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Kaprun - einmal anders

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Am 22. November 1966 wird die Gletscherseilbahn Kaprun feierlich dem Verkehr übergeben werden. Ein neues Winter sport gebiet wird damit den Skifahrern aus dem In- und Ausland zur Verfügung stehen, und auch im Sommer wird dort der Skilauf möglich sein, einem Trend folgend, der nicht Mode, sondern Liebe zum weißen Sport überhaupt ist.

AM 22. NOVEMBER WIRD DIE erste Gletscherseilbahn Österreichs aus der Taufe gehoben. Im Kaprunertal, wenige Kilometer vom Ort Kaprun entfernt, wurde im Sommer 1963 mit dem Bau begonnen, im Sommer 1965 die Seilbahn teilweise in Betrieb gesetzt und nun in ihrer letzten Teilstrecke vollendet. Sie führt in eine Höhe von über 3000 Meter, mitten hinein in eine prachtvolle Schnee- und Gletscher weit mit einem Fernblick und einer Aussicht, welche wohl ihresgleichen sucht.

Das Skifahren — einst Vorrecht einiger weniger wanderfreudiger Einzelgänger — ist zum allgemeinen Volkssport geworden. Dort, wo sich früher ein Trüppchen wind- und wetterfest gekleideter Gestalten unter Leitung eines älplerisch gesinnten und Wandervogelidealen nachstrebenden Anführers in das gefahrvolle Gebirge wagte, schwänzeln heute modisch gekleidete Skihaserln über festgefahrene Pistenflächen. Und wo noch vor etlichen Jahrzehnten eine schweigende Bergenwelt ruhte, sieht man heute vor lauter Menschen den Schnee nicht mehr. So weit, so gut. Es haben sich jedoch aus dieser Entwicklung Schwierigkeiten verschiedenster Art ergeben. Neben vielen anderen auch jene des akuten Platzmangels. Es können viele tausend Menschen täglich einen Hang befahren. Aber .ganz plötzlich wird es beiden — dem Hang und den Menschen — zuviel. Ersterer streikt mit kaum mehr zu akzeptierenden Schneeverhältnissen und letztere fühlen sich der großen Platzangst nahe.

Dem muß natürlich abgeholfen werden. Denn Skisport ist ein sehr einträgliches Geschäft. Daneben dient er auch noch dem Vergnügen. Die Wintersportorte profitieren, der Fremdenverkehr, die Modeschöpfer und die Modeverwerter, die Skibauer und die Skiverkäufer, Bundesbahnen, Tankstellen und Autobahn- espressos klingeln mit vollen Kassen. Der Schilling rollt. Doch wir sagten auch Vergnügen! Bekanntschaften werden geschlossen, die Bars haben Hochbetrieb, Fräulein Trude erscheint im neuesten Apres- Ski-Dreß. Die Herren spielen Bridge und Skat nach einem kleinen Nachmittagsausflug in etliche tausend Meter Höhe. Und beim Tanz zum Fünfuhrtee trifft man einander wieder.

Frankreich, Italien und die Schweiz haben schon vor etlichen Jahren unternommen, durch Seilbahnen auch die Gletscherregionen dem Skisport zu erschließen, um dadurch der immer mehr zunehmenden Überfüllung auf den Skihängen Herr zu werden. Und in diesem Jahr ist nun auch Österreich darangegangen, durch ein großzügiges Projekt eine Bergwelt von wunderbarer Schönheit dem Anhänger dieses Nationalsportes zugänglich zu machen.

DASS KAPRUN DAS GRÖSSTE Kraftwerk Europas besitzt, ist allgemein bekannt. Aber daß es sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Fremdenverkehrsort herangebildet hat, wissen nur die wenigsten. Es ist dies einer natürlichen Entwicklung einerseits und der tatkräftigen Initiative einiger maßgebender Persönlichkeiten anderseits zuzuschreiben. Die Anzahl der Besucher, welche das Kraftwerk „Glockner-Ka- prun“ mit seinen gigantischen Sperrmauern besichtigte, wuchs von Jahr zu Jahr. Es ist ein sehr eindrucksvolles Erlebnis, sich diesen großartigen Triumph der Technik in Konfrontation mit einer großartigen Natur zu veranschaulichen. Mit der Zahl der Gäste wuchsen jedoch auch die Ansprüche. Hotels wurden gebaut, Gasthäuser und Pensionen. Das Gebiet ist sehr geeignet für Spaziergänge und Wanderungen. Skilifte sorgen für den Wintersport. Und nun wurde auch eine Gletscherseilbahn fertiggestellt.

