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Junge Generation!

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Es erscheint uns als eine besondere Aufgabe der ,furche“, der jungen Generation mit verständnisvollem Entgegenkommen einen Sprechplatz zu bieten, wo es sich um das Bemühen um die ihr auferlegte schwere Problematik handelt. Der nachstehende Beitrag kommt uns aus einem Kreise _ junger Akademiker zu, deren Haltung und Gesinnung Sympathie und Achtung verdienen.

„Die Furche“

Ein Überblick über die innere Situation der Jugend ist nicht leicht zu gewinnen. Die Gesinnung' junger Menschen wird aber die geistige und gesellschaftliche Ordnung der Zukunft entscheidend mitbestimmen. Die sorgsame Beobachtung der Lebenshaltung der Jugend durch Erzieher, Ärzte und Seelsorger wie durch Politiker ermöglicht eine Zusammenfassung typischer Einstellungen, die einer wirksamen Heilung und Ordnungsstiftung vorangehen muß.

Es steht außer Zweifel, daß ein bedeutsamer Teil der Jugendlichen in einer praktisch-materialistischen Weltanschauung festgefahren ist. Die Auffassung, jetzt, nach dem Krieg, den man überstanden hat, „etwas vom Leben haben zu wollen“, es ohne Hemmung zu genießen, ist eine Tatsache, die das nächtliche Stadtbild geradezu beherrscht.

Die liberal-bürgerliche Indifferenz wie die nationalsozialistische Weltanschauung wur den durch geschichtliche Folgen widerlegt. Die Grundstimmung der Enttäuschung, Angst und Hoffnungslosigkeit eignet nun den jungen Menschen, die im Schatten der Ruinen dieser Ideologien leben. Zwei Möglichkeiten des Ausweges stehen ihnen offen. Der erstere führt zu jener Gruppe, die den Bereich der sittlichen und geistigen Aufgaben kaum mehr ahnt, der schwierigere zu einem dritten Kreis, welchem der zahlenmäßig schwächste Teil der jungen Generation zuzuzählen ist, der sich um das echte Welt- und Menschenbild und die sich aus dieser Erkenntnis ergebende Lebenshaltung bemüht. Diese Jugendlichen haben damit auch die Frage nach ihrer geistigen und religiösen Existenz gestellt oder schon beantwortet. Die junge christliche Generation, welche die Lebensund Gemeinschaftsgestaltung aus der sakramentalen Verbundenheit mit der Kirche versucht, gehört durchaus in den letzten Kreis hinein, da die Erringung ihręr Lebensform in der Gegenwart keineswegs abgeschlossen ist.

Das Erlebnis des Krieges und der Nachkriegszeit hat den Frömmigkeitsstil des ausgehenden 19., aber auch den des beginnenden

20. Jahrhunderts in Frage gestellt. Junge Menschen, die aus dem Zusammenbruch ihrer materiellen, gesellschaftlichen und geistigen Umwelt über Verzweiflung oder

Skeptizismus entweder zum Christentum kamen oder es sich zumindest neu erringen mußten, konnten Vorgefundene Formen nur kritisch zur Kenntnis nehmen.

Jeder junge Mensch neigt dazu, seine Ideale hoch über der Realität anzusetzen. Dadurch kommt ihm einerseits die Kraft zu, die gegebene Wirklichkeit umzugestalten, andererseits aber bietet sich ihm die verführerische Möglichkeit an, für sich eine Welt zu bauen, die den nüchternen Tatsadien nicht entspricht. Wohl hat sich jenes Bild vom Christen gewandelt, da es oft durch seine körperliche Untüchtigkeit den Zusammenhang mit dem vitalen Leben verloren zu haben schien und vielen Jugendlichen den Zugang zur christlichen Gemeinschaft erschwerte. Es wurde dadurch auch das sittliche Leben durch die Forderung nach körperlicher Zucht erneuert und erfrischte es durch die lebendige Begegnung mit der Natur. Es soll aber auch die Gefahr nicht übersehen werden, die für eine Jugendbewegung durch ihre Gemeinschaftsform und deren kühne Ideale zu einem Abgleiten in romantisch verbrämten Militarismus führen könnte. Auch die liturgische Bewegung, die grundsätzlich zum bleibenden Gut der jungen Kirche gehört, würde — bei formaler Überbetonung — nicht der Versuchung der Wirklichkeitsflucht und des Ästhetizismus entbehren.

Da junge Christen, als Soldaten oder Verfolgte, in Arbeitsdienstlagern oder Fabriken, in unzähligen Situationen allein und selbständig Gewissensentscheidungen zu vollziehen hatten, wurden sie zu innerer Reifung geradezu gezwungen. Aus der Not wurde

— im ganzen Sinne des Wortes — eine alte Tugend wieder entdeckt: die christliche Mündigkeit.

