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Helmut Schmidt, 85.

Reichskanzler Otto von Bismarck schimpfte Journalisten zeitlebens als "Preßbengel"; Bundeskanzler Helmut Schmidt schalt die schreibende Zunft "Wegelagerer", "Lederjacken" und "Rudeljournalisten" - aber beide Kanzler gingen nach ihrer Entlassung in den Journalismus: Bismarck wurde Leitartikler bei den Hamburger Nachrichten und Schmidt Herausgeber und Autor der Zeit.

Redaktionssitzungen mit Schmidt in der Zeit stellt Michael Schwelien an den Anfang jedes Kapitels in seiner aktuellen Biografie mit dem Untertitel "Ein Leben für den Frieden". Eine friedliche Zusammenarbeit war beim Eintritt des Altkanzlers in die Zeit, 1983, keineswegs ausgemachte Sache. "Schmidt war anfangs bei den jüngeren, meist links und grün orientierten, der Friedensbewegung zugetanen Redakteuren nicht beliebt", schreibt Schwelien, der ebenfalls den Schmidt-Skeptikern zuzurechnen ist.

Besser gesagt: zuzurechnen war; in den letzten 20 Jahre hat der Redakteur aus der 68er-Generation seinen Herausgeber, der 68er verachtet, schätzen gelernt. Schmidt sei es immer um den Frieden gegangen, ist Schwelien mittlerweile überzeugt. Aber um einen Frieden, "so wie er ihn erkämpfen wollte". Und die Friedenspolitik, die der frühere Frontsoldat Schmidt für seine Zeit die beste hielt, lautete: weltweite Abrüstung durch Nachrüstung in Westeuropa. Schwelien: "Es klingt alles sehr unlogisch, fast altmodisch nach dem römischen Motto si vis pacem, para bellum - wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor." Diese Politik kostete Schmidt viel Sympathie in seiner Partei und schließlich 1983 das Kanzleramt. Aber sein Ziel, der Nato-Doppelbeschluss, wurde umgesetzt: "Sein großer Beitrag für den Weltfrieden", schreibt der mittlerweile eines Besseren belehrte Biograf Schwelien.

Immer und gegenüber jedem Lehrmeistern zu wollen, scheint eine Eigenschaft von Schmidt zu sein. Das hat wohl zu dessem Macher-Image beigetragen, das allerdings durch die Erzählungen seiner nach über 60 Jahren noch immer Ehefrau Hannelore relativiert wird. Warum Frau Schmidt "Loki" genannt wird, erfährt man in der Biografie von Journalist Schwelien nicht. Für dieses Detail und viele andere mehr muss man zur Schmidt-Biografie des Historikers Hartmut Soell greifen. Die beschreibt im ersten Band aber erst das halbe Leben des Altkanzlers und verlangt, zum Untertitel des Buches passend, vor allem eines: Leidenschaft für Helmut Schmidt, der am 23. Dezember, 85 Jahre alt wird.

HELMUT SCHMIDT

Ein Leben für den Frieden

Von Michael Schwelien. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2003. 368 Seiten, geb., e 23.60

HELMUT SCHMIDT. Vernunft und Leidenschaft, 1918-1969

Von Hartmut Soell. DVA, München 2003, 992 Seiten, geb., e 39,90

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