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In memoriam

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In dieser Sparte soll die Erinnerung an bedeutende geistig Schaffende erneuert werden, die in den sieben Jahren unbedankt dahingegangen sind; von vielen hat die Öffentlichkeit nicht einmal den Tod erfahren.

der große Dichter und große Österreicher, starb, im 69. Lebensjahr, am 10. Oktober. 1942, und wurde auf dem Grinzinger Friedhof in Wien bestattet. Eines seiner letzten Gedichte begann:

Aus der Tiefe meiner Leiden, s&eines Elends, meiner Not, rof ich mit erhobnen beiden Händen, nach dem Retter Tod.

Sein Tod war Erlösung aus langem, schwerem, mannhaft ertragenem Siechtum.

Er war ein Österreicher von Grund aus, ein unentwegter; bewußt und überzeugt, setzte er sich, kühn, auch rücksichtslos gegen sich, für sein Vaterland ein. Im Jahre 1910 veröffentlichte er in seinem Buch „Vom unsichtbaren Königreich“ einen - Aufsatz „Vaterland“, der mit folgender Erklärung schließt: „Ich habe ein Vaterland, das ich mit keinem tauschen möchte, ich liebe es, weil ich sein dankbares und — undankbares Kind bin, treu mit Blut und Geist, bereit, alles daranzusetzen. Ich kann nicht anders, Österreicher bin ich, Österreicher bleib ich, weil ich, so sehr ich über mich hinaus, empor trachte, aus mir nicht heraus, nicht von mir los, mich nicht aufgeben kann, der ich als Kind meiner mütterlichen Erde, der,Heimat meiner Seele verbunden und verpflichtet, dauern will bis an den letzten Atemzug.“

Das war tapfer und verdienstvoll gesprochen, in einer Zeit besonders, in der in allerweitesten Kreisen die Kritik an Österreich sich stärker hervordrängte als die Liebe. So klar, so feurig bekannten sich wenige von den bedeutenden Schriftstellern zu ihm. Schaukai stellte sich mit diesem Bekenntnis und vielen andern Zeugnissen neben Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr, Adam Müller-Guttenbrunn, Richard Kralik und Anton Wildgans, in die Reihe der großen Paladine des alten Österreich. SchaukaL hat diesen Aufsatz, der ihm wertvoll und für seine Geltung wichtig schien, im Buch „österreichische Züge“ im Jahre 1917 noch einmal vorgelegt.

Im Jahre 1910 stand Richard Schaukai, In der Mitte seiner Dreißigerjahre, bereits auf der Höhe seines Schaffens. Er gehörte zu den repräsentativen Österreichern: als Dichter und Essayist, als ein Mensch höchster persönlicher und wissenschaftlicher Kultur, reich an Wissen, Sprachkenntnissen und Lebenserfahrung, ein viel belesener, urteilssicherer Kenner und Fachmann auf manchen Gebieten seiner Beamtentätigkeit sowohl wie der Wissenschaft, Literatur, Kunst und Musik, mit seltener Gedächtniskraft und Schlagfertigkeit ausgestattet, selbstbewußt auch, aufrecht im Sattel, ein schöpferischer Geist, wie als Zeit- und Kulturkritiker und Polemiker, ein Charakterkopf seltener Prägung und eine männliche Seele. Er hielt mft

seiner Wahrheit nicht hinter den Berg, nahm sich kein Blatt vor den Mund, besonders auch in der Sache des österreichertums. Deshalb wurde er in den letzten Jahren seines Lebens in den deutschen Zeitungen und Zeitschriften verfolgt, der „Fall Schaukai“ beschäftigte sie lange Zeit. Bei seinem Tod durften die Wiener Zeitungen nur zwei Zeilen über ihn bringen, in den andern wurde überhaupt davon nicht Notiz genommen; am offenen Grab konnte immerhin der Präsident der Schaukal-Gesellschaft einen kurzen Nachruf sprechen.