Sie führt in drei Teilstrecken bis zur Bergstation am Kitzsteinhorn und ist unter die höchst gebauten Seilbahnen Europas zu rechnen. Automatische Steuerungen ermöglichen einen Betrieb ohne Maschinisten. Um bei weiteren Superlativen zu bleiben: Eine 100 Meter hohe und 30 Meter tief in den Felsen verankerte Stütze mit dem Namen „Steffl“ ist die höchste Seilbahnstütze der Welt. Aber was diese Anlage besonders bemerkenswert und vor allem für den Skifahrer interessant macht: sie eröffnet ein Skigebiet, welches winters wie sommers befahren werden kann. Der Besucher kann sich also nach Abfahrten über etliche Kilometer lange Schneefelder anschließend sofort in das sommerlich grünende Tal begeben, um einen Kopfsprung in das Schwimmbecken zu tun. Oder aber auf blumigen Wegen von Almenhütte zu Almenhütte wandern. Doch auch im Winter ist für entsprechende Abwechslung gesorgt. Eine Sauna, wo es neben Schwitz- und Dampfbad, Pediküre und Maniküre, Friseur und Masseur auch noch Fruchtsaft-

getränke aller Sorten gibt, schafft nach anstrengender Steilhangbewäl- tigung die nötige Entspannung.

Kaprun hat also ab dato das ganze Jahr Hauptsaison. Im Sommer stehen Tennisplätze zur Verfügung, Minigolf, eine automatische Kegelbahn, Camping und Angelsportmög- liohkeiten, Touren zum Weissee, zum Kaprunertörl oder über die Kammerscharte zum Mooserboden geben Wanderfreudigen ein ideales Ausflugsziel. Im Winter warten acht Seilbahnen inklusive Gletscherseilbahn, eine Skischule nebst Ski- und

Rodelverleih, ein Eislaufplatz und Eisschießbahnen auf den Gast. Und um der neuesten Abart des Skisportes Rechnung zu tragen, wurden auch eine Skibobschule und ein Skibobverleih geschaffen.

Die verkehrsgeographische Lage ist durchaus günstig. Durch einen ständigen Omnibusverkehr ist die Verbindung mit dem nur acht Kilometer entfernten Ort Zell am See gegeben. Die Talstation der Gletscherbahn selbst ist über die Salzachtalbundesstraße und die Kapruner Landesstraße zu erreichen. Und die Fahrzeit ab Autobahn Wien—Salzburg—München beträgt eineinhalb Stunden. Es ist somit das einzige Gletschergebiet der Ostalpen, das so nahe an einem Haupttal mit einer Bahnlinie (Ostwestverbindung der ÖBB) und wichtigen Straßen liegt. 1600 Betten aller Kategorien in Hotels, Gasthöfen, Frühstückspensionen und Privatquartieren stehen den Gästen zur Verfügung.

DIESES RIESENPROJEKT DER Gletscherseilbahn kostete übrigens die Kleinigkeit von mehr als 62 Millionen Schilling, welche durch ERP- Mittel ermöglicht wurden. Die Pro- jeküerungs- und Bauleitungsarbeiten wurden von der Tauernkraftwerke AG. durchgeführt. Es kommt jetzt darauf an, daß sich diese Investitionen auch rentieren, was eine Anzahl von 140.000 Besuchern pro

Jahr erfordern würde. Die Kapruner lassen sich also überraschen.

Fest steht immerhin, daß sie einiges zu bieten haben. Dafür nimmt man sogar den Betrag von 100 Schilling, welcher für eine Fahrt mit der Gletscherbahn auf das Kitz- Steinhorn — tour und retour — bezahlt werden muß, in Kauf. Denn das Skigebiet, welches sich mit seinen rund zehn Quadratkilometern eröffnet, ist es wert. Und auf der Krefelderhütte, die den Ausgangspunkt der dritten und letzten Teilstrecke bildet, ist neben einem herr-

liehen Ausblick auch noch für entsprechende Bequemlichkeit mit Sonnenterrassen nebst Liegestühlen gesorgt. Die Hütte wurde im Sommer 1965 in Betrieb genommen. Enthusiastische Skisportanhänger, welche also schon vor der im November stattfindenden Eröffnung den Anstieg auf das Kitzsteinhorn entweder zu Fuß bewältigen oder auf der letzten Teilstrecke ihre Brettln über Gletscherfim laufen lassen wollten, mußten daher von hier aus sich der etwas rumpeligen Angelegenheit eines sogenannten „Pistendienstes“, einer raupen- , schlepperartigen Beförderungsmaschine, anvertrauen. Nach den Statistiken zu urteilen, waren es jedoch nicht wenige.

Hinzugefügt sei noch: Es gibt bei den Seilbahnen auch entsprechende Ermäßigungen. So wird für die Wintersaison ein Skipaß ausgestellt werden, welcher zum Preis von 700 Schilling für sechs Tage und um 500 Schilling für vier Tage zu haben ist. Er gilt für die Gletscherbahn in allen Teilstrecken sowie für die Benützung weiterer fünf Seilbahnen in der Gegend um Kaprun. Ein ebensolcher Skipaß zum Preis von 200 Schilling für sechs Tage berechtigt während der Zeit vom 9. Jänner bis zum 4. Februar zur Benützung etlicher Lifte mit Ausnahme der Gletscherbahn.

Es läßt sich also im Hinblick auf eine wachsende Besucherzahl nur das Beste hoffen.

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