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Des Ostwinds eisiger Psalm. Von Wolfgang Schwarz. Ehlers-Verlag, Berlin. 269 Seiten. Preis 12.80 DM.

Eigentlich nur ein Bericht von neunjähriger Gefangenschaft einiger deutscher Offiziere in Rußland, die 1953 endete. Aber unversehens befindet sich der Leser mitten in einer Dichtung über die menschliche Freiheit, die aus der Hölle des elenden Menschen aufsteigt. Dantes „Inferno“ ist human und humanistisch. Diese Hölle von Schmutz, Gemeinheit, Fron und Feigheit, Treue und Verzweiflung ist unmenschlich, ist im Kollektiv des inkarnierten Satans gelebt worden. Aus Dantes Hölle kommt man nicht mehr heraus — sie ist endgültig. Aber aus dieser Hölle kommt man — tot oder lebendig — wieder heraus: weil sie die Ueberwindung des Bösen im Reiche des inneren, des einzelnen, des geistigen, des ichhaften Satans ist. Zurückgekehrt ans „neue Gestade“ mögen diese Geläuterten barmherzig sein mit uns ...

Die Magd. Roman. Von Henry Bordeaux. Styria-Verlag, Graz. Uebersetzt von Helene Ha-luschka. 148 Seiten. Preis 36.50 S.

„Das verirrte Schaf“ heißt der Titel im französischen Original. Eine Frau, die in einem Bergdorf in der Umgebung der Grande Chartreuse einen Ehebruch begeht, von ihrem Mann verstoßen wird und nach zwei Jahren zurückkehrt, weil sie nach ihren

Kindern sich sehnt. Vom Gatten als Magd zunächst wieder aufgenommen, wird sie von den Kindern anerkannt und von den Dorfbewohnern „geschnitten“. So lebt sie und verzehrt sich buchstäblich unter dem Druck ihrer Umgebung. Erst eine Krankheit öffnet ihr das Tor zum Herzen ihres Mannes — aber zu spät: sie stirbt. Und erst dann wird sie auch wieder von den Dorfbewohnern angenommen. — Außer der Umgebung der Geschichte ist nichts neu. Man legt das Buch allerdings weg mit der. Vermutung, daß wir mit unserer Verzeihung immer viel später kommen als Gott — und das ist, nach Christi Tod und Auferstehung, zu spät ...

Himmel über der Wüste. Von Paul B o w 1 e s. Rowohlt-Verlag, Hamburg.

Die Wüste gibt eine surrealistische Ebene ab, die Wüstenhitze rechtfertigt geistige Ausnahmezustände, die auf existenzialistisch getrimmten Figuren benehmen sich wie hinter den bekannten verschlossenen Türen und das Ganze ist mit viel Sartre, Williams und Miller gewürzt — mit einem Wort, es ist alles da, aber das Ergebnis wenigstens ebenso langweilig wie unerquicklich. Ein betrübliches Ergebnis, wenn man bedenkt, daß dem Autor doch wohl eine eher rasante Unerquicklichkeit vorgeschwebt hat.

Einen Schilling für den, der dieses höchst literarische Machwerk bis Seite 101 gelesen hat. Weiß der Himmel (nicht der des Mr. Bowles) wie das in den Rowohlt-Verlag hineingerutscht ist. Der schwärmt doch sonst für handfeste Kost?

Kannst du Europa vergessen? Von Bruno E. Werner. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 92 Seiten. — Das New-York-Buch. Von Franz H r a s t n i k. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. Mit farbigen Reproduktionen.

Sie beschreiben dieselben Dinge und die gleichen Menschen, aber sie nehmen dabei zwei sehr verschiedene Standpunkte ein. Bruno E. Werner, Feuilletonist und Kunstkritiker, analysiert sein Material: dies ist wie in- Europa, dies muß offenbar typisch amerikanisch sein, dies wiederum wird morgen schon europäisch oder amerikanisch sein. Kluge, wirklich vorurteilslose Essays, ein bißchen melancholisch und skeptisch („Standard, Melancholie und Einsamkeit“ heißt denn auch des winzigen Buches bestes Stück), immer bemüht, das Fremde kühl zu betrachten und seiner Faszinationskraft nicht zu verfallen, bisweilen aber doch — und nicht zum Schaden der Notizen — von ihm übermannt. Franz Hrastnik hingegen analysiert nicht, sondern beschaut es als journalistisch denkender Maler, der sich mit Vergnügen der fremden Buntheit unterwirft, aber nach der Verarbeitung auch Genuß an ihr hat — merkwürdig, daß der Künstler im Grunde doch immer der Distanziertete bleibt. Die Bilder zeigen, daß Thöny nicht die schlechtesten Nachfolger in seine Spuren gezogen hat.

