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Klassiker, Komödien und Gastspiele

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Nach dem Volkstheater in den Randgemeinden nunmehr an der Burg: Hebbels bürgerliches Trauerspiel „Maria Magdalene”. Regisseur Rudolf Steinboeck bot eine sehr schöne gepflegte Aufführung, die wie ein breiter, temperierter Fluß der gewählten Tragik, der verhaltenen Trauer dahinfloß, die aber mit Hebbel nur sehr wenig zu tun hatte. Steinboeck, der das Blumige, das Poetische, das Feingesponnene liebt, hat mit diesem harten, knöchernen, puritanischen Nachklassiker nichts Gemeinsames. Weder das strenge, kleinbürgerliche Milieu liegt ihm, noch die unerbittliche, verstandesmäßige (und wohl auch literarisch-vergilbte) Konsequenz des Konfliktes; weder die eherne, verbohrte, verbissene Gestalt des Meisters Anton noch die Herbheit der unglückseligen und mit einer recht dürren Seele ausgestattete Klara sind Gestalten nach seinem Geschmack (was ihm übrigens nicht zu verübeln ist).

Dieser sehr gute Regisseur brachte da wohl nur Achtung, aber keine Liebe mit, so daß er, wiewohl er eine beachtenswerte Szenerie zustande brachte, an diesem Stück scheitern mußte. Gerade diese Achtung war es übrigens, die der Inszenierung — aber auch dem Dichter — am meisten schadete: Steinboeck ließ das Stück nahezu ungekürzt spielen, wo doch die Verknappung, Straffung, Härtung am Platze gewesen wäre. Andemteils widerstrebte es ihm offenbar, Hebbels kleinbürgerliche Enge nachzuschöpfen, und er umschmeichelte, umgarnte den Dichter mit kosmo- politen Tönen romantischer Wehmut und gepflegter Trauer. So gab es denn neben vielem larmoyantem Pathos sehr wirkungsvolle Szenen, bei denen allerdings die theatralische Szene an sich und nicht die Dramatik der Hebbelschen Szene wirkte; so beeindruckte in Gestalt Martha Wallners eine großartige Schauspielerin, ohne die Möglichkeit, als Klara zu erschüttern; so bemühte sich die gestaltungsstarke Persönlichkeit Paul Hartmanns um die problematische Engstirnigkeit Meister Antons, ohne die Chance, sie dem Publikum mit Hebbelscher Unbeugsamkeit plau- •ibel zu machen.

Sehr gut spielte Hans Ernst Jäger (Leonhard), gut Michael Janlsch (Karl), schwach Jürgen Wilke (Sekretär) und Elisabeth Kallina (Klaras Mutter). Das der Inszenierung entsprechende Bühnenbild schuf Professor Otto Niedermoser.

Im Akademietheater holpert zur Zeit eine herzlich schwache, eher langweilige und sehr geschwätzige englische Gesellschaftskomödie über die Bühne, die ihrem Originaltitel ‘‘The Reluctant Debutante” entspricht, weil sie uns mit der zwar gar nicht widerstrebenden, aber auch nicht gerade klaglos auftretenden Debütantin Lis Verhoeven bekannt macht, deren deutscher Titel „Junger Herr für Jenny” aber wobl kaum zntrifft. denn von einem jungen1 Herrn “der englischen Society, der un’s versprochen- und von dem zweiten Debütanten des Abends, Michael Korrontay, gespielt wird, ist nicht viel zu sehen.

Das nicht sehr animierte Publikum bringt vier Akte reichlich unorigineller Lustspielszenen und zweieinhalb Stunden verbrauchter, alberner Bonmots von William Douglas Home damit zu, sich an der trefflichen Konversationsroutine Susi Nicolettis zu trösten, Ulrich Bettac hinzunehmen, an Peter Neusser Gefallen zu finden, von den erwähnten beiden Debütanten enttäuscht und von Rosemarie Gerstenberg elver enerviert zu werden. Der Rest ist billigste Schablone flacher Unterhaltungsbemühungen und von überall hergeholte konventionelle Klamauk-Komik, ein freundliches Bühnenbild von Gottfried Neumann- Spallart und eine nicht sehr einfallsreiche Regie von Hans Thimig.

