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Die produktive Trauer von Marie-Thérèse Kerschbaumers Elegien.

Wen, ihr Engel / rufen, wenn uns alles verläßt", lautet eine Anrufung in Marie-Thérèse Kerschbaumers Elegien - Klagegesängen um Verlorenes, das verklärt wird, um den schmerzlichen Abstand zum Ideal bewusst zu machen. Christliche Gebetsmuster und Litanei-Formeln sind präsent, und doch ist ihr Engel ebenso wenig christlich zu vereinnahmen wie der in Rilkes "Duineser Elegien", die neben Hölderlins in "dürftiger Zeit" der Gottesferne geschriebenen Elegien Kerschbaumers Vorbilder sind. Von dort kommt der "hohe Ton", den diese Dichtungen riskieren; "eine jede wahrt Distanz zur Muttersprache, als der von uns gesprochenen, gerät dadurch zu einer durch ein Pfingstwunder uns aufgetanen Fremdsprache" (Julian Schutting im Nachwort).

Kerschbaumers Klage setzt auf den Klang, artikuliert sich in Binnenreimen, jagt gelegentlich ein Assonanzengestöber durch die Verszeilen, die erdrückende Tradition des Endreimes wird jedoch nur gegen Ende der vierten Elegie aktiviert. Griechische Zitate sind im Original geschrieben und finden keine Übersetzung - ein elitärer Gestus gegen die Fiktion alltäglichen Verständnisses und ein Signal, dass es bei der Lektüre nicht auf das minutiöse Dechiffrieren jedes einzelnen Wortes ankommt, sondern auf den Duktus des Ganzen, der in der Zuversicht der letzten Anrede des Engels gipfelt: "Ich muß dich nicht bitten / du kennst deinen Auftrag / mein bist du Bote / mir beigestellt."

Bilder-Kaskaden und dynamische Klagerhetorik intensivieren einander gegenseitig und sind getragen von der Verteidigung eines menschlichen Maßes: "Nichts ist und nichts war und wird sein / als sterbliche Unvollkommenheit."

Dass María Elena Blanco diese Elegien ins Spanische übertragen hat, ist nicht nur eine Referenz an Marie-Thérèse Kerschbaumers Vater-Sprache, sondern auch an das romanische Formgefühl, von dem die Texte geprägt sind. Am 4. April werden Original und Übersetzung in der "Alten Schmiede" in Wien zu hören sein.

NEUN ELEGIEN - Nueve Elegías

Von Marie-Thérèse Kerschbaumer

Deutsch und Spanisch. Übertragen von María Elena Blanco

Wieser Verlag, Klagenfurt 2004, geb., 83 Seiten, e 17,50

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