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Soeben erschienen: Peter Handkes neuester literarischer Versuch, eine Verwandlung des Lüstlings Don Juan.

Was hat uns dieser große Peter Handke nicht schon an Geduld abverlangt! Wie langatmig und langweilig konnten seine dickleibigen Bücher sein, durch die man sich förmlich quälen musste. Und wie schwer war es erst, im Balkankrieg seine Parteinahme für Serbien zu verstehen, mit der er sich hoffnungslos ins Abseits manövriert hatte. Nun, endlich, kehrt Handke wieder zu dem Metier zurück, von dem er etwas versteht: Zur Dichtung. Denn diese kleine poetische Erzählung um den Frauenhelden Don Juan, die er uns nun vorlegt, ist nichts anderes als Dichtung pur. So zeitentrückt, so ziellos, so ganz ohne Absicht und Belehrung, wie eben nur Handke sein kann. Schwer vergleichbar somit auch mit all den anderen Werken über den Frauenhelden, die wir aus dem Theater, der Musik und der Literatur kennen: Von Tirso de Molinas Urfassung aus dem Jahre 1617 über Molière, dem Libretto zu Mozarts "Don Giovanni", bis hin zu Bernard Shaw und Max Frisch.

So leicht wie dieser Don Juan als Idee dem Autor Handke zugeflogen sein mag, kommt er auch in dieser Geschichte quasi aus dem Nichts in die Behausung des Erzählers hereingeschneit. Selbiger betreibt eine Herberge in Port Royal unweit von Rambouillet und hat sich mangels Gästen gänzlich auf das Lesen verlegt. Handke und seine Anhänger lieben diese Bukolik: Ein verwunschenes ebenerdiges Haus in der Nähe einer verfallenen Klosteranlage, ein verwilderter Garten und alte bröckelnde Mauern. Hier sitzt Don Juan in der Maisonne unter einem Holunderstrauch und erzählt seinem Herbergsvater, dem einsamen kochenden Sonderling, von seinen Taten.

Aber auch Don Juan ist ein Verwaister: Er verlor vor kurzem sein einziges Kind. "Nichts als seine Untröstlichkeit und seine Trauer trieben ihn. Das Trauern durch die Welt tragen und es auf sie, die Welt, übertragen. Seine Trauer diente ihm als Wegzehrung ... Dank ihrer hatte er keinerlei große Bedürfnisse mehr."

Welch eine Verwandlung des gewissenlosen Lüstlings Don Juan, die Handke hier mit milder Ironie und tiefer Andacht betreibt! Welch eine Anverwandlung des gemütsrauen Routine-Verführers an den seltsamen Heiligen Peter Handke. Schwer nachzuvollziehen, aber die Frau erscheint ihm als Fluch, die Begegnung mit ihr als eine vom Schicksal gelenkte Herausforderung. Ein letztes Mal will sich Don Juan dieser Herausforderung stellen: Eine sogenannte "Frauenwoche" will er einlegen, die vom Kaukasus, über Damaskus bis nach Holland und Norwegen reicht.

Und nun lässt Handke seinen Don Juan in der dritten Person von sich und seiner Reise erzählen. Kein Wort von Liebe und Wollust fällt da, nur von der Gewalt, die über ihn herrscht. Don Juan, sagt Handke, war kein Verführer. Er hatte nur eine Macht, die andere nicht haben und vor der er selbst Scheu hatte. Nicht etwa mit seinem Anblick sondern mit seinem Blick setzte er das Begehren der Frauen frei, mit seiner Trauer, die die Frauen als Stärke sahen.

Eigenwillig

Es ist eine sehr eigenwillige, entsexualisierte, keusche Umdeutung des skrupellosen Troubadours, die Handke hier vornimmt. Wieder einmal will er sich nicht mit dem Zeitgeschmack gemein machen, bewusst will er uns seinen Don Juan nahebringen, der unverkennbare Züge seiner selbst trägt. "Das Fremde und Eigenartige der Orte" reizt ihn, nur die "sehr Alten und sehr Jungen" nimmt er wahr und übersieht "die große Masse dazwischen". Handke pur also.

Seine Geschichte lebt in der Hauptsache von ihren ruhigen, schönen Bildern, ihrem Schwanken zwischen Märchen, Parabel und Vision. Und von einer Heiterkeit, von der man sich nicht immer sicher sein kann, ob sie beabsichtigt ist. Indem Handke Don Juans Frauen-Begegnungen ihrer Banalität entrückt, gibt er einem verbrauchten Mythos etwas von seiner Rätselhaftigkeit zurück.

Und der Erzähler, der sich, was Frauen angeht, "längst als ausgezählt" ansah? "Zugleich bescherte mir Don Juans Kommen buchstäblich die innere Erweiterung und Entgrenzung", verrät er am Anfang und fühlt sich am Ende von Frauen förmlich umzingelt. "Zählt mich neu hinzu", ruft er im Anblick der "unbeschreiblichen Schönheiten" aus. Wer weiß, vielleicht haben wir hier die Entgrenzung des alten zum neuen Handke erlebt.

Don Juan (erzählt von ihm selbst)

Von Peter Handke

Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2004

159 Seiten, geb., e 17,30

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