Entschieden besser traf es das Volkstheater mit einem Gastspiel Gustav Fröhlichs. Kein Zweifel: die neuerdings sehr häufige, oft sehr prätentiöse, meistens sehr problematische Extratour unserer Bühnen, die darauf abzielt, mit Filmstars (und ihren Anhängern) ins Geschäft zu kommen, führte diesmal zu einem echten und redlich erworbenen Erfolg. Denn dieses Jungmädchentraumbild, Gustav Fröhlich, entpuppte sich als völlig „unfilmischer”, um die Bühne sich ehrlich bemühender, überaus geistvoller Schauspieler von echtem natürlichem Charme und profilierter Gestaltungskraft.

Das Stück freilich, Curt Goetzens „Dr. med. Hiob Prätoriu s”, ein thematisch recht reizvoller, dramaturgisch aber reichlich unmotivierter Mischmasch eines ironisierenden Kriminalreißers, eines Konversationsstückes und einer Charakterkomödie, scheint indessen lange Zeit überschätzt worden zu sein. Gustav Fröhlich stand inmitten dieses intellektuellen, stellenweise brillant skurrilen, im Grunde aber doch nur effekthascherischen Humors (mitsamt seinem parodistisch-schauerlichen lebenden Leichnam Shunderson und dem lebensklugen wie lebensbejahenden Professor Prätorius, der durch einen Autounfall ums Leben kam, weil er über einen Witz seiner Gattin so lachte, daß er an einen Baum fuhr) wie ein aufrechter, liebenswürdiger Pfeiler verkörperter Bühnengewandtheit. An seiner Seite ebenbürtig Egon Jordan, sehr gut auch Benno Smytt, Viktor Gschmeidler und Oskar Willner, hübsch anzusehen Helmi Mareich. Die sehr straffe, gute Inszenierung besorgte Prof. Leon Epp, die eindrucksvollen Bünenbilder und Kostümentwürfe schufen Prof. Willi Bahner und Maxi Tschunko.

Einen reizenden, sehr unterhaltsamen Einakterabend „3 X Cervantes” bot unter der subtilen Leitung Werner Krauts das Reinhardt- Seminar im Schönbrunner Schloßtheater. Wir sahen da ein frisches, buntes, graziöses Werkchen einer ausgezeichneten Schar ambitionierter Schauspielschüler, eine kleine große Attraktion des wienerischen Theaters, ein glänzendes Zeugnis vollgültiger Leistungen und jugendlicher Anmut. Es stachen hervor.: Louis Ries, Elisabeth Hammerl, Tanja Mann,

Oswald Fuchs, Hannelore Fischer, Christoph Geraths, Klaus Knuth und Marianne Weber. Die ganz ausgezeichneten bunten, grazilen Bühnenbilder und Kostümchen, die zu dem Erfolg der Aufführung entscheidend beitrugen, stammen von Armin F. Ackermann und Magda Gstrein.

Amüsant und mit den liebenswürdigen, komödiantischen, lebhaften Mitteln der kritischen französischen Komödie geht es im Theater der Courage zu. Die von Herbert Wochinz mit viel Elan und Temperament, Humor und Leichtfüßigkeit in Szene gesetzte Groteske „Die Husafen kommen” von P. A. Breal wird ihre Freunde finden, weil sie den Schauspielern gute Rollen gibt, dem Theater das Bewußtsein, ein nicht ganz wertloses Stück zu Spielen,: und den Zuschauern das Gefühl, daß in dieser mehr lästigen als beißenden Persiflage auf Krieg, Heldentum und Obrigkeit die Welt nicht gleich in Stücke gerissen wird.

Es spielen sehr gut: Walter Langer, Ingold Platzer, Walter Scheuer, Kurt Mejstrik.

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