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Klagenfurter Bilanz

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Mit großen Erwartungen hatte man dem Initiator der Komödienspiele, Herbert Wochinz, 1968 das Klagenfurter Stadttheater anvertraut, das von dem gegenwärtigen Detmolder Intendanten Prof. Otto Hans Böhm neun Jahre wirtschaftlich mustergültig und künstlerisch vertretbar geführt worden war. Man darf also mit Recht danach fragen, ob das ersehnte „faszinierende Theater“ vom neuen Hausherrn verwirklicht werden konnte.

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Mit großen Erwartungen hatte man dem Initiator der Komödienspiele, Herbert Wochinz, 1968 das Klagenfurter Stadttheater anvertraut, das von dem gegenwärtigen Detmolder Intendanten Prof. Otto Hans Böhm neun Jahre wirtschaftlich mustergültig und künstlerisch vertretbar geführt worden war. Man darf also mit Recht danach fragen, ob das ersehnte „faszinierende Theater“ vom neuen Hausherrn verwirklicht werden konnte.

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Nun, die Spielzeit 1968/69, die einen durchaus konventionellen Spielplan geboten hatte, hat keine Wunder gebracht; Licht und Schatten hielten einander — wie immer schon — die Waage, und neben Hervorragendem stand auch das Unterdurchschnittliche, wie zum Beispiel bei der Operette „Eine Nacht in Venedig“.

Intensiv hatte man die Werbung geführt und 1200 neue Abonnenten ins Haus gebracht. Das Schlagwort vom „Theater für alle Kärntner“ hatte gezogen, obwohl dieses ja schon in der Vergangenheit dem ganzen Land gedient hatte, und die Rechnung ging auf. Mit größter Sorgfalt wurde die Äöftnungspremiere vorbereitet, Ko-

sten wurden klein geschrieben und an Ausstattung und Kostüm wurde im Anfang nicht gespart. Unter der Regie von Herbert Wochinz gab es eine grandlose „Hochzeit des Figaro“ und auch dem „Barbier von Sevilla“ hatte er, um beim Thema zu bleiben, Elan, Spielwitz und Tempo eingeflößt, Aufführungen, die unter Robert Filzwiesers musikalischer Leitung und mit guten Solisten hochklassig gerieten. Dazu kam auch noch eine durch und durch neue „Carmen“: Neufassung von Felsenstein-Oeser in der Regie des Spyros Evangelatos, der sich die tollsten Dinge einfallen ließ: Carmens Kolleginnen rauften, bei Lilas Pastia wurde geknutscht und der Aufzug der Toreros wurde durch Gaukler ersetzt. Aber es gab immerhin ein bemerkenswertes Bühnenbild (Ernst Fuchs) und Mirjana Irosch als Carmen. Die Meinungen waren zwar geteilt, der Abend aber war auf seine Weise ein Ereignis. Den beiden weiteren Opernabenden „Zar und Zimmermann“ und „Eupen One£rtn“ kann man Sauberkeit attestieren. Nicht gut war es, wie erwähnt, um die Operette bestellt. Zwar hatten „Maske in Blau“ und das Musical „Mein Frew,.d Bunbury“ von Natschinski, als österreichische Erstaufführung, durch das heitere Paar Beate Granzow-Helmuth WalVner einen starken Erfolg zu verzeichnen, „Die lustige Witwe“ aber geriet recht matt und auch mit dem „Gasparone“, den man schon weit besser früher gesehen hatte, ging es nicht gerade nach Wunsch. Weder Regie (Andri Jerschik) noch Ballett konnten Humor, Schwung und Leben bringen; es fehlte an Komik, für die nur der unverwüstliche Theo Knapp zuständig schien. Ein eigener Ballettabend mit Chopin, Dvorak und Gershwin (Ein Amerikaner in Paris) hatte durch die Anmut und das Animo der hübschen jungen Tänzerinnen mit den „Slawischen Tänzen“ emen schönen Erfolg zu verzeichnen. Mit einem vom Trio Leim, Zwirn, Knieriem (Peter Vray, Herbert Ku-cera, Walter Kohutek) getragenen „Lumpaeiuagabtmdus“ hatte Wochinz das Schauspiel begrüßenswert eröffnet, dann aber mit Schnitzlers