Karl und das 20. Jahrhundert oder Die Zeitlawine.

Von Rudolf Brunngrabe r. Forum-Verlag, Frankfurt-Wien. 306 Seiten.

Eine Neuauflage. Die Geschichte eines Wieners, geboren 1893, gestorben und zerrieben zwischen den Rädern der Wirtschaftskrise 1931, durchsetzt mit Reportagen, Glossen und Betrachtungen — genau das, was mit einem schönen deutschen Wort als „Feature“ bezeichnet wird. Sicherlich ein beachtliches

Werk, wahrscheinlich eine imposaiue Arbeitsleistung. Offen gesagt, mir ist Döblins „Alexanderplatz“ gleichwohl beträchtlich lieber.

Dr. Jörg M a u t h e

Die Blumen des Bösen (Les Fleurs du Mal). Von Charles Baudelaire. Deutsch und Französisch. Überträgen von Carl Fischer. Hermann-Luchterhand-Verlag. 465 Seiten.

In einem umfangreichen Nachwort zu diesem berühmten und berüchtigten Werk gibt -Herbert Cysarz eine Schilderung der Zeit, des Milieus, der Gesellschaft, wie sie Balzac geschildert und Daumier gemalt hat. Wildescher Dandysmus, verbindet sich im Werke Baudelaires mit strengstem Schönheitskult, ergreifende Aufschwünge und Abstürze spiegeln ein Ringen um christliche Glaubensinhalte. Der Wagner- und Poe-Enthusiast Baudelaire ist einer der größten und stärksten Anreger einer bestimmten Literatur geworden (Mallarme, Swinburne, d'Annunzio, Stefan George, Valery und andere). Im deutschen Sprachraum wurden vor allem Georg Trakl und Georg Heym entscheidend von Baudelaire beeinflußt, und die Bemühungen, Baudelaire einzudeutschen, reißen nicht ab. Carl Fischer will nicht, wie etwa George „ein deutsches Denkmal“ für Baudelaire errichten, sondern trachtet, das Original mit allen Sprüngen, Disharmonien und Gegensätzen so getreu und realistisch wie möglich wiederzugeben. Seine Textunterlage ist die Ausgabe von Crepet, die er mit andern Editionen verglich. Der Verlag hat das bedeutende Werk und die gewissenhafte Uebersetzung in einer vorbildlich schönen und sauberen Ausgabe herausgebracht (Dünndruck, in flexiblem Leinen).

Dr. Helmut A. Fiechtner

Schule der Schlagfertigkeit. Von Georg Kohle r. Im GIock-und-Lutz-Verlag, Köln. 212 Seiten.

Wenn Wiiz, verbunden mit Geistesgegenwart, lehrbar wäre, dann könnte man den Titel dieser Anekdotensammlung aus drei Jahrhunderten gelten lassen. Aber sie sind es eben nicht, und dem Dummkopf fällt erst immer viel später ein, was er hätte entgegnen können. Da sind also, meist aus älteren Sammlungen zusammengetragen (das offenherzige Register nennt deren 25), viele bekannte und weniger bekannte Aussprüche von Staatsmännern, Philosophen, Künstlern und anonymen Zeitgenossen, denen einmal eine gute Formulierung geglückt ist. Als das große Jahrhundert des Malmots erweist sich das Dixhuitieme. — Was bei einer Neuauflage des hübschen, mit lustigen Graphiken von Alfred Heller ausgestatteten Bändchens nachgeholt werden könnte, wäre ein Autorenverzeichnis. Das scheint uns wichtiger als die Gliederung in Berufe und Sujets.

Alle für die Katz. Von S. Carmiggelt.

Abendländische Verlagsanstalt, Freiburg-München-Innsfiruck. 108 Seiten.

„Bitte keine Angst! Dieses Buch will nichts anderes sein, als das Knäulchen, das mein Kater diesen Augenblick durchs Zimmer rollt“, so steht als Motto über einer Federzeichnung auf der ersten Seite. Mit diesen 20, 30 Illustrationen ist es nämlich mysteriös: wir konnten keinen Autor entdecken; er wäre aber wert, neben dem Verfasser der sieben Katzenkapitel genannt zu werden. Vielleicht sind diese beiden identisch. Carmiggelt, ein brummiger Tierfreund, erzählt von seinen geliebten Katzen ein wenig in der Art des den „Furche“-Lesern bekannten Holländers Bomans. Ein Büchlein — nicht nur für Katzenfreunde, sondern auch für Liebhaber eines trockenen Humors. Hübsch und freundlich ausgestattet.

Albert Friedrich

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