Jungen Menschen wird der Weg ihrer seelisch-geistigen Bildung nicht nur von allgemeinen Idealen, sondern auch von reifen Persönlichkeiten vorgezeichnet, die sie als Vorbild und Autorität annehmen. Erst die schwer zu gewinnende kritische Einstellung zu ihnen ermöglicht eine innere Verarbeitung des übermittelten Gutes, während eine bedingungslose Hinnahme zu fruchtloser Abhängigkeit führen würde. Die strenge hierarchische Ordnung der Kirche, der sich die jungen Christen verpflichten — und die sie entscheidend beeindruckt —, enthebt sie aber nicht der Aufgabe, sich um die Seilbsterzie- hung zur entfalteten Persönlichkeit ?u bemühen. Denn Mündigkeit heißt: dieFreihe’itim Gesetz wahrneh- men und in Fühlung mit der Autorität verantwortungsbewußt in der konkreten Leben,s- situation verwirklichen.

Das allgemeine seelische Müdsein, eine gewisse geistige Erschlaffung und der mit ihr nahegelegte Verzicht auf eigenständige Lebensgestaltung, Folgen des Krieges, des Regimes', das dem einzelnen die Freiheit absprach, gefährden heute die junge Generation mehr als die typisch jugendliche unbesonnene Auflehnung gegen Ordnung und Tradition.

Darum ist es Aufgabe der Bildung und Selbstbildung der Jugend, die klassischen christlichen Tugenden der Klugheit und der rechten Tapferkeit herauszustellen, die Elemente christlicher Lebensgestaltung durch Sakrament und Gebet sorgsam herauszuschälen, über die Ideologien der Gegenwart, das christliche Welt-, Menschen- und Gottesbild und die Lehre der Kirche Klarheit zu schaffen. Die jüngste Vergangenheit verwies auf die Notwendigkeit der personalen Reife des Christen. Er kann auch heute nur dann wirksam die jungen Menschen begegnen, die, von der Oberflächlichkeit der Zivilisationsbelustigungen befangen, verzweifelt hoffnungslos sind oder ernsthaft suchen.

Das Ideal reifer, eigenständiger Menschlichkeit, das durch die Erkenntnis der eigenen Schwäche, durch Selbstkritik, erst richtig angestrebt werden kann, zeichnet auch die Gemeinschaftsbildung auf dem Boden der Brüderlichkeit, des freien Zusammenschlusses ringender Menschen, vor.

Als Folge wird sich das Verhältnis vom jungen Mann zum Mädchen neu klären und die gemeinsame sowie gegenseitige Erziehung' der reiferen Altersstufen möglich werden. Die innere Gelöstheit der Mädchen hängt wesentlich von achtsam geformten kleinen und kleinsten Lebensgemeinschaften ab, in denen Brüderlichkeit verwirklicht und reifere junge Menschen bewegende Fragen durchgesprochen werden. Gerade aus der Freundschaft weniger Menschen, die sich der größeren Gemeinschaft nicht verschließen, erwachsen durch Rat und gegenseitige Kritik Kräfte, die jede weiterreichende Wirksamkeit nähren.

So ergibt sich die Offenheit und Bereit- Schaft, mit Jungen Menschen, die der Kirche fernstehen, zusammenzuarbeiten, um etwa der sozialen Not entgegenzutreten.

Durch die Klarheit über die personalisti- schen Grundsätze der christlichen Gemeinschaft kann, etwa bei öffentlichem Bekenntnis, eine nur propagandistisch gemeinte Anpassung an die äußeren Gepflogenheiten und Moden des politischen Lebens der Welt vermieden werden. Dennoch steht für gereifte junge Menschen, wenn sie sich die Grundlagen der gesellschaftswissenschaftlichen Bildung erworben haben, das Apostolat keineswegs im Widerspruch zu politischer Tätigkeit, die religiös und sittlich begründet ist.

Immer noch ist der diristlichen Jugend eine breite Wirkung in die Jugend der Zeit versagt. Was 1945, zur Zeit der neugewonnenen Arbeitsmöglithkeit, des frisch umgebrochenen Bodens, zu viel erhofft wurde, wird jetzt als Enttäuschung hingenommen.. Die gemeinsame Not des Krieges und seiner Folgen hat die junge christliche Generation an die gesamte Jugend zutiefst gebunden. Aus dieser erlebten Verantwortung kann sie sich nicht mehr lösen. Aber sie kann weiter in die Jugend der Gegenwart hinein wirken: durch die Mündigkeit und Reife des Wortes und der Tat.

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