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Kennediana...

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Wie Pilze nach einem Regen schießen Biographien des ermordeten Präsidenten aus dem Boden. Die beiden großen Illustrierten „Life“ und „Look“ machen einander mit Auszügen aus Büchern zweier enger Mitarbeiter, Arthur Schlesinger und Ted Sbrensens, die kurz vor der Veröffentlichung stehen, Konkurrenz. Die „Saturday Eveni ig Post“, die in den 238 Jahren ihres Bestehens bessere Tage gesehen hat, folgte mit den Erinnerungen von Evelyn Lincoln, Kennedys Privatsekretärin. Es sei ein Glück, seufzte eine Zeitung, daß sich die Hausangestellten verpflichten mußten, nicht zu schreiben, sonst würde uns ein Buch bevorstehen: „Koch bei Kennedy“.

Am meisten Staub wirbelte Schlesinger mit seiner Behauptung auf, der Präsident habe von den staatsmännischen Fähigkeiten Dean Rusks, des Außenministers, wenig gehalten und beabsichtigt, nach seiner Wiederwahl ihm ein anderes Amt zu übertragen. Allerdings sei Mr. Kennedy der Entschluß schwergefallen, denn Rusk sei „ein so netter Mann“. Diese Sottise hat Schlesingers Unbeliebtheit bei der Administration, die sowieso seine Kritik am Vietnamkrieg nicht schätzt, beträchtlich erhöht.

Hiebe nach allen Seiten

Wenn die Regierung auch Rusk vorschiebt, darf man annehmen, daß sich der Präsident selbst am meisten getroffen fühlt. Unverfroren gibt nämlich Schlesinger Kennedys angebliches Urteil über seinen Nachfolger wieder. Mit einer Mischung von „Bewunderung“ und „Verzweiflung“ soll er ihn als „Riverboat Gambler“ bezeichnet haben. Das waren die Berufsglücksspieler, die im vorigen Jahrhundert den Passagieren der Flußdampfer, meistens im Poker, das Geld abknöpften.

Auch Dwight Eisenhower kommt nicht ungerupft davon. „Ein schrecklich kalter Mensch ohne Loyalität zu seinen alten Freunden“, soll sein Nachfolger gesagt haben. Nixon war für ihn „ein Mann ohne Geschmack“. Barry Goldwater dagegen hielt er für „anständig und charaktervoll“...! Vom State Department (Außenministerium) meinte er, es versumpfe in Bürokratismus. Er dachte daran, sich seinen eigenen Stab für die Außenpolitik zu schaffen und dem Department das zu überlassen, was es am liebsten täte, nämlich Memoranden in zehnfacher Ausfertigung zu verfassen und diese von Abteilung zu Abteilung weiterzureichen.

In seinem Buch mit dem einfachen Titel „Kennedy“ geht Sörensen mehr auf die Ereignisse ein und fährt sich nicht mit Personalinjurien fest. Bewegend ist eine Schilderung der Reaktion des Präsidenten auf das Desaster der Schweinebucht. „Mein Leben lang hatte ich mehr Verstand, als mich auf die Fachleute zu verlassen. Wie konnte ich nur so blöd sein, ihnen diesmal freie Hand zu lassen?“ Damach ging der Präsident in sein Bett und vergrub den Kopf in seinen Händen, während seine Frau ihn zu trösten suchte.

Sörensen bestätigt, daß der Grund für die Raketenkrise über Kuba nicht so sehr die militärische Bedrohimg als die Störung des diplomatischen Gleichgewichtes war.

Menschliches, Privates

Mrs. Lincoln betrachtet in ihrem Buch, das unter dem Titel „Meine 12 Jahre mit Kennedy“ herauskommen wird, vor allem den Menschen. Leid und Freude halten sich die Waage, wie das bei einem Mann, der infolge seiner Rückenverletzung ständig Schmerzen litt und nach einer Operation beinahe starb (dreimal erhielt er die Letzte Ölung), natürlich ist. Amüsiert hört der Leser, daß Kennedy sehr unordentlich war. Einmal mußte die Verfasserin drei Viertelstunden lang suchen, bis sie einen Socken fand, den ihr Arbeitgeber für seinen Nachmittagsschlaf abgelegt hatte.

Und dann kamen die Tage, die die

Welt in Trauer stürzten. Mrs. Lincolns Ehemann meinte, der Präsident solle nicht nach Texas fahren. Doch der Präsident entgegnete: „Wenn sie mich erwischen werden, dann werden sie mich erwischen, sogar in der Kirche“. Am Vortag der Abreise war Mr. Kennedy ungewöhnlich schlecht gelaunt, was Mrs. Lincoln anscheinend als ein Omen betrachtet. Nach dem Meuchelmord war ihr Leben, wie sie schreibt, „viele Wochen lang wie eine Sonnenblume in der Dunkelheit“. In diesem Zusammenhang klingt das nicht kitschig, sondern echt.

Bei einer Sendung der oben erwähnten Morgenschau ging es um ein Buch anderer Art. Vor zwei Jahren hatte ein Schriftsachverständiger behauptet, Präsident Kennedy gebe seine Unterschriften nicht selbst, sondern benütze einen „Robot“. Als das Weiße Haus diese Behauptung ärgerlich dementierte, will der Sachverständige mit einem Buch begonnen haben, dessen bevorstehende Veröffentlichung er mit großem Tamtam ankündigte. Kein Mensch, behauptete er, könne unterscheiden, ob der Präsident selbst unterschrieben habe oder der Roboter für ihn. Er zeigte Bilder der Maschine, ließ aber offen, woher er sie hatte.

Wenn es eine solche Maschine gibt, könnte sie natürlich schwerwiegende Auswirkungen im Falle einer schweren Erkrankung eines Präsidenten haben. Seine Umgebung könnte mit ihrer Hilfe die Bekanntgabe dieses Ereignisses verzögern. Merkwürdigerweise hat die Presse, die sonst alles, was mit dem toten Präsidenten zusammenhängt, hochspielt, dieses Buch bisher nicht erwähnt.

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