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Jan Sarkander und die Ökumene

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Ein Jesuit nimmt zur Kritik des reformiert-evangelischen Superintendenten und FlJRCHE-Kolumnisten Peter Karner an der Heiligsprechung Jan Sar-kanders Stellung.

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Ein Jesuit nimmt zur Kritik des reformiert-evangelischen Superintendenten und FlJRCHE-Kolumnisten Peter Karner an der Heiligsprechung Jan Sar-kanders Stellung.

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Lieber Peter!

Nicht (un)gern nehme ich das „Zeitgespräch” über die „heilige In-stinktlosigkeit” (Furche 21/1995) auf. Es tut mir leid, daß die Leichtigkeit des Ausdrucks, um die ich Dich oft schon beneidet habe, Dich diesmal so weit über den Olmützer Quargel hinausgetragen hat. Ich will ja nicht zu viel an Eschatologie hineinge-heimnissen, wenn Du Jan Sarkander und seine im Dom zu Olmütz ruhenden Gebeine „fröhliche Urständ feiern” läßt; die verwendete Formulierung mit pejorativem Unterton bezieht sich allerdings auf die fröhliche Feier von Jesu Auferstehung, wie es spätestens das ökumenische Kirchenlied (Gotteslob Nr. 219) „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ, in deiner Urständ fröhlich ist” zeigt, das der Lyriker-Jesuit und Kämpfer gegen den (ökumenischen) Hexenwahn Friedrich Spee 1623 veröffentlicht hat.

Mich wundert die Festigkeit Deines Urteils, wenn Dich, wie Du andeutest, bei Deiner Recherche über diesen Mann die Lexika im Stich gelassen haben, und Du Dich also an eine kleinformatige Auskunft halten mußtest, die ihn Dir als einen „von den Protestanten 1620 in Olmütz hingerichteten fanatischen Gegenreformator vorgestellt” hat.

Wer war Sarkander? Ich meine, da ein wenig mehr zu wissen: zum Beispiel, daß er nicht hingerichtet wurde; er wurde nur dreimal, am 14., 17. und 18. Februar 1620, so gefoltert, daß er einen Monat später, am 17. März, mit gebrochenen Gliedern und faulendem verbrannten Fleisch an den Folgen dieser Folterungen gestorben ist. Wie rechtmäßig das Gericht der „aufständischen Adeligen” damals gewesen ist, weiß ich nicht. Ich gestehe ihnen aber durchaus zu, daß sie sich im Becht gesehen und „nur ihre Pflicht erfüllt” haben. Wohl aber ist überliefert, daß es den Folterern nicht gelang, aus dem Pfarrer von Holleschau das für ein Todesurteil notwendige Geständnis herauszupressen, daß er nämlich die Polen ins Land geholt habe, beziehungsweise daß das sein Brotgeber Ladislav Popel von Lobko-witz getan hätte, wovon er ja in der Beichte erfahren haben müsse. Überliefert ist auch, daß er immer wieder für seine Peiniger gebetet habe, Gott möge ihnen verzeihen.

Daß die Katholiken, die es damals auch gegeben hat, schon in seinen letzten Lebenstagen in ihm einen Märtyrer gesehen haben, wird man wohl ebenso verstehen, wie ein ehrendes Gedächtnis all der Protestanten selbstverständlich ist, die ihres Glaubensbekenntnisses wegen Hab und Gut und Heimat oder sogar das Leben verloren haben. Verständlich mag auch sein, daß dieses Martyrium so wie verschiedene ähnliche Martyrien in dieser Zeit zur Bechtfertigung der staatlichen Bekatholisierungspo-litik verwendet wurde, und erst recht, daß dieses heute auf Seiten tschechischer Protestanten noch nicht vergessen ist (auch wenn unsere Lexika diesen 1576 zu Skotschau im österreichischen Schlesien geborenen Johann Fleischmann, alias Jan Sarkander, der Vergessenheit würdig erachten). Schließlich ist es auch verständlich, wenn ökumenisch engagierte Katholiken in Tschechien unglücklich sind über diese Heiligsprechung wegen des damit verbundenen Bückschlags in ihren jahrelangen Bemühungen um Abbau des Mißtrauens gegenüber der katholischen Kirche.

In diesem Sinn kann man tatsächlich die Frage stellen, ob nicht die Heiligsprechung der liebenswürdigen und legendenumrankten Zdislava aus vorreformatorischer Zeit diesmal genügt hätte und die des Märtyrers aus der Zeit der Glaubenskriege besser unterblieben wäre. In einem allerdings, lieber Peter, scheinst Du mir päpstlicher zu sein als die katholische Kirche: daß Du nämlich dem Bischof von Bom (den Du übrigens im glücklicheren Jahr 1983 seiner besseren Präparation wegen den „Papst von Wien” genannt hast!) die ganze Last der Verantwortung für diese Heiligsprechung auflädst.

Die Initiative zu dieser Heiligsprechung ist natürlich von der Ortskirche ausgegangen und nicht vom Vatikan. Und natürlich hätten der katholische Bischof von Olmütz und seine Amtsbrüder in der tschechischen Bischofskonferenz in besserer Kenntnis der prekären Situation vor ihrer Bitte an den Papst entsprechende ökumenische Kontakte aufnehmen können und sollen, um allenfalls in einer gemischten Kommission - wie hoffentlich demnächst in der causa Hus - zu einer gemeinsamen Einschätzung dieses Martyriums zu kommen.