Als Dichter war Schaukai vor allem Lyriker und Aphoristiker, aber auch Erzähler, seine Novellen („Dionys bdesi“, „Schle-mihle“ heißen die Sammlungen) sind leider, da sie nur in kleiner Auflage erschienen sind, fast völlig unbekannt geblieben. Seine Lyrik aber ist widerspruchslos anerkannt. Er gab sie in vielen Bänden und Bändchen, immer wieder vermehrt, neu gesichtet und geordnet heraus; ein Band aus seinem Nachlaß („Gedichte seit 1933“) harrt neben fünf Bänden „Gedanken“, „Erkenntnisse und Betrachtungen“, „Erinnerungen“, Erzählungen und Ubersetzungen, noch der Veröffentlichung. Er war reiner Bekenntnis-, Erlebnislyriker. Was er schuf, war in jedem Wort, wie er selbst in einem Vortrag gestand, Selbsterkenntnis; er war in jedem Satz, den er schrieb, bewußter Künstler, zumeist sind es kurze Gedichte, gedrängt voll Gehalt, kunstvoll und doch naturhaft und einfach geformt, eindringlich geprägt, eindrucksvoll im Gedanken und in der Sprachgebung, musikalisch im Klang, seine Sprache beweglich, bunt, klangreich: eine helläugige, makellose, vollendete Lyrik.

Außer seiner Dichtung bewährte er sich (in etwa, alles zusammen, 80 Büchern) als Literatur- und Kunstschriftsteller, als Übersetzer (aus dem Französischen) und als Kritiker. Seine Essays ergehn sich, gedankenreich, in glattgemeißeltcn, am Amboß gehämmerten, feingespitzt*n Wendungen; auch wortreich und wortgewaltig führt er, ein unbeirrbarer Richter, ein Feind des Unzulänglichen und Schwindelhaften, seinen Federkrieg; er verstand es, haarscharf zu formulieren, und es war nicht leicht, mit ihm über die Dinge des Tages, über Fragen der Literatur, der Kunst, des Geschmadks, der Politik, einen Redestreit durchzuhalten. Er rühmte sich selbst!

„Meine Gedanken sind ein Kornfeld im Wind, sie rauschen so und schwanken, weil sie hochgewachsen sind.“

Auch Spott und Ironie waren seine Waffen, die eines Menschenkenners und -Verächters.

In seinem Gesamtwerk und seiner Lebensführung kämpfte er für den „Glauben als den Anfang und das Ende alles Wissens und die Ahnung als die nachtwandlerische Sicherheit des Kindes, wie des Genies“, gegen den Zeitgeist und sein Kompromiß mit der Anarchie, für die Ordnung und das Standhalten, für Heimat und Familie, gegen Feigheit der Meinung und gleichgültiges Gehnlassen, für da „Ketzerta“ der eigenen MeAnun .

Geboren im in BrBaa, mm einer Famßl tob Industriellen, kam er nach einer sorglose, wehlbehüteten Jugendzeit an die Universitlt 'wTen, machte unerhört rasche Karriere in der Beamtenlaufbahn, war, kaum 30 Jahre alt, „der jungte Hofrat in der Monarchie“, Präsidialchef Im Arbeitsministerium, nmrauscht von den Fitridien einet reichen, sonnen umglänzten Lebens, trat nach dem Zusammenbruch des alten Österreich mit dem Titel eines Sektionschef k den Ruhestand end lebt, seiner reich verzweigten end seartfl-stellerisehen Tätigkeit, seiner Famiii* ond sioeai sehr lebhaften Briefwechsel mit Glei&gesimttea and Gegnern. Dann aber erfaßt die Schwere fta Daecias auch seinen Scheitel, and „ein mflder Segler“, sank er nach Jahren lähmender, hmerx-heiffr Krankheit ins Grab. — Es wird unsere Sache sein müssen, das Vermächtnis dieses großen Österreichers au hüten.

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