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Kapitulation vor den Medien

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Mediendemokratien

„Die Gesellschaften westlichen Typs entwickeln sich von Demo- zu (bisweilen im doppelten Sinne zu verstehenden) Mediokratien. Die mediale Ebene ist heute die entscheidende zwischen Akteuren und Zusehern der Politik. Mehr noch: Sie entwickelt zunehmend eine eigene, direkt politische Bedeutung. Politisches Marketing ersetzt die bewußte Politisierung der Menschen, den Versuch, Massen für eine bestimmte Idee zu gewinnen und zu mobilisieren. Der auch für die Politik zutreffende Befund, wer und was nicht medial transportiert werde, sei einflußlos, wird radikalisiert durch die weitergehende Konsequenz, was nicht kommuniziert werde, existiere praktisch nicht.”

peter pelinka, Das Ende der Seligkeit, S. 274. Kremayr & Scheriau, Wien 1995.

„Die zersplitterte Gesellschaft findet ihr einziges gemeinsames Forum in den Medien. Paul Virilio spricht von einer Ablösung des alten Gegensatzes zwischen links und rechts durch den zwischen Politik und Medien, wobei die politische Klasse durch die Medien abgelöst werden wird. Damit wird seiner Meinung nach der Beginn der Metropolitik eingeleitet, die sich nicht mehr an einem bestimmten geographischen Ort, sondern in einer zeitlosen Gegenwart des Life-Fernsehens abspielt. Der politische Baum als Ort des gesellschaftlichen Konsens verschwindet; an dessen Stelle treten im Moment vorherrschende Wahrnehmungen, die ebenso flüchtig sind wie die Interessen, die durch sie gelenkt werden, und temporäre Allianzen entscheiden in kurzlebigen Situationen. Die Telekratie ist durch den Ubergang von der Ethik der Inhalte zu einem Spiel, also einer Ästhetisierung der Politik zu Ungunsten der inhaltlichen Substanz charakterisiert”... „Der Politikertypus der Zukunft wird angesichts der geballten Medienmacht ein mediengerechter Entertainment-Profi und Siegertyp sein müssen, denn die Telekratie führt zu steigender Perso-nenfixiertheit der Poltik. Styling über Inhalte.”

weinzierl - hari'fer, 30 Trends für Osterreich zur Jahrtausendwende, S. 193/.Passagen Verlag, Wien 1995.

„Heute erzwingen die neuen Medien die Ausstellung des Politikers vor der

Aufnahmeapparatur. Politik, gleich welche, verliert immer mehr ihr theoretisches Korsett und bildet ihren Identitätspanzer zunehmend im Spiegel der

Massenmedien Im Grunde reagiert

Politik nur noch auf ihre eigene mediale Aufzeichnung.... Zeitstrukturen sind wichtiger als Konsensstrukturen. Geschwindigkeit zählt mehr als Argumente. ... Medienästhetik ersetzt die Weltpolitik.

norbert bolz, Politik als ob oder Die Lizenz zu lügen, in: Opfer der Macht Müssen Politiker ehrlich sein? Insel, Frankfurt/Main 1993.

Populismus

„Aber warum werfen wir dem Haider vor, daß er populistisch ist? Warum versteht er die Sprache des Volkes, und wir verstehen sie nicht mehr? Wir sind verdorben in der klaren Aussage.” aixms mock, profil 20.3.1995, S. 24.

„Die Kronen Zeitung hat ein gutes Ohr für die Entwicklungen bei den Menschen und verstärkt diese Entwicklungen ja nur. Und auch ein Politiker sollte ein Ohr für die Menschen haben. Was gibt's für Sorgen, was gibt's für Stimmungen.”

viktor klima, News 5/97, S. 18.

„Wir müssen uns in einer ebenso vereinfachenden Weise mit Haider auseinandersetzen; jetzt muß in genauso vereinfachender Weise inhaltlich kommuniziert werden. - Ich hätte nichts dagegen, das SPÖ-Programm als comic herauszugeben, wenn das erforderlich sein sollte. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß unsere Theoriefülle nicht zur Kenntnis genommen wird.”

michael häupl, profil Nr. 5/1997, & 97 und S 18.

