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Kleinformat

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Jetzt melden es auch bereits die Plakatwände: Ab 3. Oktober wird Wien um eine Tageszeitung mehr haben. Unter der Leitung des bisherigen Chefredakteurs der „Welt am Montag“, Herzog — dieses Montagblatt geht in die neue Zeitung auf —, wird sich eine „Neue Zeitung“ den Lesern vorstellen. Im Kleinformat. Dieses Format „fasziniert“ überhaupt gegenwärtig verschiedene Pressestrategen. Es erscheint ihnen als todsicheres Erfolgsrezept, deswegen lassen sich auch die Initiatoren des neuen Projektes — sie sind in der Wiener Parteiorganisation der SPÖ zu suchen — nicht durch die Krisensymptome auf dem Zeitungsmarkt schrecken. Auch sonst sind sie nicht zimperlich. Daß die „Neue Zeitung“ in erster Linie das Stammpublikum des sozialistischen Zentralorgans „annagen“ und nicht zuletzt dem SP-nahen „Express“ scharfe Konkurrenz machen könnte: die Gefahr dieses publizistischen Eigengoals ließ sie vor dem Experiment nicht zurückschrecken. Die Experten wiegen die Köpfe, ob die „Neue Zeitung“ die Durststrecke überstehen und auch nach den Landtagswahlen 1969 — bis zu diesem Zeitpunkt wird sie auf jeden Fall gehalten werden — erscheinen wird. Auf jeden Fall darf sich die Öffentlichkeit auf Ringkämpfe im Schlamm mit dem anderen kleinformatigen Wiener Blatt gefaßt machen. Das Niveau der österreichischen Publizistik dürfte dadurch nicht gerade eine Hebung erfahren.

Die Wiederentdeckung des „Kleinformats“ müßte einem Mann tiefe Befriedigung verschaffen — wenn er sie erlebt hätte. Wir sprechen von dem ersten Pressereferenten der Volkspartei, Hofrat Edmund Weber. Gegen alle Widerstände in den eigenen Reihen hielt er 1945 am Konzept des „Kleinen Volksblatts“ fest und selbst als der Ruf, die erste Regierungspartei müsse doch ein „repräsentatives Organ“ besitzen, zur Gründung der „Tageszeitung“ führte, verteidigte er hartnäckig sein Lieblingskind. Seine Erben waren weniger widerstandsfähig. Heute würde die Volkspartei manches dafür geben, wäre sie vor einigen Jahren nicht der Versuchung erlegen, aus dem „Kleinen Volksblatt“ ein „Volksblatt“ zu machen.

Im katholischen Raum besteht angesichts des Andrangs zum Kleinformat Grund, auf die Brust zu schlagen. Genau zum Zeitpunkt, als die „Kronenzeitung“ sich in Wien zu etablieren begann, bestanden Pläne, sehr ernsthafte Pläne, der in Steiermark und Kärnten weit verbreiteten, in ihrem Inhalt alles andere als kleinformatigen „Kleinen Zeitung“ den Weg über den Semmering zu ebnen. Das Projekt scheiterte, weil die alles andere als exorbitante Summe von drei bis fünf Millionen Schilling im österreichischen Katholizismus nicht flüssig zu machen war. Fehlte nur das Geld? Das ist angesichts des massiven finanziellen Engagements vom Seminarienbau bis zum Schulsektor — die Erhaltung aufwendiger Apparate nicht zu vergessen — schwer zu oiauben. Vielmehr scheint eine weitverbreitete Negligierung der katholischen Publizistik daran schuld zu sein, daß eine Chance vertan wurde. Sie kommt sobald nicht wieder.

PS.: Kleinformat ist also Trumpf. Klein, kleiner, am kleinsten. Es öffnet die Wege zum Leser, es lenkt den Leser mit sanfter Hand zu den „richtigen“ Wahlurnen. Wer daraus schließen würde, daß in unserem schönen Land im Laufe der letzten Jahre vieles „kleinformatig“ geworden ist, wäre ein übler Nestbeschmutzer. Ein Pfui dem bösen Verleumder!

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