' Auf keinen Fall dürfen Sie sich auf irgendwelche Zunamen einlassen., Und wenn das alles nichts hilft, dann machen Sie's wie die Amerikaner. Die schicken sogar ihren Bibel-verfilmungen folgenden Vorspann voraus: .Handlung und Personen sind frei erfunden. Jedwede Uebereinstimmung mit Personen oder Geschehnissen ist rein zufällig!' “

ZUR großen Biennale des religiösen Films, die Oesterreich als einziges Land der Erde seit Kriegsende pflegt, soll nun, erstmals Ende Juni, eine kleinere Biennale der Amateurfilmer treten. Ein Preis von 3000 S, eine internationale Jury und drei kleine „Oscars“ sollen der Veranstaltung das Gepräge eines ernst zu nehmenden Wettbewerbs geben. Vielleicht gibt es Ueberraschungen. Immer wieder hört man. von tüchtigen Arbeiten unserer Amateure, immer wieder stößt die Aufführung auf ..unüberwindliche Schwierigkeiten“. Man müßte das Projekt mit allen Mitteln fördern, denn häufig sind aus Amateuren richtige Professionals von Format geworden.

WUSSTEN Sie, daß in Oesterreich zwischen 1946 und 1954 409 Kulturfilme, davon neun in Farben, gedreht wurden? Nicht weniger als 2 5 unter ihnen waren abendfüllend, darunter Groß-ereigniise, wie „Matthäus-Passion“, „Abenteuer im Roten Meer“, „Das große Geheimnis“, „Symphonie Wien“, „Das Salzburger Welttheater“. Es gibt etwelche, die diese Ausbeute über die des heimischen Spielfilms in dieser Zeit stellen.

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