(K)Ein Geheimtipp aus Triest

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Boris Pahor schreibt eine europäische Kulturgeschichte anhand eines Triestiner Platzes

Boris Pahor ist mittlerweile 96 Jahre alt - und hat viel erlebt. Als Triestiner wurde er im Jahr 1940 vom italienischen Militär eingezogen, vier Jahre später von der Gestapo verhaftet und nach Dachau gebracht, bis Kriegsende lernte er vier Konzentrationslager kennen. Danach verarbeitete er seine Erlebnisse in mehreren Büchern, die aus dem Slowenischen vor allem in das Französische, aber auch in das Deutsche übersetzt wurden. Seit einiger Zeit gilt der italienische Slowene als immer weniger geheimer Tipp für den Literaturnobelpreis. Die Verleihung wäre dennoch eine Riesenüberraschung, zumal er in seinem Landsmann Claudio Magris einen sehr ernst zu nehmenden Konkurrenten hat.

Boris Pahor ist Träger wichtiger Auszeichnungen, so des höchsten slowenischen, des Preseren-Preises. Im Jahr 2007 wurde der überaus frankophile Homme de lettres von Frankreich in die Ehrenlegion aufgenommen. In seiner Heimatstadt engagierte er sich immer für die slowenische Eigenständigkeit und den politischen Pluralismus. Er kandidiert bei der kommenden Europawahl und macht damit wohl dem französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen den Altersvorsitz im Europaparlament streitig.

In Pahors Prosa finden sich zwei Leitmotive: die Frage der Existenz der Slowenen in Triest und die Erfahrungen eines Menschen, den das Schicksal in Konzentrationslager brachte. Auch die neueste Übersetzung, die Prosa "Piazza Oberdan", erzählt das Schicksal der Slowenen in Triest und gleichzeitig die Geschichte des Autors, der in einem Haus auf dem Platz, der nach Guglielmo Oberdan benannt wurde, aufgewachsen ist. Oberdan plante ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph - und wurde gehenkt.

Bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie lebten Italiener, Österreicher und Slowenen in Trieste/Trst/Triest mehr oder weniger friedlich miteinander. Nach dem Anschluss der Stadt an Italien, die bis dahin einer Vielfalt von Kulturen offen gegenüberstand, änderte sich die Lage durch den Faschismus.

"Erniedrigte Würde"

Boris Pahor erlebte im Jahr 1920, damals noch als Kind, die Zerstörung des slowenischen Kulturhauses durch Brandstiftung; zehn Jahre später die Anschläge slowenischer Freiheitskämpfer der Befreiungsbewegung TIGR (Triest, Istrien, Görz und Rijeka) sowie ihre Verurteilung durch italienische Tribunale. Das "Gefühl erniedrigter Würde" überkomme ihn heute noch, schreibt Pahor.

Die Intention des Autors ist der Erhalt der Kulturenvielfalt in Triest auch für die Zukunft, und zwar in einem vereinten Europa. In der "Piazza Oberdan" beschreibt und erläutert er die Lage der Stadt unter dem Faschismus. Dabei vereint das Buch verschiedene Textsorten und Stile vom Bericht über die Novelle bis zu autobiografischen Erinnerungen.

Piazza Oberdan

Von Boris Pahor

Aus dem Slow. von Reginaldo Vospernik

kitab 2009

191 S., kart., € 18,-

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