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Ich hoffe, daß ich mein Leben nicht ändern muß, daß ich die Sicherheitsregeln beachten und mich trotzdem unter die Leute mischen, mit ihnen durch die Straßen laufen kann. Es würde mir wirklich sehr schwerfallen, mich von den Menschen fernzuhalten und eine Sicherheitsschranke zwischen ihnen und mir hinzunehmen." Was Nagib Machfus einst dem Schriftstellerkollegen Mohammad Salmawy sagte, ist bezeichnend. 1994 überlebte Machfus das Attentat eines islamistischen Fundamentalisten, er konnte zunächst die rechte Hand nicht mehr bewegen. Aber klagen war seine Sache nicht. Unermüdlich übte er das Schreiben, bis es ihm wieder gelang. Wirklich erholt hat er sich von dem Attentat aber nicht mehr.

Geduld brauchte er auch, bis der (bisher einzige arabische) Nobelpreisträger seine Romane publizieren konnte. Jahrelang gelang es ihm nur, dort und da Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Die literarische Spur, die der am 30. August verstorbene Machfus mit über 40 Büchern nun hinterlässt, ist beeindruckend und erzählt von den Veränderungen seines Schreibens - von der "pharaonischen" Phase über die realistisch-sozialkritische hin zu einer, die Individuen und ihre existenziellen Fragen in den Blick nahm, bis er schließlich in seinen letzten Werken alle diese Phasen wie Fäden zusammenzuknüpfen schien - und von Politik.

Der 1911 geborene Ägypter erlebte die Revolution von 1919 gegen die britische Besatzung, und nachdem 1952 eine weitere Revolution die Monarchie beendet hatte, enttäuschte ihn die neue Republik, die sich in ihrer autoritären und korrupten Regierungsform nicht sehr viel von der Monarchie zu unterscheiden schien. Sowohl Nasser als auch Sadat landeten als kritisch gemaltes Denkmal in Machfus' Romanen.

Kairoer Buddenbrooks

Einer seiner berühmtesten Romane ist wohl die "Midaq-Gasse", Schauplatz und Held zugleich, Bild für eine bunte Gesellschaft, die sich durch das Einwirken der Außenwelt verändert. Viele seiner literarischen Texte beschränken sich auf bestimmte Stadtteile, spiegeln im Kleinen das Große. Die "Kairoer Trilogie" etwa erzählt anhand dreier Generationen einer Familie - orientiert an den "Buddenbrooks" - Veränderungen der Gesellschaft. In "Die Kinder unseres Viertels" richtete Machfus seinen kritischen Blick auf Heilslehren und zog sich damit den Zorn unterschiedlichster Religionsvertreter zu. Machfus war immer eine wichtige und glaubwürdige Stimme für Frieden, Toleranz und gegen die Ängstlichkeit, die eigene - doch immer durch fremde Einflüsse so reich gewordene! - Kultur könnte verändert werden, verloren gehen. Den Stoff für seine Romane erging er sich - in den Gassen, bei den Menschen seiner Heimat. "Ich habe für alle Arten von Menschen großes Mitgefühl. Trotzdem bemühe ich mich, schlechten Menschen in meinen Romanen nicht allzuviel Bedeutung beizumessen, denn ich fühle mich unfähig, sie darzustellen. [...] Und wenn einer meiner Helden durch die Umstände und die schlechten Lebensbedingungen gewalttätig wurde, habe ich ihn nicht angeklagt, sondern, ohne es zu wollen, dennoch verteidigt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Hauptfigur meiner Romane gehaßt zu haben. Einige von ihnen habe ich verurteilt, aber ich habe sie auch geliebt, denn ohne diese Liebe hätte ich sie nicht verstehen können."

Brigitte Schwens-Harrant

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