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Jedermann — nur leicht verändert

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Sind die .von verschiedenen Stellen geäußerten Bedenken gegen das Vorhaben einer tiefergreifenden Umgestaltung des „Jedermann doch nicht ganz Umsonst gewesen? Der „Jedermann wurde diesmal jedenfalls nicht erneuert. Er wurde nur verändert.

Die Veränderungen an diesem Hauptstück der Salzburger Festspiele kamen nun allerdings nicht von außen und der Inszenierung her, sondern geschahen an Jedermanns tieferer Bedeutung und Hofmannsthals Text. Hatten Hofmannsthäl noch die Reue allein und der Glauben genügt, um einen, der sein Lehen lang schwer gefehlt hat, im Angesicht des Todes von seinen Sünden loszusprechen, so enthält das Spiel vom Sterben des reichen Mannes in Lothars Bearbeitung ein neues, vielleicht Zeit- und sinngemäßeres Motiv: die Buße. Lothar hat es dem mittelalterlichen Mysterienspiel „Bveryman — dem eigentlichen Vorbild des „Jedermann — entnommen und in den HofmannsthälSchen Text gefügt; schon den Spielansager will er mit den Worten „Kann keiner sagen; wa6 schert das mich? / Du bist gemeint... und du... und ich.. . nodi deutlicher darauf hinweisen lassen, daß Jedermann wir selber seien und wir in uns selbst den Widerstreit des Mammons mit den guten Werken, des Glaubens mit dem Teufil auszutragen hätten. Der arme Nachbar und der Schuldknecht — die in ihren umgestalteten Auftritten das „soziale Moment betöflen -f wollen uns näher Stehen; und ih der ziemlich stark erweiterten Auseinandersetzung zwischen Jedermann, dem Mammon und den guten Werken bleibt die Macht des Geldes nicht länger ungeschlagen, sondern wird von Jedermann besiegt. In dieser Überwindung des Mammons, ln seider symbolischen Verteilung an unseren Nächsten büßt nunmehr der Sünder Jedermann die begangenen Fehler, Er ist nicht mehr der verzweifelte Pra6sef; der von angstvoller Reue gepeinigt wird, sondern ein um Gnade flehender Büßer, der erkannt hat, daß die eigene Tat der göttlichen Vergebung vorangehen muß.

Und die Inszenierung? Sie ist im Grund« die alte geblieben. Der Regisseur hat versucht, die Domfassade durch statuenhafte Trompeter und Heilige in das Spielgeschehen mit einzubeziehen und da6 gereicht det Handlung zum Vor-, der Doinfassade zuitt Nachteil. Im übrigen blieb das Augenfällige der Inszenierung Reinhardts dm wesentlichen erhalten, wenn man von den neuen Kostümen Caspar Nehers absieht, die bei künstlicher Beleuchtung von stärkerer Wirkung sein mögen.

Völlig neu ist nur, wie man weiß, die Besetzung, Zum Nützen des Spieles? Das wird sich wohl erst in der Rückschau erweisen. Will Quadflieg ist jedenfalls ein Jedermann aus ptihz’lidiem Geblüt, ein wenig zu jung, aber -ein bezwingender Schauspieler. Sein Jedermann ist ein gedankenloser und schlechter Jedermann, voll zarter, tiefer Poesie zuweilen und erschütternd in der Erkenntnis seiner Fehler. Man glaubt ihm alles, auch die Buße, und ist befreit, Wenn ihm verziehen wird. Peer Schmidt, der Teufel rast, tobt und schreit mit ungeheurem Tem perament und seltener Unbekümmertheit — sein Teufel überzeugt. Durchaus am Platz (doch ebenfalls zu jung) ist auch der Glaube Antje Weißgerbers; sie spricht ihren Part klangvoll und mit Inbrunst. Erich Auer ist nicht nur ein guter, sondern ein ausgezeichneter Gesell, lebendig, frisch von ausgezeichneter Diktion — welch letzteres auch auf den Spielansager Helmut Janat6ch zutrifft. Der Tod Franz Schafheftlins ist nur drohend, nicht beklemmend und sein Kostüm wirkt unheimlicher als sein Sprechen. Lola Müthel, die Buhlschaft, hält nicht, was ihre äußere Erscheinung verspricht, das Duo Fritz Imhoff - Heinz Conrad6 als dicker und dünner Vetter war bei der Premiere nicht vollzählig und somit in seiner Wirkung stark beeinträchtigt. Hugo Lindinger, der für den erkrankten Imhoff einsprang, vergaß, daß er in erster Linie die Tischgesellschaft und erst dann das Publikum zu amüsieren hatte. Alma Seidler, Wolfgang Hebenstreit, Roswitha Posselt, Theodor Grleg und alle die anderen, die aus der alten Jedermann-Besetzung übernommen wurden, spielten gut und sicher wie eh und je und formten mit den „Neuen eine bewundernswerte schauspielerische Einheit.

Der „Jedermann“ ist das große Ereignis der Festspiele geblieben. Das Ensemble ist neu und jung — was nicht unbedingt ein Fehler sein muß, denn die Neuinszenierung des Spiels vom Sterben des reichen Mannes ist flicht für nur fein Festspieljahr gedacht und wird voft Mal zu Mal reifer und damit beS6ef Werden,

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