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In Sachen des CV

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Ob es regnet oder schneit, ob es heiß ist oder kalt — der CV ist an allem schuld. Er ist eine Gemeinschaft, die außer Studierenden nur rund viertausend in den verschiedensten Berufen der geistigen Arbeit tätige Menschen umfaßt, weniger als eine mittlere Berufsvereinigung der geistig arbeitenden Stände. Aber das tut nichts zur Sache. Der CV ist nun einmal für manche Leute der Linken der Inbegriff alles Übels, die imaginäre böse Kraft, die überall lauert, im öffentlichen Leben, in den Ämtern des Staates, der Länder. Man braucht sie nicht zu definieren. Denn so lange schon hat man um sie herumgefabelt, daß man heute schon ohne langen Hokuspokus darauf rechnet, schon durch das Zitat der zwei magischen Buchstaben CV die Vorstellungswelt einer gläubigen Hörerschaft mit gespensterhaften Unheiml'ichkeiten zu erfüllen. Solche Erfindungen der politischen Dialektik, für den groben Hausgebrauch bestimmt und auf ein abgekürztes Verfahren, die Ersparnis umständlicher oder nicht zu erbringender Beweise berechnet, hat es immer wieder gegeben. Die alten Schlagwortebüchein der Parteien sind voll davon. Daran ist nichts Schönes, aber auch nichts Sonderliches, und ist in der Regel des sittlichen Protestes nicht wert. Aber nun, da vom feindseligen Schlagwort zur Pauschalverleum- dung übergegangen worden ist, ist es nicht mehr erlaubt, zu schweigen.

Als um die Jahrhundertwende an den österreichischen Hodischulen junge Körperschaften des Garteilverbandes katholischer Studentenverbindungen ihren Existenzkampf ausfochten, hatten sie gegen sich die dominierende Macht der festgeschlossenen alldeutschen Studentenkorporationen, den Terror einer in Gewalttaten sich entladenden Mehrheitsherrschaft und in der Regel die Mißgunst der akademischen Behörden, denen die jungen Stürmer gegen die hergebrachte studentische Ordnung ungelegen waren. Die damalige Situation kenn-zeichnete der Bescheid des Senats der Wiener Universität vom 11. Mai 1896, der das Verlangen der damals einzigen zwei katholischen Studentenvereinigungen nach Feststellung ihrer gesetzlichen Gleichberechtigung mit den Korporationen anderen Charakters zwar mit der Anerkennung dieser Gleichberechtigung erwiderte, aber mit dem ausdrücklichen Beifügen, „von Fall zu Fall in der Betätigung derselben seine besonderen Entscheidungen zu treffen“. Durch Jahrzehnte hindurch haben katholische Studenten für ihren Kampf um das gleiche Recht, für das offene Bekenntnis ihrer Überzeugungen mit akademischen Strafen bis zur Relegation büßen müssen; cand. jur. Josef Schlegel, der spätere Landeshauptmann von Oberösterreich, war einer von ihnen; sein Wiener Universitätsindex weist noch heute den protokollarischen Strafvermerk auf. Dieser Kampf um das Recht gegen eine machtstolze Gesellschaft, die ganze Stände, Notariat und Richterstand und die Primariate der Krankenanstalten gegen diesen jungen, weltanschaulich anders gesinnten Nachwuchs sperrte, reichte weit in das Staatsleben hinaus. Mehr als einer der aus jener kämpfenden katholischen Jungmannschaft hervorgegangenen Akademiker hat als Reserveoffizier seine schimpfliche Degradation erfahren müssen, weil er wie seine Gesinnungsgenossen das damals von gesellschaftlichen Vorurteilen vorgeschriebene Duell als Widerspruch zu seinen weltanschaulichen und sozialen Grundsätzen ablehnte. Die Geschichte des CV ist herauf bis ia die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ein hartes Emporringen einer kleinen Minderheit gegen eine einfluß- und besitzreiche politische und weltanschauliche Herrschaftsklasse, die Geschichte opfervoller Beharrlichkeit und eines echten Idealismus. Als dann Hitler kam, richtete sich gegen keine einzige bisherige Gesinnungsgemeinschaft, vor allem auch gegen keine sozialistische, die Verfolgung mit solcher Härte und Gründlichkeit wie gegen den CV. Mit den Augen der Gestapo gesehen, hatte er es vollauf verdient. Denn als es nach 1933 hart auf hart zu gehen begann, fand die Geheimpolizei Hitlers den CV an der Spitze des inneren Widerstandes.

