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Kellernotizen

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9 Mit englischen Autoren hat „Die Tribüne“ schon sehr viel Erfolg gehabt, darum blieb Direktor Ander bei der Spielplangestaltung in der neuen Saison bei den Briten und holte die „Damenwahl“ des in London geborenen Lehrers und Schriftstellers Robert Tanitch in seine Kleinbühne im Cafe Landtmann. In vier „Stationen“ mit den Titeln „Heiratsantrag 1894“, „Verlobung 1910“, „Entführung 1926“ und „Eine Ehe heute“ gibt der Autor seinen „Kommentar zur Verschlechterung der Manieren in der Liebeswerbung“ ab. Allen vier Kurzszenen liegt je eine hübsche Idee zugrunde — nur, woher kennt man all diese Einfälle schon? —, sie sind handwerklich perfekt gebaut, die Inszenierung Oskar Willners bemüht sich um dezent komische Wirkung, die Besetzung ist ihr Geld wert, das Bühnenbild und die Kostüme von Magda Strehly haben wie immer illustrativ-effektvollen Charakter, die Stammkundschaft der „Tribüne“ unterhält sich prächtig.

• Auch im „Theater der Courage“ sieht man zur Zeit zwei Stücke eines englischen Autors, nämlich „Zerreißprobe“ und „Die Teepuppe“ von Alfred Shaugh-nessy, von denen ersteres durchaus aus dem Liebesreigen der „Tribüne“ stammen könnte: es ist zwar weniger lustig, dafür aber mit ebensoviel dramatischem Instinkt geschrieben, gleichwohl die Story vom Ehebruch und der nicht stattgefundenen Scheidung ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden dürfte. Fritz Muliar führte seine Schauspieler äußerst behutsam durch die konventionelle Dekoration von Wolfgang Müller-Karbach.

Das dankbarere Sujet hat sich zweifelsohne Peter Michl-Bernhard mit dem zweiten . Stück „Die Teepuppe“ ausgesucht, in dem zwei alte Damen auf kriminalistische Abwege geraten. Mit diesem Stück hat Stella Kadmon nun allerdings tatsächlich einen Haupttreffer gemacht, wie die enthusiastische Publikumsreaktion — herzhaftes Lachen und angeregte Krimiatmosphäre ■— zeigt.

• „Till, bevor er hing“ (zur Zeit im Wiener Studententheater, &#9632; zu sehen) ist laut Werner Schneyders scharfgespitztem Konturenstift ein alternder, resignierender („Als Mensch bin ich noch ganz. Als Narr bin ich ein Krüppel.“) Schalknarr. auf der Flucht vor der seinen Geniestreichen schädlichen Popularität, den seine Eitelkeit vom Narren, über den man lacht, zum lächerlichen Menschen „degradiert“. Also nicht die Glanzzeit von Till Eulenspiegel, sondern die letzten Jahre des Schalks sind der Vorwurf für die tragische Geschichte, die Schneyder mit dramatischer Konsequenz dem Galgen zutreibt. Mit schnörkelloser, rhythmischer Sprache, die in ihrer Klarheit den Figuren Plastizität verleiht, charakterisiert Schneyder die Problematik des Narren-tums: „Der Schalknarr ist ein Richter über ein Spezialgebiet!“ — nämlich über die bornierte Dummheit, die sich für gescheit hält. — Heinz Lukas Kindermann bleibt trotz vieler netter Einfälle und auch optischer Überraschungen Herr der Aufführung. Das Bühnenbild von Peter Korntner ist — wie man es im Studententheater nun schon gar nicht anders erwartet — in seiner Abstraktion hervorragend originell und praktisch. • „Das Gewitter“, von Alexander N. Ostrowski/ (1823 bis 1886) in seinem fünfaktigen Drama dieses Namens als schaurig-schöne Metapher für den tragisch endenden seelischen Konflikt einer verheirateten Frau verwendet, bleibt in der Aufführung des „Kammertheaters“ in der Piaristengasse nur ein „Wetterleuchten um Katerina“. Die Übertragung ins Deutsche durch Johannes von Guenther — „womit ich, wie an dieser Stelle besonders betont werden muß, überhaupt als erster den Kampf um die Durchsetzung Ostrowskijs begann .. .“ (aus seinem Vorwort zur Bühnenausgabe, Berlin 1940) —, die uns mit Wendungen wie „Was ficht dich an?“ oder „Hören hab' ich viel gehört!“ beglückt, ist unsprech-bar und schwer anzuhören! Aus Menschen macht Guenther raschelndes Papier. Die Regie Gerda Salzers verschiebt eindeutig die vom Dichter gesetzten Akzente, so daß etwa Tichon. der von seiner Mutter unterdrückte Schwächling, Säufer und Gatte Katerinas, in der Darstellung durch Peter Josch viel zu sympathisch wirkt und man der ihn betrügenden Katerina eher Hartherzigkeit vorwerfen möchte, als daß man mit ihr leidet. Daß Frau Salzer zudem aus dem Drama unbedingt ein Musical machen wollte und sie die von ihr ganz auf „schön“ gestellte Liebesszene zwischen Boris und Katerina mit einem Männerchor unterlegte, ist unverständlich. Dabei besitzt das Kammertheater in Fritz Hein und Grete Bäumel zwei recht brauchbare Schauspieler für da6 Fach der Alten, wie es in Anna Maria Eckhoff und in Alexander Schwarz bei den Jungen Darsteller hat, denen man von Herzeh mehr Erfolg,beiden,nä<zh> sten Inszenierungen wünschen möchte.

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