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Klassiker im Herbst

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Das Akademietheater eröffnet die neue Spielzeit mit Luigi Pirandello: „Sechs Personen suchen einen Autor.“ Hinter dieser grotesken Komödie liegen hundert Jahre des Konflikts zwischen „Kunst“ und „Wirklichkeit", Künstler und Realität des Tages. Dieser typische Konfliktstoff des 19. Jahrhunderts hat von der Romantik bis zu Thomas Mann faszinierend gewirkt. Ganz nachempfinden kann ihn heute vielleicht nur, wer auf der Bühne des Lebens und der Kunst in einer existentiell verwandten Situation steht. Die Zauberwirkung dieses Stückes auf eine theaterbesessene Zeit ist an sich heute nicht mehr gegeben. Um so mehr erfreut diese sehr gepflegte Aufführung in der Regie von Willi Schmidt, Berlin. Die sechs Personen, Rollen-Figuren, die einen Autor suchen, der sie voll und ganz zur Inkarnation im Kunstwerk ausgebiert, werden von Martha Wallner, die sich hier wieder als eine der besten österreichischen Schauspielerinnen ausweist, und von Josef Meinrad angeführt. Die überaus schwere Rolle der Mutter — Käthe Gold hatte sie bekanntlich zurückgelegt —, eine der schwersten Rollen des neueren Theaters, wird von Alma Seidler gestaltet. Ihr Schrei des Entsetzens geht durch Mark und Bein. Die Schauspielergruppe wird von Alexander Trojan und Elisabeth Höbarth angeführt, eine in ihrer Eitelkeit und Hilflosigkeit entzückende Schar. Dompteur und Meister des Spiels ist Attila Hörbiger als Theaterdirektor: seine Strahlung durchwärmt das ganze Stück, das kräftig gekürzt ist.

Das Burgtheater ehrt Schiller und sich selbst mit seiner Eröffnungspremiere: Wallenstein, wobei am ersten Abend „Wallensteins Lager“ und „Die Piccolomini" gegeben werden. Regie führt Leopold Lindtberg, die Bühnenbilder sind von Teo Otto. Eindrucksam an dieser Aufführung ist — nicht nur für den Schiller-Verehrer im besonderen — die Auffassung von „Wallensteins Lager“. Dieses Vorspiel wird nicht selten als Harle- kinade, als bunt-scheckige Kleckserei, als raufende und rülpsende Historienschilderei auf die Bühne geworfen. Hier ist es wirklich großangelegtes Aufspiel zur historisch-politischen Tragödie. Dieses „Lager“ zeigt die Strukturen des politischen Dramas: den Zusammenstoß der gegnerischen Elemente, wodurch mit Recht die Kapuzinerpredigt, als ernster Flöhepunkt, ins Zentrum rückt. Wie oft haben wir sie wohl als Drolerie gesehen? Josef Meinrad als Kapuziner verkündet prophetisch, ein Sohn und Erbe Abraham a Sancta Claras, den Untergang des ‘‘-Tllcnsteins. Attila HäaJMMMM&kht.. den Prolog, als „hinkender Both". mit dtm ernsten. verhBeW-wPathos, das dertri‘Dram des -de?ehe: Volkes im dreißigjährigen Krieg geziemt Darin die Piccolomini: hoch beachtenswert, politisch, kulturpolitisch nicht zuletzt, wie hier nicht, wie sonst, so oft, die kaiserliche Partei als eine Clique von Schurken dargestellt wird, die den edlen Helden Wallenstein in die Falle lockt, sondern als Verkörperung des besseren Rechtes. In diesem Sinne gestaltet Fred Hennings den Kriegsrat von Questenberg, und Paul Hoffmann, neu in der Burg, Octavio Piccolomini. Das edle junge Paar, Max und Thekla: Walther Reyer und Aglaja Schmid. Wallenstein ist, wie oft zuvor, Ewald Balser anvertraut: dieser Wallenstein ist keine dämonische Gestalt, die mit den Sterngöttern Umgang pflegt, sondern eher ein illegitimer Habsburger, ein Verwandter Kaiser Rudolfs II. aus dem „Bruderzwist“- eine sehr menschliche, in sich schwankende Erscheinung. Um so eisiger und feuriger, in Ehrgeiz und Glut des Machtwillens: Hilde Krahl als Gräfin Terzky — eine echte Schwester des anderen Wallensteins! Albin Skoda, der soeben seinen 50. Geburtstag feiern konnte, trägt als Butler eine sehr interessante Maske. — Eine schöne Aufführung, wir wiederholen es. Unerträglich, ganz unerträglich bei der Premiere, das närrische Treiben von Jugendlichen, die je zur Unzeit ihre Helden bejubelten.

In der Erinnerung steigt sie erst ganz herauf, in ihrem starken Glanze: die Aufführung der „V e r- bannten“ von James Joyce, als österreichische Erstaufführung im Volkstheater. Etwas vom langen Atem russischer Stücke und von der schweren, dunklen, melancholischen Symphonie seiner epischen Meisterwerke glitzert und glänzt in diesem Jugendwerk des großen Iren bereits auf. Autobiographische Züge, die Haßliebe zu Irland, zur angestammten Katholizität, die Schwierigkeit, einem Du.zu begegnen in Frau und Freund: das Schicksal des Dichters, des James Joyce, und so vieler seiner Zeit- und Leidensgenossen, die es wagten, Dichter zu sein in undichter Zeit, wird von den vier Gestalten dieses Dramas vorgestellt. Wenn auch nur ein einziger Schauspieler. Sieghardt Rupp, dem Dichter und seiner Not und Ahnung entspricht, da die anderen Gestalten, Heinrich Trimbur und die Damen Erfurth und Schmid, in anderen Gefilden und Kli- maten, mehr der Gartenlaube und dem Schauerstück zu, sich beheimaten, so entsteht doch ein Eindruck, der vor allem in der Nachwirkung stark ist und der diese Aufführung rechtfertigt, gegen alles, was man im einzelnen an ihr aussetzen mag.

„E h e k a r u s s e 11“, von Leslie S t e v e n s, in der J o s e f s t a d t, ist an sich ein bescheidenes Komödchen, wird aber durch Susi Nicoletti und Erik Frey zu einem runden, vollmenschlichen Stück ausgeweitet, wobei die reife und nuancierte Kunst der .Einfleischung von schmalen Figuren, hier durch Frau iNic61eW!’Qoft’äriem’,’Wrien Triumph’über1- das ‘iStüdk Ifeirftfi AfitrBfctW ErschiWiift’gö’neuhiniiW’ieni’ Grit Böttcher, als schwedischer Teenager über den Teens.

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