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Intakte Kultfiguren

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Ein Leben, eine Zeit, gesehen aus zwei Perspektiven. Die Tochter von Simone Signoret, Ziehtochter von Yves Montand, schrieb Jahre nach dem Tod ihrer Mutter Erinnerungen. Aber auch die der Mutter, einer großen Schauspielerin, einer politisch Engagierten, liegen als Neuausgabe wieder vor. Die Tochter - ebenfalls Schauspielerin,- aber nicht annähernd so bekannt - kommt darin zwar kontinuierlich, aber eher am Rande vor. Signorets Buch ist voll mit Erinnerungen an Schauspielerei, Politik und ihr Leben mit Montand.

Aus der Sicht der Tochter, Catherine Allegret, kam das Familienleben dabei zu kurz. Sie hat zwar immer wieder Ersatzfamilien gefunden, nicht zuletzt bei „Tatie und Tonton” - Tante und Onkel Livi (Montands Bruder) und deren Sohn Jean-Louis, in dem sie den heißersehnten Bruder findet. Ihr Buch beginnt mit dem Tod Montands, der kurz davor wieder begonnen hatte, sich nach dem Verbleib eines von der Signoret eigenhändig verfertigten Plaids zu erkundigen, in dem er begraben werden wollte. „Ivo Livi, genannt Yves Montand, ein großartiger Schauspieler, ein außerordentlicher Interpret, ein Geist dieses Jahrhunderts, sollten die Zeitungen schreiben. Für mich war er vor allem die andere Hälfte meiner Mutter -und ganz einfach Montand.”

Sie beschreibt ihre Kindheit im „Zigeunerwagen”, der kleinen Pariser Wohnung an der Place Dauphine, ihre Ferienaufenthalte in Autheuil, die Schulen, die sie besuchte, ihre Empfindungen bei einschneidenden Veränderungen: „Ich habe oft lauthals beklagt, daß die Politik das Gift war, das mein Familienleben verseucht hat..... Von Petitionen über

Flüchtlinge, von Interventionen über Demonstrationen lieferte sie die Lunte für die Feuersbrünste, die unser Heim verwüstet haben .... Am Ende hat sie sogar unsere Familien auseinandergerissen. Livi gegen Livi, Parterre gegen fünfter Stock.”

Aus dem Hintergrund bewacht von Montand, ist sie erstmals allein zur Schule gegangen, aus seinen Händen hat sie die Schlüssel für ihr erstes Auto erhalten und er war es, der sie nach dem Tod ihrer Mutter wie ein Vater tröstete. Ihren richtigen Vater hat sie erst nach dessen Tod vermißt. Dazwischen fühlt sie sich aber oft „abgestellt”, leidet darunter, keine normale Kindheit mit Geburtstags)ausen und verfügbaren Eltern zu haben. Andererseits genießt sie es, durch einen längeren Amerikaaufenthalt ihrer Eltern die Französische Schule in New York zu besuchen: „Dreizehn Jahre lang überlebe ich nun bereits in einer Einsamkeit, die von berühmten Persönlichkeiten übervölkert und von herausragenden Ereignissen erschüttert wird, und dort, dort lebe ich einfach, mehr nicht ... Die Dinge werden einfach, wenn man glücklich ist.”

Die Signoret selbst hatte eine behütete Kindheit und eine Mutter, die immer für sie da war. Sie schildert die Kindheit, die Schule, wo sie Sartre als Lehrer knapp verpaßte, die Jahre vor dem Krieg, ihre ersten Kontakte mit dem linksintellektuellen Milieu im Cafe Flore, die ersten Schritte als Filmstatistin sowie Begegnungen mit unzähligen bekannten Persönlichkeiten, Künstlern wie Politikern, darunter Picasso, mit trockenem Humor.

Ihr Leben „war reich und bunt”. Früh übernahm sie Verantwortung für Mutter und Brüder, die sie nach dem Abitur mit ihrem ersten mageren Gehalt als Büroangestellte durchfütterte, bevor sie sich endgültig im Cafe Flore heimisch machte. Siewoll-te Filmschauspielerin werden. Nach einigen Statistenrollen ergattert sie noch im Krieg, trotz fehlender Arbeitskarte mit Ariernachweis, ihre erste Nebenrolle, lernt den vormaligen Trotzkisten und späteren Filmregisseur Allegret kennen und lieben, bekommt eine erste interessante Filmrolle in „Les Demons de lAube” und eine Tochter, Catherine. Es folgt ein Vertrag nach dem anderen, mit „Dedee dAnvers” wird sie zur gefragten Schauspielerin. 1949 begegnet sie Montand. Sie verlieben sich leidenschaftlich, heiraten und verbringen ihr restliches Leben miteinander. „Casque d'or” („Goldhelm”) brachte ihr den Durchbruch und die erste ausländische Auszeichnung, den British Film Academy Award. Weitere Filme, mit denen sie international bekannt wurde, waren „Die Teuflischen”, „Hexenjagd” und „Der Weg nach oben” („Boom at the top”), der ihr 1960 den Oskar einbrachte. Zwischendurch spielte sie immer wieder Theater. Mit unterdrücktem Ärger kommentiert sie ihre Probleme mit den französischen Kommunisten und ihr und Montands schwankendes Verhältnis zum Kommunismus. Sie waren keine Parteimitglieder, aber Mitglieder der Weltfriedensbewegung.

Catherine Allegret beschreibt ihre eigene Liebe zur Schauspielerei, ihren Abstecher zum Cabaret und die Betreuung Montands bei einer Tournee. Sie erinnert sich an ihre erste Liebe, die Angst, sie könne nicht um ihrer selbst willen geliebt werden, sondern nur wegen ihrer Familie. Sie erzählt von Glück, Sorgen und der Geburt des Sohnes, der die Signoret zur glücklichen Großmutter macht. Die Erinnerungen wirken eher sprunghaft, der Stil gewollt forsch, die Sprache in der Übersetzung etwas gestelzt. Der zweite Mann, das zweite Kind, Todesfälle, psychische Probleme. Man gewinnt den Eindruck, daß Montand ihr näher stand als die Mutter, die „nie an Astrologie hatte glauben wollen”, der aber „nichts Besseres eingefallen” sei, „als zwei Männer zu heiraten, die beide den Namen Yves trügen und beide am 13. Oktober Geburtstag hatten”.

Zwei Bücher, aus denen hervorgeht, in welchem Ausmaß Montands und Signorets Persönlichkeit von deren sozialem und politischem Engagement geprägt war. Catherine Alle-greyst für Erinnerungen zu danken, in denen eine der großen Kultfiguren nicht demontiert wird, obwohl sie die problematischen Seiten Montands nicht ausspart: leicht erregbar, oft schwierig, aber von unbedingter Treue und Loyalität gegenüber den Menschen, die er liebte.

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