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„Diese Partitur, so wie sie geschrieben ist und wie sie in den musikalischen Archiven unserer Zeit bleiben muß, bildet ein unlösliches Ganzes mit den Bestrebungen, die ich in meinen früheren Werken immer wieder verfolgte… Ich bin auf einem vollkommen sicheren Wege. Daran ist nichts zu diskutieren und zu kritisieren.” Diese Sätze stehen in einem Manifest, das Strawinsky unmittelbar vor der Uraufführung seines Melodrams „Persephone” nach einer Dichtung Andrė Gidės im Parišę„

Sollten 1.1 diese/:-, selbstbewußten Worte eine innere Unsicherheit kaschieren oder kompensieren? Jedenfalls hat der Gedanke an die Magazinierung eines soeben erst entstandenen Kunstwerkes etwas Erschreckendes. „Klassizismus zu Lebzeiten” wäre dafür noch der gelindeste Ausdruck. Und in der Tat 1st die 45 Minuten dauernde Musik zu „Persephone” in vielen ihrer Passagen, besonders im I. und im III. Teil, von strahlender Klarheit Die klassische Reinheit der Linie und die elysäische Heiterkeit der Stimmung erinnert an die leuchtende Frische eines ägäischen Morgens. — Dieser Vollkommenheit der Linie entspricht freilich eine zuweilen an Erstarrung grenzende Ruhe. Ruhig ist nicht nur die Bewegung, sondern ruhig sind auch die Farben.

Strawinsky war von der bald nach der Uraufführung gespielten konzertanten Fassung mehr befriedigt, als von der szenischen, die für Ida Rubinstein und das Ballett der Pariser Oper bestimmt war. Wir sahen das Werk zuletzt 1955 während der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule. Aber jetzt, bei der konzertanten Aufführung im Konzerthaus, hat es uns besser gefallen. Man erkennt seinen Rang, wenn man danach Benjamin Brittens 1940 geschriebene Sinfonia da Requiem (eine dreiteilige symphonische Dichtung) und Zoltan Kodalys „Tedeum” anhört, das 1936 in Budapest anläßlich der Feier des 250. Jahrestages der Befreiung von den Türken uraufgeführt wurde. Unter der Leitung des jungen israelischen Dirigenten Eliahu Inbal sangen, sauber und frisch, der Jeunesse-Chor und die Wiener Sängerknaben sowie Lajos Kozmą, Tenor. Judith Holzmeister sprach — sehr kühl — den vielfach vom Programmheft abweichenden Text. (In der Szenenfassung wird die Partie der Persephone getanzt, gespielt und gesprochen). Es spielte das Orchester des österreichischen Rundfunks.

Das Programm des 2. Konzerts im Zyklus „Die große Symphonie” enthielt drei leichtgewichtige Stücke — wobei wir das spezifische Gewicht von Joseph Haydns Klavierkonzert D-Dur keineswegs unterschätzen. — Cėsar Francks „Variations sympho- niques”, 1885 entstanden, klingen mit den Jahren immer gefälliger. Zur Salonmusik ist nur ein Schritt — aber Jörg Demus hat sich vor ihm nie gefürchtet… Meisterhaft gelang dem Komponisten die Verschmelzung von Variationen- und dreisätziger Konzertform sowie ein Klavierpart, wie er gefälliger und dankbarer kaum erdacht werden kann. — Sergei Prokofieffs VII. und letzte Symphonie, im Oktober 1952 in Moskau uraufgeführt, war als „Kindersymphonie” konzipiert und wuchs sich dann unter den Händen des Komponisten, der ja selbst von ungewöhnlicher Statur war, zu einem Riesenspielzeug aus. Stünde sie allein da, so könnte man seine ungetrübte Freude an dem problemlosen, wonnig-sonnigen Stück haben und von „apollinischer Klarheit” sprechen. Aber es klingt ja leider alles, was Prokofieff während der letzten zehn Jahre seines Lebens geschrieben hat, nach „Peter und der Wolf”: vor der Zurechtweisung und Verdammung als Formalist floh der große Komponist ins Kinderzimmer … Mario Rossi, selbst ein eher naiver als intellektueller Künstler, hat die drei Werke des Konzerts mit den Wiener Symphonikern mit angemessener Leichtigkeit musiziert.

Leichtgewichtig war auch der Abend des jungen tschechischen Förster-Trios, zu dem sich Absolventen des Prager Konservatoriums zusammengeschlossen haben. In Klaviertrios von Mozart (Es-Dur, KV 542), Martinu (C-Dur Nr. 3) und Ravel (a-Moll) erwies es sich, daß die jungen Leute die Eierschalen ihrer Lehrzeit noch nicht abgestreift haben. Sie spielten leidlich sauber, aber ein wenig temperamentlos. Man kann ihnen nicht einmal „böhmisches Musikanten tum” bescheinigen. Dieses freilich hätte nur für das anspruchslose Werk Bohuslav Martinus genügt. Mozart und Ravel erfordern, jeder auf seine Art, mehr.

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