Umbrüche, Bewusstsein, Umdenken

„Es muß verhindert werden, daß Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Vor allem ist der Zerstörung der Natur Einhalt zu gebieten. Um diesem Prozeß Aussicht auf Erfolg zu verleihen, reichen technologische Mittel oder veränderte rhetorische Fähigkeiten bei weitem nicht aus. Lediglich eine grundlegende Veränderung im menschlichen Verhalten und in den Gepflogenheiten unserer Geschäftswelt verspricht langanhaltenden Erfolg. Ein vielversprechender Weg zu unserem Ziel ist die Kreation einer neuen Allianz zwischen Wissenschaft, Kunst und Religion.”

ervin laszlo, Der Laszlo-Report Wege zum globalen Überleben (1992), S. 145 f. (Laszlo ist Rektor der Europäischen Akademiefür Evolutionäre Studien und Mitglied des Club of Rome.)

„Mir scheint, die gegenwärtige Gesellschaft kann bei den Ekelkrisen gegenüber ihren politischen Klassen im Äugenblick nichts Besseres tun, als sich eine Denkpause für Grundlagenfragen zuzugestehen”*... „Man sieht das politische Personal durch die Medien tollen und fühlt sich an die organisierte Unappetitlichkeit von Städteturnieren erinnert. Zwar gibt es noch da und dort überzeugende Megalopathen älteren Stils, hervorgehobene Persönlichkeiten von glaubhafter staatsathletischer Statur, aber ihr vereinzeltes Vorkommen kann die globale Disproportion zwischen den benötigten Kräften und den vorhandenen Schwächen nur relativieren, nicht beheben.” peter sl0terdijk, Im selben Boot (1995), S. 54 f.

„Gestern durften wir noch aus Optimismus fatalistisch sein, ab heute müssen wir aus Pessimismus kühn sein.” ALAIN MlNC, Das neue Mittelalter (1994), S. 10.

„Das althergebrachte politische Handeln ist genauso wertlos wie die Philosophien, die sich auf den Fortschritt gründen.... Unter diesem Blickpunkt ist das Ende der Moderne eine schwierig zu nehmende Kurve. Intellektuell kommt es einem relativen Reinen-Tisch-Machen gleich, es läßt Illusionen und Ausflüchte sprießen, und es fordert von den Verantwortlichen eine andauernde Askese, da es unmöglich geworden ist, sich auf eine optimistische ,Weltanschauung' zu stützen. Eine Askese, die aus der Verpflichtung erwächst, im Namen einer wenig motivierenden Weltsicht zu handeln, dem aktiven Pessimismus. Eine Askese, die aus der moralischen Pflicht der Eliten entsteht, wenn diese Pflicht keine Begründung in einer Offenbarungsreligion mehr findet.”

alain mino, Das neue Mittelalter (1994), S. 244f.

„Der politische Baum ist seither zum nüchternen Arbeits- und Kampfplatz geworden. Auf ihm bewegen sich diejenigen, denen es gelingt, ihre existentiellen Leidenschaften auf das Format von praktischen Jnteressen' zu bringen. Nach neuzeitlichem Verständnis ist Politik das, was übrigbleibt, wenn Passionen ausgeklammert werden und in die religiösen, ästhetischen, erotischen Bezirke des Privaten abzudrängen sind. ... Man darf vermuten, daß in der anthropologischen Stilisierung des homo politicus als modernem Interessensubjekt die Wurzeln jeglichen Unbehagens an der ,Unglaubwürdige-keit' der Politik zu finden sind.... Nur durch die Neutralisierung des existentiell Wichtigsten entsteht das, was man neuzeitlich das Politische nennt. ... Das Verhängnis der Volksvertreter ist nicht, daß sie sich vom Volk zu weit entfernen, es kommt daher, daß sie sich nicht weit genug von ihm entfernen können, um ihre Empfänglichkeit fürs Dringliche dem Interesse an Interessen vorzuziehen.”

peter sloterdijk, Eurotaoismus, S. 220 ff. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989.