Die sozialistische Bewegung in Österreich, soweit sie auch von dem Wollen dieser heranrückenden Generationen junger katholischer Akademiker weltanschaulich entfernt war, mußte ihre Wurzeln in ähnlich hartes Erdreich drängen. Auch sie rang gegen eine ungeheure Übermacht des materiellen und gesellschaftlichen Besitzes. Auch sie hatte ihre Fortschritte mit Opfern und einem Heroismus zu erkaufen, der aus einem fast religiösen Glauben, aus dem Anruf des Gewissens für die Schwachen und Bedrückten kam. Ihr da drüben auf dem linken Ufer des Baches — man hat von euch nicht Unterstützung erwartet, aber man erhoffte Verständnis für eine gegen die Vermachtung der Bildung sich stemmende Minderheit, die ihre Stärke nicht aus der Protektion der Mächtigen, sondern immer wieder aus den erlittenen Verfolgungen bezog; denn auf jeden Gewaltakt, der sich gegen diese kleinen Scharen in Graz und in Wien richtete, antworteten tapfere junge Menschen, die bisher abseits gestanden waren, mit ihrem Anschluß an die Angegriffenen. So wurde ein Dr. Hernala Mitglied des Verbandes und deshalb nahmen dieselben Farben wie er ein Kunschak und ein Lueger an.

Erinnerung und Vergleich knüpfen an vergangene Zeiten an. Aber von damals sollte etwas von gegenseitiger Achtung geblieben sein. Streber und Mietlinge? In manchen Jahren, da sie Konjunktur witterten, hat es solche gegeben, und als sie offenbar wurden, ist mit ihnen strenger ins Gericht gegangen worden als irgendwo. Ihr da drüben, habt ihr keine gehabt? Aber ihr seid nun verbittert, daß nicht wenige aus dem Verbände auf Grund ihres Amtsbereiches und ihrer Ausbildung in die Stellen eingerückt sind, die freiwerden mußten auf Grund der Gesetze, die ihr stürmischer als irgendein anderer verlangt hattet. Es ist nicht Schuld des Verbandes,

daß ihr seihst dann nicht ausreichend Bewerber besessen habt. Nun seht ihr überall rot, wo euch ein Beamter begegnet, der euch nicht zu Willen ist, und schon ist er — mit Nachsicht der Zugehörigkeit — ein „Cevauer“ geworden.

Jetzt aber habt ihr allem die Krone aufgesetzt mit der öffentlichen Anklage „Cevauer-Korruption“, einer Anklage, die allerdings nicht unter Beweis gestellt ist.

Mißgunst, Eifersucht, Parteileidenschaft sind schlechte Ratgeber. Wißt ihr, was die Stärke des CV ist, die einzige, die ihr zu fürchten habt? Seine unbedingte, in den Überzeugungen wurzelnde weltanschauliche Geschlossenheit, die Unerbittlichkeit, mit der er Halblinge und Gesinnungsspekulanten entfernt, die makellose Reinheit hervorragender Männer aus seinen Reihen, die in schwerster Zeit ohne Rücksicht auf persönliches Wohl Dienst am Vaterlande geleistet haben, und eine nachwachsende Jugend, die aus diesen Beispielen Begeisterung und Stärke schöpft. Mit Schmähungen und Pauschalverleumdungen werdet ihr gegen diesen Tatbestand nicht obsiegen. Wißt ihr Schuldige, so nennt sie und sie werden ihr Gericht finden. Aber vergiftet nicht die menschliche Atmosphäre, in der wir Zusammenleben und zusammen für da Gemeinsame schaffen müssen Ihr tut Unrecht an der Gemeinschaft, die unser aller Heimstätte ist und, soweit auch politische Systeme oder weltanschauliche Gegensätzlichkeiten trennen mögen, doch immer wieder das Zusammenwirken der Einsichtigen verlangt, die nicht vorurteilshaft verstrickt und nicht durch bösen Willen getrennt sind.

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