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Kann man Filme „lesen“?

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Die deutschsprachige Filmliteratur, noch vor Jahren weit hinter der französischen und italienischen, auch noch englischen und amerikanischen zurück, hat aufgeholt und gerade in letzter Zeit Gewichtiges beigesteuert.

Zu dem Bedeutendsten zählt wohl Spectaculum: Texte moderner Filme, mit 96 Photos, vollständigen Filmographien und einem Nachwort, herausgegeben von Enno P a t a 1 a s (Suhr-kamp-Verlag, Frankfurt am Main, 196?-, 448 Seiten, Preis 128.20 S). Kann man Filme lesen? fragt der Herausgeber in seinem anregenden Nachwort. Man kann, besonders wenn es sich um poetisch und filmisch intensive Drehbücher, wie Ingmar Bergmans „Wilde Erdbeeren“, Marguerite Duras' „Hiroshima mon amour“, Federico Fellinis „Die Nächte der Cabiria“, Max Ophüls' „Lola Montez“, Luchino Viscontis „Senso“ und Orson Welles' „Citizen Kane“ handelt. Sehr gewissenhaft die Filmographien des Anhangs. Die Bilder sind leider zu klein wiedergegeben.

Bela B a I ä z s ' Gedanken in „D e r Film. Werden und Wesen einer neuen Kunst“ (erweiterte und überarbeitete Neuauflage, Globus-Verlag, Wien, 1961, 360 Seiten, Preis 120 S) haben Geschichte gemacht. Der Irrtum des weit links stehenden, 1949 verstorbenen Autors ist längst erwiesen, der Film geht andere Wege als die einer „neuen Kunst“. Trotz-

dem verdient der idealistisch-utopistische Aufschwung des Verfassers Achtung. Das Buch nimmt überdies Auszüge aus früheren Veröffentlichungen des Verfassers auf, darunter besonders der vergriffenen ersten Kunstphilosophie der Filmgeschichte, „Der sichtbare Mensch“ (Wien, 1924), ferner „Der Geist des Films“ (Halle, 1930) und „Filmkultura“ (Budapest, 1948). Nachwort von Edmund Th. Kauer.

Zur neuerdings lawinenartig anschwellenden pädagogischen Literatur gehört Karl Heinrich: „Filmerleben — Filmwirkung — Filmerziehung“. Der Einfluß des Films auf die Aggressivität bei Jugendlichen, experimentelle Untersuchungen und ihre lernpsychologischen Konsequenzen (Hermann-Schroedler-Verlag, Hannover, 1961, 372 Seiten, Preis 26.80 DM). Der Kern des Buches, umfangreiche und gewissenhafte Untersuchungen an der Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main 1956/1958 darüber, welche Komponenten des Films eine Steigerung und welche eine Verringerung der Angriffslust jugendlicher Zuschauer bewirken, ist sehr interessant, leider aber von einer nicht weniger als 170 Seiten umfassenden allgemeinen und methodischen Einleitung stark überwuchert. Geraffter hätte das Buch in schmalerem Umfang und zu billigerem Preis besser seinen Weg zu den Filmerziehern finden können.

Dem Österreicher gibt das Büchlein „Selbstkontrolle von Presse. Funk und Film“, herausgegeben von Dr. Martin Löffler (C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München und Berlin, i960),' erschöpfende Auskunft über deutsche Einrichtungen, die wir leider noch vermissen. Trotz den Beiträgen verschiedenster Fachleute haftet dem Buch ein gewisses unkritisches Wohlwollen gegenüber Fehlkonstruktionen und Leerläufen der deutschen Institutionen an.

An kritischer Haltung fehlt es dagegen nicht den scharfen Attacken gegen den deutschen Filmbetrieb von heute: Walter Schmiedings „Kunst oder Kasse — Der Ärger mit dem deutschen Film“ (Verlag Rütten & Loening, Hamburg, 158 Seiten, Preis 2.40 DM). Während ein ähnliches Buch von Joe Hembus: „Der deutsche Film kann gar nicht besser sein“ (Schünemann - Verlag, Bremen, 169 Seiten, Preis 9.80 DM), heftig, aber optimistisch ist, ist Schmieding maßvoller im Ton — und pessimistisch. Die letzte Entscheidung darüber liegt nicht bei uns.

Die biographische Literatur erhält Zuwachs durch Charles Chaplin jun.j „Mein Vater Charlie Chaplin“ (Diana-Verlag, Konstanz-Stuttgart, 346 Seiten, broschiert, Preis 20.80 DM), ein persönlich einseitig informierendes und geistig untiefes Buch; mehr Kontur haben Sergej Eisenstein: „Chaplin“ (Sanssouci-Verlag, Zürich, 1961), und ebendort, wohltuend kritisch gehalten: Flavius C 1 a n d e, „Brigitte B a r d o t“; besonders begrüßenswert in beiden der Anhang mit den ausführlichen Lebensdaten, Filmen, Literaturen und Schallplatten.

Die hochverdiente Schriftenreihe des Landesjugendreferates Niederösterreich (verantwortlich Direktor Karl B ä u e r 1 e), „Jugend — Film und Fernsehen“ ist nun bei Spezialheft 8 angelangt und längst ein unentbehrlicher Behelf für Lehrer und Erzieher geworden.

Auch ein Blick in die nunmehr ausführlich zu Papier gebrachte Enquete zum Thema „Film und Gesellschaft“, veranstaltet vom Referat für Kulturpolitik der Sozialistischen Partei Österreichs im Mai 1961, ist in vielem lohnend und aufschlußreich.

Nummer 36 der Wiener Zeitschrift „Filmkunst“ (Chefredakteur Professor Dr. Ludwig G e s e k) enthält neben Beiträgen von Martin Schlappner, Zürich, und Dr. Raimund Warhanek, Wien, einen besonders aktuellen Aufsatz über „Die neue Welle und der französische Film“ von Jacques Sicher, Paris.

Ein Begriff für Fachwelt und Publikum ist längst Harry Nestors „Österreichischer F i 1 m - A 1 m a n a c h“, der 1962 schon in den 15. Jahrgang getreten ist und neben dem gut übersichtlichen Adressenmaterial wieder einen ausführlichen technischen Anhang aufweist.

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