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In memoriam

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Ein Grab am. Rande der Großstadt. Ringsum die Hänge und Höhen des Wienerwaldes wie ein letzter Scheidegruß seiner Tiroler Heimat. Auf schwarzem Stein in goldener Schrift die Worte:

Pater Adolf Innerkofler Priester, Volksprediger, Schriftsteller

geb. 18. 12. 1872 gew. 7. 4. 1896 gest. 9. 10. 1942 R. I. P.

„Zu den großen Mariabrunner Namen: Abraham a Santa Clara, Adalbert Stifter, Petrus Canisius, Laudon und Ressel läßt sich mit vollem Rechte auch der des Paters Adolf Innerkofler hinzufügen, der dort barock und schneidig wie ein Abraham a Santa Clara gepredigt, zart wie ein/Stifter gedichtet, zäh wie ein Cadisius gekämpft und schließlich wie ein Laudon gesiegt hat. Selbst von Ressel hat 'tt etwas an sich: die Schraube seiner Unermüdlichkeit und seines nie erlahmenden Tatendranges, die da stets zuversichtlich durch die Brandung saust: „Lei nit lugg lassen!“

Damit läßt sein Biograph schon die Farben aufleuchten, die dieses Porträt eines kernigen Österreichers so warm und' vertraut machen. Wir müssen wieder einmal die Staubschicht der undankbaren Vergeßlichkeit abwischen und dies Bild ans Licht stellen, dem Land zur Ehr', uns zur Lehr'!

Im Generalatshaus der Kalasantiner nahe der Kirchengruft- seines verehrten P. Anton Maria Schwartz, des Wiener Arbeiterapostels, hatte er sich für seine letzten Lebensjahre, von aller äußeren Betriebsamkeit zurückgezogen, zur Ruhe gesetzt, um einer jungen Generation Mittelpunkt zu werden, die er selbst aus allen Richtungen herbeikommen sah. Da ward ein modernes Erziehungswerk geleistet. Zwanglos saß alles in der Freundesrunde beisammen: der Kellner neben dem Hochschüler, dort ein Schlosserlehrling, daneben das junge Bühnentalent; Kommis und Gymnasiast Seite an Seite. Hier wurde ein viel diskutiertes Problem langersehnter Zustand: In der Atmosphäre dieser väterlichen Liebe, die alle und alles umfing, die grenzenlos schenkte, sich ohne Schonung bis zum Letzten verströmte, da wurde der Frühlingssturm der Seelen gelindert, reifendes Leben, ungestümer Geist fanden gedeihliche Entfaltung und behagliche Rast.

„Fausts Studierstube“ nannten. wir den Raum. In der Ecke hinter dem Schreibpult oder im bequemen „Faltstuhl“ die gedrungene Bauerngestalt mit dem ehrwürdigen Charakterkopf, von Silberlocken umspielt, blitzende Schalksaugen unter der gebräunten Stirn. Das Pfeifchen schmeckte und die fleißigen Hände konnten geschickt Draht und Perlen zu schmucken Rosenkränzen Verflechten. T

Seine Gespräche aus reicher Erfahrung pflegte er mit sprühendem Witz und goldigem/ Humor zu führen. Und knüpfte Episoden und Geschichtchen darein.

Von Sexten, seiner Heimat im Tiroler Süden, und Innichen, dem Schulort mit den Franziskanern, die er so liebgewann._ Seeher lehrte ihn zu Brixen die Meister der Dicht kunst freudig verstehen, selber ein eifriger Poet. Dann weitet sich der Blick, die Orte wechseln. Studien und Priesteramt führen ihn weit durch die österreichischen Lande. Und überall schart sich die Jugend um ihn. Er kennt sie gut und weiß, wo's fehlt. Exerzitien, Vereinsleben, Theaterspiel, Aussprachen — die Situation läßt ihn stets den rechten Weg zum jungen Herzen finden. Und mancher folgt ihm' in des Herrn Weinberg nach ...

Mitten im Weltkrieg begrüßen ihn die Kuppen der „Buckligen Welt“.' Kirchschlag wird dem Weltpriester, der wegen schwerer Nervenleiden den Regularklerus verlassen hat, wahre Herzensheimat. Hier wirkt er nun vielseitig: als Kooperator und Vereinspräses, kämpft mutig gegen arge Mißstände, besonders sozialer Art, wehrt die Angreifer gegen Kirche und Heimat mit urwüchsiger Schärfe ab und hält als Schriftsteller reiche Ernte.

