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Seit zehn Jahren schreibt Peter Meier-Bergfeld als Österreich-Korrespondent des Rheinischen Merkur' über ein Land und seine Menschen, die er offenbar schätzen gelernt hat. Dieser Band versammelt seine Reportagen, Essays, Kommentare und Interviews, die praktisch alle Themen abdecken, die mit Österreich zu tun haben: Politik und Zeitgeschehen, Kultur, Kirche und Religion, Medien und Gerichtsreportagen, das Schulwesen und die Universitäten, Geschichte, verschiedene Regionen, den Balkan. Und zum Abschluss gibt es vergleichende "Seitenblicke nach Deutschland".

Meier-Bergfeld formuliert witzig, prägnant und zeichnet sich durch ein sicheres Urteilsvermögen aus. Seine sachlichen Analysen überzeugen fast immer. Es macht den besonderen Reiz dieses Bandes aus, dass völlig unterschiedliche Themen, Orte und Personen thematisiert werden. Hier einige Beispiele. Das Seilbahnunglück von Kaprun sieht er als Symbol menschlicher Hybris. Zynisch vermerkt er, dass der Werbeslogan "Einsteigen, abheben, 3.000 Meter über den Dingen stehen" sich in sein Gegenteil verkehrt habe: "1,80 Meter tief werden die Opfer unter der Erde liegen." Die Maßnahmen der EU-14 Staaten gegen Österreich gelten als "flagrante Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Österreicher ... und jeglicher diplomatischer Usancen". Kurt Krenn wird interviewt und über ein Treffen mit Hans Dichand berichtet ("Eigentlich freut ihn die Politik nicht, er will - sagt er (lustig oder listig?) lächelnd - lieber im Vorhof der Macht' bleiben ... Und überhaupt Macht? Da streichle ich lieber unseren Hund.' No na."). Beim Bericht über den Prozess gegen Jack Unterweger fehlt nicht der Hinweis auf die "Links- und Gutgesinnten in der Kulturschickeria", die sich für die vorzeitige Freilassung ihres Lieblings und "Kollegen" einsetzten: Erich Fried und Ernst Jandl, Barbara Frischmuth und Friederike Mayröcker ... Die Liste ist lang. Auch der Leiter der Vollzugsanstalt betonte pflichtbewusst, "dass wir nie wieder einen Häftling finden werden, der so gut auf die Freiheit vorbereitet ist." Die Freiheit wurde zum Mord an elf Prostituierten genutzt.

Das Ergebnis nach zehn Jahren Studium? Österreich sei anders als Deutschland und "unentbehrlich". Das Land sei konservativer und weniger "politisch korrekt", ausgestattet mit mehr Gemeinsinn, langsamerer, humanerer Lebensart und noch mehr Sozialpartnerschaft, mit geringerem (Rechts)extremismus, aber auch größerem Druck auf Fremde, sich zu integrieren. Die Betonung liegt auf dem "noch": unter dem Druck der EU werde wohl viel vom Genannten verschwinden, so seine Prognose.

Hang zur Selbstironie

All das schätzt Meier-Bergfeld offenbar an Österreich, zusammen mit dem Hang zum Absurden und Selbstironischen: Wir erfahren über das Nonseum, das Museum des "Vereins zur Verwertung von Gedankenüberschüssen" (enthält etwa den tragbaren Zebrastreifen für vorsichtige Fußgänger - Motto: "ausrollen, sicher sein"). Meier-Bergfeld berichtet über Josephs II. geniale Begründung, jede Art von Sarg, nicht nur seinen Plumpssarg zuzulassen ("dass also, ein jeder, was die Truhen anbelangt, frey thun kann, was er für sein toden Körper im voraus für das Angenehmste hält"), oder über die einfache Wienerin, die auf dem Weg zum Zentralfriedhof philosophiert: "Jo, mei, es is olles nix mehr, aber wenn er no leben tät, der Meinige, wärs a nix." Im übrigen hat bekanntlich Nestroy die Frage nach der besten Nation ein für allemal beantwortet. "Die beste Nation ist doch die Resig-Nation."

Volk, begnadet für das Schöne?

Zehn Jahre Korrespondent in Österreich.

Reportagen, Essays, Kommentare, Interviews von Peter Meier-Bergfeld. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2003. 462 Seiten, kart., e 29,-

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