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Javier Salinas "Die Kinder der Massai" erzählt von Trost für "Trennungskinder".

Der Spanier Javier Salinas ist 32 Jahre alt. Sein Roman "die Kinder der Massai", der gleichzeitig in seiner Muttersprache, auf Französisch, Niederländisch und Deutsch erschienen ist, greift eine heikle Frage auf: Wie erleben Kinder die Trennung ihrer Eltern?

Salinas erfindet einen kindlichen Ich-Erzähler und damit auch einen kindlich-naiven Ton: "Die Nacht der zerbrochenen Vasen ist jetzt schon ein paar Monate her. Ich weiß noch genau, wie ich dachte: Diesmal werden sich meine Eltern trennen. Diesmal ja. Diesmal machen sie ernst. Ich weiß es ... In meiner Klasse gehörte ich vorher zu denjenigen, deren Eltern nicht getrennt sind, ab jetzt würde ich einer von denen sein, deren Eltern es sind." Der Irrwitz beginnt für den Buben, denn die Sportlehrerin erfährt von der Trennung seiner Eltern, und sofort muss er in der Mannschaft der "Auseinandergebröckelten" kicken. Eine große Angst: Er werde jetzt nie "eine Persönlichkeit bekommen".

Die Einsamkeit eines fühlenden, denkenden Kindes, das als hochbegabt gilt und dabei selbst weiß, dass es nur hochbegabt im Normalsein ist, treibt seltsame Wünsche hervor: Der Bub möchte sich eine andere Mutter erfinden, die nicht ständig als Journalistin unterwegs ist, und einen anderen Vater, der nicht in Afrika als Ingenieur die Landschaft mit Straßen zupflastert.

Berührende Lösung

Ein Freund des Vaters gibt dem Buben die Lösung des scheinbar unlösbaren Problems, die Eltern nicht zusammenhalten zu können. Der Besucher aus Schwarzafrika erzählt, wenn einem Massai eine Frau gefällt, steckt er seine Lanze in den Eingang ihrer Hütte, und das bedeutet, dass er die Nacht bei ihr verbringen wird. "Natürlich kann es passieren, dass am nächsten Tag ein anderer Massai seine Lanze vor die Hütte derselben Frau steckt. So kommt es vor, dass die Frau nicht weiß, von wem ihre Kinder sind, und deshalb sind die Kinder der Massai Kinder von allen, sie sind Kinder des ganzen Massaidorfes. Mal angenommen, ich wäre Massai, dann würde ich meinen Vater jetzt gar nicht verlieren, weil ich nie einen gehabt hätte."

Es ist erstaunlich, wie ein junger Autor, aber immerhin schon einige Zeit erwachsen, kindliche Logik nachvollziehen kann. Dieser Roman besitzt nicht viel Handlung, aber er hat Ideen-Sprengkraft. Er ist ein gesellschaftspolitischer Spiegel. Wie viele Kinder wachsen heute auf ohne einen Funken Urvertrauen? Ihnen, den Geschädigten, könnten "Die Kinder der Massai" Mut machen, dass das Leben nicht nur aus Angst und Einsamkeit besteht, sondern auch Freude und Wunder bereithält für die, deren Boden früh zu schwanken begann. Das Wunder gelingt dem Buben, indem er die Leidensgenossen aus auseinandergefallenen Familien im Sport motiviert - und sie gewinnen: "Wir sind keine Sondermannschaft, nicht behindert oder so was Ähnliches, nein, wir können ganz genauso selbstverständlich gewinnen wie wir auch verlieren können." Eine simple Botschaft? Vielleicht. Ein Lebenshilfe-Roman? Warum nicht. Herzerfrischend und berührend ist dieses Buch allemal.

Die Kinder der Massai

Roman von Javier Salinas. Aus dem Span. von Stephanie von Harrach

Ammann Verlag, Zürich 2004

135 Seiten, geb., e 16,40

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