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Digital In Arbeit

Keine „richtige”Arbeit, keine Bezahlung

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Die „Nur-Hausfrau” muß nicht nur für blitzblanke Böden und gutes Essen sorgen. Heutzutage muß sie auch die emotionalen Defizite einer brutal gewordenen, hoch-technisierten Arbeitswelt ausgleichen.

VON ANGELA THIERRY

Stellen Sie sich vor, Sie werden auf einer Party gefragt: „Was arbeiten Sie?” und antworten wahrheitsgemäß: „Ich bin Hausfrau”. Sie werden wohl kaum ein bewunderndes Aufblitzen in den Augen Ihres Gegenübers feststellen können. Hätten Sie hingegen geantwortet: „Ich bin Ärztin, Sales-Managerin oder Soft-Ware-Spezialistin”, wäre die Reaktion sicher eine andere gewesen.

Nach der scheinbar unbefriedigenden Antwort, daß Sie Hausfrau sind, werden Sie, wenn Sie bereits einige Erfahrung damit haben, sicher sehr schnell das Thema wechseln und sich über den Beruf oder das Hobby Ihres Gegenübers informieren, werden vielleicht auch über den letzten Polit-Skandal, ein neues Buch oder Theaterstück sprechen, um das erlahmte Interesse wieder einigermaßen zurückzugewinnen.

Es bleibt natürlich auch die Möglichkeit, sich an die Seite des Ehegatten zu stellen und freundlich lächelnd Komplimente für ihn einzuheimsen: „Ihr Mann ist ja ein brillanter Fachmann, Sie können wirklich stolz auf ihn sein!”, oder ähnliches. Daß Sie auch auf sich selbst als Hausfrau und Managerin einer Familie stolz sein könnten, davon ist nicht die Rede.

Anderes Berufsbild

Die Zeiten, in denen der Beruf „Hausfrau” das erstrebenswerte Ziel in einer Lebensplanung war, wo die Hausfrau stolz auf schön gebügelte Bettwäsche oder glänzende Parkettböden war, scheinen endgültig vorbei zu sein. Vorbei ist aber auch die Zeit, in der eine berufstätige Familienfrau die wandelnde Anklage gegen eine eventuell bestehende berufliche Erfolglosigkeit des Ehegatten war ...

Vorbei ist auch die Zeit, wo ein „mein Mann verdient genug, ich muß nicht arbeiten gehen” bei den berufstätigen Frauen mancherorts auch Neid auslöste.

Die Hausfrau und ihr Beruf sind aber noch lange nicht ausgestorben. Ihr Bild unterscheidet sich heute nur sehr wesentlich von dem Bild der fünfziger Jahre. Sie sieht und versteht sich heute viel eher als Kinderbetreuerin, Partnerin des Ehemannes, Organisatorin eines (vielleicht) gut ausgestatteten Haushaltes.

Niemand weiß, wie viele Frauen unfreiwillig zu Hause bleiben. Sei es, weil der Ehemann es nach wie vor nicht will, sei es, weil die Finanzen es nicht erfordern, sei es, daß sie schlicht und einfach keinen Arbeitsplatz finden oder daß fehlende Kindergarten-platze gar keine andere Wahl zulassen. Ob all diese Frauen mit dem Hausfrauendasein zufrieden sind?

Es scheint, als ob es vor allem die Hausarbeit ist, die von den Frauen als unbefriedigend und problematisch angesehen wird. Gilt sie doch keinesfalls als „richtige Arbeit”, vor allem deshalb, weil sie ja nicht entlohnt wird.

Hausfrauen selbst haben gegenüber berufstätigen Frauen sicher geringere gesellschaftliche Geltung. Wenn sich eine Frau darüber beklagt, daß sie sich minderwertig fühlt, wenn sie beim Ausfüllen eines Fragebogens ihren Beruf mit dem der „Hausfrau” angibt, so hört sie nicht selten die tröstende Antwort: „Aber Hausfrau und Muttersein ist doch ein sooo wichtiger Beruf.” '

„Wichtig”: das magische Wort, mit dem man Frauen dazu bringt, diese Arbeit auch in Zukunft gut und ohne Honorierung weiterzumachen.

„ Haushaltsführung”: sie wird heu -te als unproduktive „Nicht-Arbeit” verstanden, hatte früher, wo sie in der von Mann und Frau gemeinsam geführten mittelalterlichen Haus- und Gewerbegemeinschaft geleistet wurde, einen sehr hohen Stellenwert.

Die Hausarbeit im heutigen Sinn entstand mit der Trennung von Arbeits- und Wohnort und entwickelte sich sozusagen als Kehrseite der Arbeitsteilung, die darin bestand, daß der Mann fort zur Arbeit ging, die Frau jedoch zu Hause blieb und da auch arbeitete.

Während sich die Industriegesellschaft heute in rasantem Tempo zu einer gestreßten, gesundheits- und umweltfeindlichen Leistungsgesell-schaft weiterentwickelt hat, mußte und muß ein Flucht- und Erholungsort offengehalten werden: das Haus, die Wohnung, die Familie. Es wird in diesem Zusammenhang verständlich, daß die Hausfrau als „Naturreservat” für die Regeneration von Mann und Kindern eine große gesellschaftspolitische Funktion übernommen hat. Er wird nach wie vor der harten Arbeitswelt zugeordnet, sie ist die ausgleichende, dem privaten Erholungsraum zugeordnete Person.

Die Technisierung vieler Lebensbereiche, der Ersatz der Arbeitsplätze durch Maschinen und Computer, das alles wirkt für den Menschen sozial sehr einengend. Viele dieser technischen Rationalisierungsmaßnahmen ersetzen heute vielfach den ganz alltäglichen Kontakt mit Menschen.

Heute kann ein berufstätiger Mensch den Arbeitsplatz und sein Zuhause erreichen, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben. Fahrkartenautomaten anstelle von Bahnbeamten, Tankautomaten statt persönlicher Bedienung an der Tankstelle, Selbstbedienung anstelle des Verkäufers oder der Verkäuferin beim Einkaufen, Stempeluhr beim Eingang zur Arbeit, bargeldlose Gehaltszahlung, bargeldlose Bezahlung von monatlichen Rechnungen: vom Banko-mat bis zum Postamt ist fast kein zwischenmenschlicher Kontakt mehr nötig, in vielen Fällen auch gar nicht mehr möglich.

Emotionales Defizit

Es erstaunt daher sicher kaum, daß hier ein großes emotionales Defizit entsteht. Die Kompensation dieses Defizits fällt in den Bereich der innerfamiliären Beziehungsarbeit und wird - oft mehr oder weniger bewußt- als Hauptinhalt der Haus- und Familienarbeit der Frau angesehen. Wie schön ist es, wenn er abends müde, den harten Konkurrenzkampf hinter sich lassend, in seine gemütliche, geduldige Familienatmosphäre eintauchen kann, wo er eine ganz individuell auf ihn eingestimmte Person vorfindet: seine Frau. Einen solchen Luxus kann sich eine Frau in derselben Situation nur in bescheidenem Rahmen der Haushaltsführung mit Geld erkaufen. Ihre Hausfrau heißt Hausangestellte. Der „emotionale Abfallkübel- und Erholungs-Service”, den der traditionelle Mann von seiner Hausfrau erwarten kann, fehlt.

Es ist völlig unverständlich, daß der Job einer Hausfrau, der äußerst anspruchsvoll und vielfältig ist, von unserer modernen Leistungsgesellschaft - die sich ja nur an Lohnarbeit orientiert - so niedrig, wenn nicht sogar als wertlos eingestuft wird.

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