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Intercity 595 Ingeborg Bochmann”

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Man muß nicht erst auf die erfolgreiche Fernsehserie „Das Schloß am Wörthersee” hinweisen, um festzustellen, daß ein Großteil des Kärntner Selbstverständnisses im Fremdenverkehr liegt -mehr noch, neben dem Tourismus-Spitzenreiter Tirol dürfte es Kärnten am erfolgreichsten gelungen sein, sich nach außen hin als einheitliches „Produkt” darzustellen. So ist das Markenzeichen des gast- und menschenfreundlichen Sommertourismus' an den Seen sicher der wichtigste identitätsstiftende Faktor. Für die ältere Generation dürfte das „Grenzland-Dasein” noch große Bedeutung haben, aber dieses wurde seit den fünfziger Jahren mit kräftiger Heimatfilm-Unterstützung zunehmend überdeckt, bis man heute schließlich das Land in einem einzigen Slogan präsentieren kann („Urlaub bei Freunden”, „Kärnten ist a Wahnsinn”).

Von dieser Schlußfolgerung, der unausgesprochen ein Vorwurf der Oberflächlichkeit innewohnt, ist es nicht mehr weit zu einem weiteren Selbstbild Kärntens, welches die „kritische Intelligenz” vermittelt: das hier angeblich besonders anti-intellektuelle Klima. Doch man täuscht sich, wenn man weiter schlußfolgernd etwa meinte, alle Kärntner Schriftsteller seien erwartungsgemäß schärfste Tourismuskritiker.

Man kommt in dieser Betrachtung

Bei der Vermarktung der Literaten zeigt sich Kärnten einseitig. So bleibt der Ingeborg-Bachmannpreis der wichtigste literarische Devisenbringer. natürlich nicht an der problematischen Figur Josef Friedrich Perkonigs vorbei. Wie Meli für die Steiermark oder Waggerl für Salzburg war Perko-nig der literarische Statthalter für das Kärnten der Zwischenkriegs- und vor allem Ständestaatzeit, und wie diese war er mit seinen Schriften auch werbend für den Fremdenverkehr tätig.

Perkonig ging allerdings um einiges weiter als seine Kollegen und warb bereits vor dem Anschluß 1938 im reichsdeutschen Jargon, wie sich an der Herausgabe zweier mit Fotos unterlegter Tourismus-Bücher zeigen läßt: „Kärnten - Deutschlands sonniger Süden” und „Deutsche Ostmark. Zehn Dichter und hundert Bilder lobpreisen Österreich”. Wie keinem anderen gelang es ihm, zeit seines Lebens das vermeintlich Kärntnerische auf den Punkt zu bringen; kein Wunder, bestimmt doch die Verbindung der Grenzland-Thematik mit touristischen Elementen sein Werk. Sein erfolgreichster war zugleich ein touristischer Boman: „Bergsegen” (1928). Es tat dem Erfolg auch keinen Abbruch, daß er beinahe ein Plagiat von Boseggers „Erdsegen” war.

Bei einem „kritischen Heimatdichter” unserer Tage findet man schließlich die eingangs erwartete Tourismusschelte. Bernhard Bunker schreibt seit den siebziger Jahren mit seinen Texten in Kärntner Mundart gegen den Tourismus an („De ausva-kafte Hamat”). Damit steht er jedoch in diesem Bundesland ziemlich alleine da, schon bei einem Kollegen, der ebenfalls Berührungspunkte mit der Heimatdichtung aufweist (wenn auch ganz anderer Natur), firmiert Bunker als „Luftschutzbunker”. Egyd Gstättner, von dem dieses sarkastische Diktum stammt, nähert sich der Thematik bereits viel distanzierter, satirischer, obwohl er der einzige der hier Erwähnten ist, der ständig in Kärnten lebt. Wie überhaupt - etwa im Vergleich zum monolithischeren Tiroler Zugang - die Vielfalt beim Umgang mit dem Tourismus-Thema Kärntner Eigenart zu sein scheint.

Die Bandbreite reicht von der geharnischten Polemik des Slowenen Janko Messner (mit seinem gegen den Strich geschriebenen „Kärntner Heimatbuch”), von der Verharmlosung des Ortstafelstreits vor Touristen als „ Kärntner Familienangelegenheit” (in Thomas Pluchs Filmprosa „Das Dorf an der Grenze”) über die Jugenderinnerung Antonio Fians an Schwierigkeiten mit dem Wort „Saison” (= sein Sohn?) oder Werner Koflers aberwitzige Gipfelbestürmungen des Großglockner bis hin zu Josef Winkler: „Die Sommerfrischler gehen, wie sie sagen, in die Berge frische Luft schnappen, und in der frischen Luft schnappen sie über.” („Der Leibeigene”). Bei der Vermarktung der Literaten zeigt sich Kärnten einseitiger: kann man sich von Wien aus schon mit einem Intercity nähern (ab Wien-Südbahnhof 11.22 Uhr), der nach Kärntens größter Tochter benannt ist, so bleibt der frühsommerliche Ingeborg-Bachmann-Preis sicherlich der wichtigste literarische Devisenbringer. Bei aller Kritik hat das Fernsehspektakel nichts an seiner Bedeutung für den „Literaturbetrieb” eingebüßt. Selbst ein Autor wie Josef Winkler, dessen Verhältnis zu Kärnten sicher kein unproblematisches ist, stellt sich heuer der Spontankritik der Juroren.

Vielleicht ist das Szenario „Mörderisches Klagenfurt” der bundesdeutschen Autorin Simone Borowiak nicht mehr weit, und man wird am Wörthersee bald „,Germknödel Ingeborg' oder ,Eisbecher Mandarine-Malina'”

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