„Liebelei“ bei aller Sorgfalt der Führung danebengegriffen. An der Unzulänglichkeit der Besetzung des „ernsten Paares“ scheiterte die Aufführung, der Matthias Kralj ein liebevoll gestaltetes Bühnenbüd beschert hatte. Mit Bert Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ war man auf der Höhe; der Brecht-Experte Hans Gaugier hatte diese Familie — Hertha Zietemann a. G. (Mutter), Horst Eder (Schweizerkas), Eilif (Herbert Kucera) und vor allem Barbara Petritsch (Kattrin) — zu stärkster Leistung beflügelt, der sich noch Kohutek als Feldprediger gesellte. Das bewußt verwahrloste Fet-zenbühnenbild bot den . > gjemäßen Rahmen. (“*. Kralj) Millers „Blick von der Brücke“ sei als dichte Inszene (H. Kucera) nicht vergessen, Feydeaus Schwank „Der Gefoppte“ um der von der Regie Wochinz' erreichten darstellerischen Teamleistung willen gerühmt. Ca-molettis „Boeing-Boeing“ diente dem Unterhaltungsbedürfnis, während die mit Spannung erwarteten „Geschichten aus dem Wienerwald“ nicht so erzählt worden waren, wie man es bei einer Horvath-Auffüh-rung hätte voraussetzen dürfen. Da war alles an die Oberfläche gespielt, und das, was an Giftigkeit und De-maskierung dem Schauspiel innewohnt, kam nicht zum Vorschein. Mehr als unzulänglich das Bühnenbild, das als Skizze nie dem Schauspiel dienen konnte. (Hier rächten sich die Ausgaben des Saisonbeginns!) Groß kam die wirklich interessante Aufführung von Slavo-mir Mrozeks „Tango“ im Studio heraus. Eine einfallsreiche Regie (Evangelatos) spornte das Ensemble zu faszinierender Leistung an; nennen wir die Großmutter Grete Bitt-ner, den Artur Peter Vray und den Eugen Horst Eder stellvertretend für alle. Kassenschlager war das Stück nicht, aber es hatte geboten, was von einem subventionierten Theater verlangt werden kann: Kontakt mit dem Schaffen der Gegenwart.

Die Spielzeit ist vorbei. Von der nächsten ist wohl wieder ein „vorsichtiges“ Repertoire zu erwarten. Aber vielleicht ändert sich das noch und Klagenfurt findet den Anschluß an den Spielplan des weiten deutschen Sprachraums. Dann wird man auch ohne Einschränkung „Ja“ sagen dürfen.

Innsbrucker Theater Besucherrekorde

Vom Baby bis zum Großpapa geht jeder Innsbrucker zweimal jährlich ins Tiroler Landestheater: das ist das verblüffende Ergebnis der Besucherstatistik über die soeben abgelaufene Spielzeit 1968/69. Demnach besuchten im Großen Haus des Tiroler Landestheaters 62.764 Personen die Oper, 49.710 die Operette und 52.098 das Schauspiel, Ballettabende und Märchen -Vorstellungen nicht einmal mitgerechnet. Die Kammerspiele hatten mit den Abstechergastspielen 40.000 Besucher, was insgesamt die imponierende Bilanz von rund 205.000 Zuschauern oder eine Auslastung von 85 bis 90 Prozent ergibt. Eine Rekordeinnahme brachte der als „theaterschwach“ geltende Monat Juni mit rund 20.000 Besuchern und Einnahmen von dreiviertel Millionen Schilling! — Noch ein Rekord, auf den Intendant Wlasak stolz ist: In der abgelaufenen Spielzeit brauchte keine einzige Vorstellung abgesagt oder gegenüber dem Spielplan geändert zu werden. Die Resonanz der Innsbrucker bleibt nicht aus: Trotz Preiserhöhung ist die Abonnentenzahl im Steigen begriffen, vor allem das Landabonnement hat sich für die kommende Spielzeit bereits 'um 30 Prozent vergrößert.

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