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Junge Kunstler spielen fur die Jugend

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In Salzburg haben sich junge Künstler zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen und ein Programm aufgestellt, um dessent-willen man ihnen Beachtung schenken muß. Von der Bühne herab wollen sie sich an die Jugend wenden und ihnen Werke junger Autoren vermitteln, die den Zeitgeist widerspiegeln, aber auch ältere Dichtungen, deren Wert von zeitloser Gültigkeit ist. Durch die strenge Auswahl an Bühnenstücken wollen die jungen, kunstbegeisterten Menschen am Aufbau einer kommenden, geordneten und gesitteten Welt mithelfen und allen Kräften des Niederganges — Gleidigültigkcit, Verantwortungsscheu und Unmoral — den Kampf ansagen. Das neue Theater soll als „moralische Schaubühne“ im Schillerschen Sinne tätig sein.

So war man mit gespannter Erwartung der „Tribüne“, die, wie ihr Name sagt, die unmittelbare Ansprache an das Publikum erstrebt, entgegengetreten, ohne Vorurteile, und hatte den Wunsch, daß die Künstlerschar das erfüllen möge, was sie in der Vorankündigung versprochen hat. Wenn sie nun bei der ersten Probe ihres Wollens und Könnens, bei der Uraufführung des Schauspiels „Tag der Versuchung“ von Rudolf Berghöfer, nicht restlos befriedigen konnte, so soll dies nicht Tadel sein. Wir wissen sehr genau, wie schwer es in der heutigen Zeit ist, eine Bühne aus dem Nichts aufzubauen, welche Hindernisse erst überwunden werden müssen, ehe man ans Werk gehen kann.

Der junge Wiener Autor Berghöfer greift als einer der ersten das Heimkehrerproblem auf und versucht in einem Schicksal das Schicksal von Millionen Menschen widerzuspiegeln, die sich an vieljährige soldatische Zucht gewöhnt, in der neuen Welt nicht zurechtfinden können. Ein gewaltiger Vorwurf, die inneren Wirren und äußeren Nöte einer ganzen Generation dramatisch gestalten zu wollen! Und eben das dramatische Geschehen bleibt uns Berghöfer schuldig, er bleibt im Problematischen stecken, nicht ein Schicksal, das aufwühlt, packt und ergreift, führt der Autor vor, er versucht die Menschen in eine symbolische Sphäre zu stellen und nimmt damit der Handlung das blutvolle Leben. Als seelischen Ansatzpunkt nimmt er die Urempfindungen, die zu allen Zeiten gültigen Antriebe in der mensdilichen Brust: Liebe, Haß, Hunger, Gier, Mitleid und Verachtung. Raimund, der Heimkehrer, kommt in Konflikt mit Stephan, dem Menschen der neuen Zeit, der skrupellos alle ethischen und religiösen Werte verneint, der teils als Teufel, teils wie b!er Meergott Proteus in verschiedenen Gestalten an die Menschen als Versucher herantritt und sie mit seiner Irrlehre in den Abgrund lockt. Der Mann, der die Schrecknisse des Krieges kennengelernt hat, der wirklichkeitsgläubige Reformator, dessen Ich nicht nur Spiegel, nur Abdruck der Welt sein will, der die Welt und den geliebten Menschen nach seiner Idee umformen will, kämpft vergebens gegen die Macht des Bösen. Geist und Seele werden nicht frei. Elisabeth, das Mädchen der neuen Generation, fällt Stephan zum Opfer, denn sie glaubt seinen schillernden Verlockungen. Die Großmutter, Symbol des Menschen von gestern, ist zu schwach, ihre Lebenserfahrung und Güte kann das Unheil nicht verhüten, sie kann nur dem Opfer den Trost für die Zukunft geben, daß der Glaube allein die Menschen rettet. Trotz der geringen Bühnenkenntnisse des jungen Autors müssen wir seinen Mut. das ehrliche Streben und seinen aszetisch-religiösen Willen, dem Wort neue Würde und Beredsamkeit zu geben, anerkennen.

Von den Darstellern strahlt innere Wärme, Persönlichkeit und Begeisterung für die Aufgabe aus. Und das ist schon sehr viel für den Anfang. Der Regisseur konnte die Dansteller nicht auf eine einheitliche Linie führen, expressionistische und naturalistische

Ausdrucksform lagen nebeneinander, auch verschiedene Dämpfungen wären von Vorteil gewesen.

Spielfreudigkeit und jugendliche Kunstbegeisterung zeichnete audi die zweite \ Vorstellung, „Der Talisman“ von Johann Nestroy, aus. Gerade in diesem Stück ist die reine Komik der Posse unauflöslich vereint mit dem scharfen Witz der Satire, die tiefe Einsicht in die Welt und die Natur der menschlichen Seele gewählt. Darum wird von dem Darsteller des Titus Feuerkopf nicht allein Komik verlangt, sondern auch das Vermögen, seelische Vorgänge in knappester Form wiederzugeben und mit sicherem Wissen von Paradoxie die Sprachscherze zu formulieren. Harald Benesch brachte gute Ansätze hiezu mit, aber es fehlte ihm wie den übrigen Sdiauspielern die führende und formende Hand des Regisseurs. Emil Pirchans Bühnenbilder waren den einfachen Bühnenverhältnissen angepaßt und ließen der Phantasie des Zusdiauers einen breiten Raum.

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