Maria-Brunn, reich an historischen und poetischen Erinnerungen, wird in der Zeit des Zusammenbruches die neue' Stätte seines Schaffens.

Die Zähigkeit des Alpenmenschen besteht hier manche harte Probe. Inflationssorgen und hitziges gegnerisches Stürmen können jedoch einen Innerkofler nicht aus der Fassung bringen. Die Wahrheit ist seih Schild und Abenteuer scheut er nicht.

Bald heißt's wieder wandern. Auf der Wieden bei den Paulanern wird er schnurriger Katechet, der keine Kompromisse in Glaubensartikeln und Katechismusfragen kennt. Er, der Jugendkenner von Natur aus, kann sich mit neumodischen pädagogischen Experimenten nicht anfreunden. — Hier taucht dann auch jener vertraute Name auf, der für so viele ein Begriff geworden ist: Onkel Pik. (Pater Innerkofler, Katechet.) Um ihn sammelt sich die „Pik-Runde“ und sie bildet eine unzertrennliche Schar.

Ja, so pflegte er geruhsam aus seinem Leben zu erzählen. Er kannte sie alle, die Männer und differenzierten „Größen“, seiner Zeit. Mit vielen verband ihn innige Freundschaft, so mit Kralfk und Eichert oder dem Schweizer Benediktiner Carnot; Reimmkhl und Binder Willram waren seine Sehnl-kameraden gewesen, Suso-Waldeck sein Schüler.

Wer es auch immer war: saß er an Onkel Piks Tisch, so dampfte alsbald vor ihm der sorglich bereitete Willkommstrunk, der schwarze Kaffee, der ihm sowenig ausging

wie das öl der Witwe von Sarepta. Und es kamen Besucher zu jeder Stunde des Tages, oft auch zur Nachtzeit ...

Wenn wir heute unsere Stimme für das Tiroler Südland erheben, so wäre es bitterster Undank, würden wir ihn als den großen Freiheitsrufer vergessen. Als sich fremde Grenzschranken trennend gesenkt hatten, da war es der Südtiroler Innerkofler. der die Welt aufhorchen ließ. Presseartikel und Flugschriften fanden weite Verbreitung, auf Versammlungen und Kundgebungen sprach der Feuergeist für seine verlorene Heimat. Ihr Blut floß in seinen Adern, seine liebsten Toten ruhten in ihrer Erde.

Als dann die Hitkrmacht an der Donau einbrach, da ward er Zuflucht und Sammelpunkt von Anbeginn für alle, die entschlossen waren, eine geistige Widerstandsfront zu bilden. Gleich einem jener zornerfüllten biblischen Altväter konnte er in furchtbare Androhungen der Strafgerichte ausbrechen und jung und alt für das gequälte Vaterland mit Begeisterung erfüllen. Aus den reichhaltigen Regalen seiner Bibliothek ließ er uns jene wundersamen Werke herausholen, welche die besten Geister österneichs geschaffen haben. Hier fand das traurige Gemüt neue Kraft und Zuversicht. Mut zum Streit und Rüstung für den Kampf der Meinungen.

Innerkofler selbst hat in seinem Leben fleißig geschrieben. Er hat es verstanden, rasch in Ideengestaltung und Formgebung, das ihn umflutende Leben einzufangen, mit Sagenstoffen zu verbinden, in launiger Art Modelle aus seiner Umgebung zu finden und tausend bunte Farbtöne von der-Palette der Geschichte, Kunst und Geisteswelt überhaupt geschickt anzubringen. Vor der Fachkritik des Literarhistorikers wird nicht alles Bestand haben, aber was er zusammenbraute, war ein guter Haustrunk für's christliche Volk. Das betrifft seine' treuheuzigen Geschichten, Erzählungen, Romane und Wiener Volksstücke.

Auf dem Gebiet der Heiligengeschichtsschreibung stellt er einen rührigen österreichischen Bollandisten dar, der vor allem mit dem mächtigen Hofbauerwerk einen großen Beitrag geleistet hat. Die Reihe der dramatischen Dichtungen erreicht ein gutes Viertelhundert. Die meisten ■ davon sind Gelegenheitsspiele, aber in jedem ist der Stoff eigenwillig geformt.

*

Onkel Pik hat die Befreiung unserer Heimat nicht mehr erlebt. Sein guter Geist möge mit uns sein, wenn wir zu neuem Beginnen schreiten in unserem Vaterland Österreich.

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