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JOHN F. KENNEDY/VOR DEN TOREN DES WEISSEN HAUSES

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Chelsea Hospital 1944: An das Bett des jungen, im Pazifischen Ozean schwerverwundeten 26jährigen Marineleutnants John Fitzgerald Kennedy tritt der Vater. Sein Herz ist schwer. Soeben ist die Nachricht vom Tod von Johns älterem Bruder vom fernen europäischen Kriegsschauplatz eingetroffen. „Jetzt bist du die Hoffnung des Clan Kennedy. Du wirst unsere Farben in der politischen Arena verteidigen und du kannst auf uns zählen, daß wir dir alle dabei helfen werden.“ Das sind die Worte des Vaters in einer bitteren Stunde. Der „Clan Kennedy“ aber hat Wort gehalten. Vor wenigen Tagen wurde der nunmehr 43jährige Senator vom Konvent der Demokratischen Partei im ersten Wahlgang zum Kandidaten für den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nominiert.

Der „Clan Kennedy“: das ist zunächst die durch feste Bande und Bindungen zusammengehaltene Großfamilie von aus Irland stammenden Katholiken. Die gesellschaftliche Abwertung, die Amerikaner irischer Herkunft nicht selten auch heute noch durch „Yankees“ erfahren, war es nicht zuletzt, die Vater Kennedy 1936 bewog, sich offiziell für Roosevelt und sein „New Deal“ auszusprechen. („Ich unterstütze die Philosophie unseres Präsidenten, der den Begriff der Tugend von dem des Geldes trennen will.“) Und das trotz seines nicht unbeträchtlichen Vermögens. Diese politische Freundschaft führte den alten Kennedy zu guter Letzt als amerikanischen Botschafter nach London. Sie endete, als der England und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten nicht gerade wohlgesonnene Vater Kennedy nach Pearl Harbour abberufen wird. Und mit der Freundschaft endete auch die politische Karriere. Was tut's, wenn man sich als Mitglied eines „Clans“ fühlt? Sollen die Söhne vollenden, was die Väter begannen.

Deshalb wurde der junge John — bezeichnenderweise — stets in laizistischen und nicht, was bei einer amerikanischen Familie irischer Abstammung nahegelegen wäre, konfessionellen Schulen erzogen. Fr sollte nach dem Willen des streng katholischen Vaters rechtzeitig mit Amerikanern anderer Konfession in Kontakt kommen, um von vornherein jede Rückkehr in das irisch-katholische Ghetto“, dem der Vater mühsam entronnen war, auszuschließen, „Lehr- und Wanderjahre“ tun das Ihrige, um den Horizont des jungen Mannes zu erweitern. Bald greift er zur Feder, und es sieht so aus, als ob er der Magie der Druckerschwärze zu „verfallen“ droht. Da kommt der Krieg, die schwere Verwundung und der Auftrag des Vater. 1945 tritt John in Massachusetts als demokratischer Kandidat an. Ein steiler Siegeszug, gut vorbereitet durch die vom Kennedy-Clan „geölte“ Wahlmaschine, setzt ein. Das Ziel steht vom Anfang an fest. Vor kurzem wurde es in Los Angeles erreicht.

Der „Clan Kennedy“: das sind aber auch jene Männer und Kräfte im Lager der Demokraten, die lange danach Ausschau hielten, welcher Kandidat wohl am ehesten geeignet wäre, die Demokraten in das Weiße Haus „heimzubringen“. John Kennedys jungenhafter Typ scheint ihnen, nachdem der Mythos der „alten weisen Männer“, der die Nachkriegszeit erfüllte, blässer wird, am geeignetsten. Auch jene viel verketzerten „Eierköpfe“, Amerikas Intellektuelle, deren Mann eigentlich Adlai Stevenson ist, sind, ohne, ihren Ideen untreu zu werden, gemeinsam mit ihrem Leader in die breite Front Kennedys eingeschwenkt.

Eine neue Generation zieht herauf. In West, in Ost, in Europa. Ist John Kennedy ihr Vorreiter? Er trägt die Hoffnung und Gefährdung dieser im großen Krieg herangereiften Menschen mit sich - wie er auch ihre Wunden am eigenen Leibe trägt.

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