Was ihn angeht, hat Johannes Paul II. jedenfalls - was Dir entgangen zu sein scheint - noch vor seiner Beise einen persönlichen Brief an den Vorsitzenden des Ökumenischen Bates der Kirchen in Tschechien, den Senior der Böhmischen Brüder Pavel Smetana, geschrieben, wie bereits in der Kath-pre vom 18. Mai zu lesen war:

„Er verstehe die Befürchtungen und Sorgen, die dieser Schritt ,Ihnen, liebe Brüder' bereitet... Er - der Papst - sehe in der Heiligsprechung Sar-kanders allerdings, eine von Gott geschenkte Gelegenheit, sich an einem wichtigen Ort kritisch zu den religiösen Kriegen im 17. Jahrhundert zu äußern'. Diese Kriege hätten unter Protestanten wie Katholiken zahlreiche Opfer gefordert. Dem Antrag der tschechischen Bischöfe auf Heiligsprechung Sarkanders habe er zugestimmt, weiHch für uns alle hier eine Gelegenheit sehe zu versichern, daß solche Sünden gegen die Liebe Christi nie mehr geschehen dürfen'.

Die Heiligsprechung Sarkanders sei, wie Johannes Paul II. weiters betont, auf keinen Fall als Rechtfertigung oder Zustimmung zu früherer Gewalt zu betrachten'. Sie sei lediglich eine Anerkennung der persönlichen Verdienste dieses ,Sohnes Mährens', der unter katholischen Priestern und Laien beliebt sei und verehrt wird. ,Sie alle betrachten ihn nicht als Opfer religiösen Hasses, sondern als bescheidenes und bleibendes Beispiel christlicher Liebe und Treue', versichert der Papst. Er be-daure, daß er diesen Brief nicht früher geschrieben und ,meine Achtung für Sie im Namen Christi' zum Ausdruck gebracht habe...

Johannes Paul II. wörtlich an Senior Smetana: ,Ich bin tief überzeugt, daß das dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung eine Gnade für uns alle darstellt. Es ist die Zeit, um Vergebung zu bitten und zu vergeben, die Leiden der Vergangenheit zu betrachten und gemeinsam aufzuarbeiten, damit wir ein klares Zeugnis vom Evangelium Christi abgeben.'”

Ist es recht, Peter, in solchem Zusammenhang nur von „rabulistischer Dialektik des Papstes” zu reden, eine Vergebungsbitte der katholischen Kirche - ausgesprochen durch ihren dazu autorisierten Bepräsentanten, ' wie ihn, zugegeben, andere Kirchen so nicht haben! - einfach nicht ernstzunehmen und die von der anderen Seite vorgebrachten Erklärungen ihres Handelns nicht einmal zu diskutieren? Ich meine jedenfalls, daß man auch im Fall Sarkander vor allem auf das Zeugnis des Christen sehen kann und soll, der - bei aller Begrenztheit und Verhaftung an seine Zeit und ihre Kategorien - seinem Gewissen gefolgt ist, und der in seinem Sterben das Beispiel der Hingabe an den Willen Gottes und der Vergebung für seine Gegner geboten hat.

„Methoden der Intoleranz oder Gewalt” beklagen und für alle Zukunft ächten Zugleich aber frage ich, wie ich es schon an anderer Stelle getan habe, auf welche Weise wir als katholische Kirche die Achtung, die Hochschätzung ja, warum nicht auch „Verehrung”? zum Ausdruck bringen, die auch anderen, nichtkatholischen, ja, nichtchristlichen „Märtyrern” gebühren würden? Das läge doch auch auf der Linie des Papstes und seines Briefes, den ich zitiert habe, wenn er da von den zahlreichen Opfern spricht, die die religiösen Kriege im 17. Jahrhundert unter Protestanten wie Katholiken gefordert haben, oder wenn er den Heldenmut hervorhebt, den die Christen - Katholiken wie Protestanten - unter der kommunistischen und atheistischen Verfolgung bewiesen haben!

Vielleicht kommt es doch einmal zu einer ökumenischen gemischten Kommission, die auf eine solche positive Art die gemeinsame Vergangenheit aufarbeitet. Schließlich könnte man ja auch ebenso gemeinsam die „Methoden der Intoleranz oder sogar Gewalt im Dienst an der Wahrheit” beklagen und für alle Zukunft ächten, wie das Johannes Paul II. in seinem Schreiben zum Jahr 2000 getan hat...

Wenn die nun doch einmal geschehene Heiligsprechung Jan Sarkanders wie die für Juli vorgesehene der „Kaschauer Märtyrer” - und der als verspätet bedauerte Brief des Papstes dazu einen Anfang setzten, wäre das eine dankenswerte Konsequenz aus der eingetretenen Verstimmung. Und weil auch ich mir bereits Gedanken gemacht habe über den neuen Heiligen als. unseren Fürsprecher beim Herrn, füge ich hinzu: Gut katholisch wäre es, gerade in diesem so schmerzlichen Zusammenhang von der neuen himmlischen Heiligen zu profitieren und nicht nur den heiligen Johannes Sarkander zusammen mit den seligen Märtyrern von Kaschau, sondern auch die vielen anderen in diesem Sinn „ökumenischen” Heiligen um ihre Fürsprache zu bitten. Ich bin überzeugt, daß sie alle - die evangelischen Märtyrer und Märtyrinnen nicht weniger als die orthodoxen und die katholischen - diese unsere Bitte hören und erhören! Und wenn wir beide, lieber Peter, einmal unser ewiges Ziel erreichen, was wir ja für einander wie für uns selbst erhoffen! -, dann werden wir ja sehen, wer „recht hatte” - wenn uns das dann überhaupt noch interessiert...

In herzlicher Verbundenheit Dein alter „Kampf”-Gefährte in der Ökumene Leo Wallner aus der Gesellschaft, die sich bescheiden unbescheiden nach unserem gemeinsamen Herrn Jesus nennt.

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