„Der Politik fehlt der Wille zum sozialen Ausgleich. Sie hat vor der Marktlogik kapituliert. ... Noch schwimmt das Schiff, aber es ist schwer beladen. Also wirft man ganze Teile der Gesellschaft über Bord. Ich bin entsetzt über die völlige Abwesenheit von Analysen und neuen Ideen.” ALAIN TOURAINE, Der Staat zerbricht, Die Woche! 4.1994, S. 23.

„Man hat allerdings den Eindruck, daß im Augenblick eine große Koalition der Untherapierbaren an die Macht gekommen ist, die sich dazu bekennen, daß sie zwischen einem Leben in der Spaßkultur und einem Leben in der Selbstzerstörung nicht unterscheiden wollen. Und das ist, glaube ich, der neue Konsensus, der seit den späten Achtzigern die westliche Hemisphäre überschattet. Wir haben wieder eine Zivilisation, wie ich sie schon einmal charakterisiert habe: eine Kultur der heiteren Selbstmörder, die nicht einen letzten Erlebnisgipfel erreichen möchten, bevor hinter ihnen die Sintflut buchstäblich alles dahinrafft”. peter sloterdijk, Lettre, Heft 36/97, & 74.

„Der aktiv führende Politker war nie kreativ, er war immer nur ein Umsetzer. Die Ideen sind immer von ganz woanders gekommen, von den Unis, von Diskussionszirkeln. Hier fehlt im Moment die Anbindung an die Parteien.” josef taus, News 6/97, S. 38.

„Wir machen nicht einmal den Ver' such zu einem Grand Design... .Unsere Eliten arbeiten, gelegentlich hochkompetent und mit vorzüglichen Einzelergebnissen, vor sich hin;... sie finden kaum jemals zu dem, was auf den alten, halb vergifteten, blutdurchtränkten Boden Europas unerläßlich wäre, um die Atmosphäre für entschlossenes Handeln zu schaffen: zu einer ethischen Debatte, zu vernünftigem, konsensorientiertem Argumentieren jenseits von klugem Egoismus, zu einer Langzeitstrategie. ...”

„Der Versuch, Ziele zu formulieren, die einer Gesellschaft (oder gar einer Reihe von Gesellschaften) gemeinsam wären oder - schreckliche Vorstellung - statt Zweck-Mittel-Beziehungen sogar Zwecke zu diskutieren, sei überspannt, freiheitsgefährdend und utopistisch. Wir haben die Absicht, diese Mehrheitsmeinung in Frage zu stellen.”

peter gix)tz, rita süssmuth, konrad seitz, Die planlosen Eliten, S. 14f. Bruckmann Verlag, München 1992.

NÖN-Kanzler

„Leadership war nie die Sache des Ferdinand Lacina.” profil, 5. 7.1993. „Als die ,Ganze Woche' vor kurzem Politiker beim Friseur' suchte und den Bundespräsidenten fand, lehnte Lacina einen solchen Phototermin als nachgerade unsittliches Angebot ab”, profil ebenda S. 16.

„Wie gehen wir mit Ausländern, mit Asylanten, mit anderen Flüchtlingen, mit ausländischen Arbeitskräften um? ... Nur mit geduldiger Aufklärung, mit mühsamer Überzeugungsarbeit, und einer klugen Politik” F. Lacina, profil 21.12. 1992, S. 42. „Er (Ferdinand Lacina) gehört zum allerersten Kreis der Kanzlerkandidaten.” günter stummvoll, profil 5. 7. 1993, S12.

„Das Fehlen der intellektuellen Diskussion ist doch ein Problem unseres ganzen Landes. Es gibt in diesem Land einfach nicht die Bereitschaft, intellektuellen Sachfragen Kraft zuzuwenden.” „Ich kann einen Diskurs über die Zukunft in Österreich nicht feststellen.”

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