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Boris Pahors "Die Stadt in der Bucht" zeigt den schmalen Grat zwischen Befreiungskampf und Heimatbodenverherrlichung.

September 1943, der italienische Faschismus ist zusammengebrochen, und die Soldaten machen sich desorientiert auf die Heimreise. Doch im Norden Italiens beginnen die Deutschen Angst und Schrecken zu verbreiten. Unter den Flüchtenden ist der junge Rudi Leban, Slowene aus Triest. Er will sich den Partisanen anschließen, allerdings nicht den italienischen, sondern den slowenischen im heimischen Karst, schließlich leidet die slowenische Bevölkerung Triests seit dem Ersten Weltkrieg unter der gewaltsamen Italianisierung.

Krieg, Terror, Partisanen

Krieg, NS-Terror und Partisanenkampf, das sind die großen Themen, die der slowenische Schriftsteller Boris Pahor aus eigener Erfahrung kennt und in seinen Büchern immer wieder beschreibt. Pahor war 1944 als slowenischer Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten gefangen und ins Konzentrationslager verschleppt worden. "Nekropolis" hieß sein 1967 erschienener Roman über seine Leiden in deutschen Konzentrationslagern.

"Die Stadt in der Bucht" schildert drei Tage aus dem Leben des Rudi Leban, die mit einer dramatischen Entscheidung beginnen und enden. Am Beginn steht die Flucht im offenen Viehwaggon von der zerfallenden Front Richtung Triest. Er ist nur einer von vielen, und die Angst, an der nächsten Station von den Deutschen aufgegriffen zu werden, steht ihnen allen ins Gesicht geschrieben, auch das Misstrauen gegenüber den mitreisenden Zivilisten. Doch zumindest diese Angst ist ungerechtfertigt. Es gibt im ganzen Roman weder in der italienischen noch in der slowenischen Bevölkerung einen Fall von Verrat. Die Spannung und Atemlosigkeit dieser Fluchtreise im Zug sind beklemmend und packend - ein wenig bedauerlich nur die unbeholfene Übersetzung. In einem fort muss man von den "Jungs" lesen, wenn von den jungen Deserteuren die Rede ist, und immer wieder passieren grammatikalische Übersetzungs-Hoppalas.

Trotzdem beeindruckt die Kraft von Pahors Bildersprache, und das gilt vor allem auch für die Tage der Entscheidung in einem kleinen Dorf nahe Triest. Hierher war Rudi Leban in letzter Sekunde die Flucht vor den ganz Triest perlustrierenden Deutschen gelungen. Hier ist alles friedlich, die Natur, die Landschaft, die bäuerlichen Bewohner. Ein anderer Rhythmus, eine andere Zeitrechnung scheinen hier zu herrschen. Doch der Schein trügt. Das erkennt auch Rudi erst allmählich. Es gibt kaum eine Familie, die nicht einen Sohn oder Enkel in den Bergen weiß oder in einer anderen Form am Partisanenkampf beteiligt ist. Für Rudi Leban werden es Tage voller widerstreitender Gefühle.

Da ist die kecke Vida, die ihm ebenso im Kopf umgeht wie die bedächtige Majda, die selbst im Widerstand aktiv ist. Beide Mädchen stehen ganz einfach auch für die Tatsache, dass Rudi Leban gern ein ganz normaler junger Mann wäre, würden ihn nicht die historischen Ereignisse daran hindern.

Widerstreitende Gefühle

Die zweite Verunsicherung Rudi Lebans betrifft die Entscheidung, wo und wie er sich im Widerstand betätigen kann und soll. Da ist das verlockende Leben der Partisanen in den Bergen, das bei aller Drastik der Situation auch den Geruch von Lagerfeuerromantik verbreitet. Andererseits steht der Winter bevor, so rational überlegt Rudi Leban durchaus. Und dann gibt es die Option, in seine Heimatstadt Triest zurückzukehren und sich dort nützlich zu machen. Das ist weniger romantisch, aber nicht weniger gefährlich. Statt Heldentod im Kampf droht hier wohl eher Gefangennahme und KZ. Dass Rudi Leban schließlich doch die Untergrundarbeit in Triest wählt, ist vielleicht auch ein Zeichen seines Erwachsenwerdens, die ernsthafte Majda war an der Entscheidung nicht unbeteiligt.

Der Ton ist verhalten und bildreich zugleich und zeigt auch den schmalen Grat zwischen Befreiungskampf und Heimatbodenverherrlichung. Dass Pahors Hommage an den Karst und seine slowenischen Bewohner nicht abstürzt, verdankt sich der historischen Verankerung im Kampf gegen die deutschen Aggressoren.

Die Stadt in der Bucht

Roman von Boris Pahor. Übers. v. Mireilla Urdih Merkù. Kitab-Verlag, Klagenfurt 2005. 288 Seiten, kart., e 18,50

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