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Die Literatur hat ihn fast vergessen. Doch nun steht er im Zentrum eines Romans: Saul.

Wenn Universitätsprofessoren plötzlich, statt nüchterne Abhandlungen zu formulieren, von der Muse geküsst werden, ist Skepsis angesagt. Zumal bei einem Fundamentaltheologen zu befürchten ist, dass er am Ende gar seine Theorien über den Offenbarungsbegriff notdürftig in Romanform verpackt. Doch manchmal hat der Leser Glück und es stellt sich heraus, dass der Professor - in diesem Fall Wolfgang Klaghofer-Treitler, Fundamentaltheologe an der Universität Wien - schreiben kann. Ihn fasziniert eine Figur, die in Kinderbibeln meist düster in einem Eck thront und einem jungen blonden Mann lauscht, der mit der Harfe aufspielt: Der Düstere ist Saul, der erste König von Israel. Der Blonde ist David, sein Nachfolger. Wenig Spuren hat dieser Saul in der Literatur- oder Kulturgeschichte hinterlassen. Der italienische Dichter Vittorio Alfieri hat ihm ein Drama gewidmet, Georg Friedrich Händel ein Oratorium. Und nun also der Roman von Klaghofer über Sha'ul, wie er ihn nennt.

Im Großen und Ganzen folgt er dem Aufbau der biblischen Erzählung von Aufstieg und Fall Sha'uls, nachzulesen im ersten Buch Samuel Kapitel 7 bis 31. Auf Drängen des Volkes beruft der Prophet Samuel gegen seinen eigenen Willen einen König für Israel. Sha'ul eint den verstreuten Haufen zu einer jungen Nation, scheitert aber letztlich an sich selbst und am aufgehenden Stern Davids.

Klaghofer begnügt sich nicht mit einer bloßen Nacherzählung. Seine dichterische Phantasie entzündet sich an den dürren biografischen Details der Bibel. Liebevoll und parteiisch zugleich zeichnet er das Bild seines Königs Sha'ul auf sehr eigenständige Weise: Ein Aufrechter mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit; ein Kriegsheld, der verwundbar ist, weil er die Liebe kennt - die Szenen mit seiner Frau Achinoam gehören zu den poetischsten Stellen des Romans. Aber auch ein Mensch voll Zweifel an einem fernen Gott, der durch seinen dunklen Propheten Samuel Blutvergießen verlangt.

Psychologisch einfühlsam zeichnet Klaghofer Sha'uls Weg vom Gipfel des Ruhms in die Niederungen von Depression und Todessehnsucht. Sein König Sha'ul - und da schlägt vielleicht doch ein bisschen der Theologe durch - ist der Mensch von Heute zwischen rationaler Skepsis und unendlicher Sehnsucht nach Weisung: Einer, der immer weniger glauben kann und doch gleichzeitig verzweifelt glauben will.

Allerdings: An Thomas Manns Josephsromanen muss man Wolfgang Klaghofers Roman auch nicht gleich messen. Vor allem am Anfang ist Klaghofers Stil fast unerträglich pathetisch. Da "stürzt das Fleisch in den Magen", da steigt Sha'ul "hinter zwei schlanken glatten Waden nach, welche das lange, farbenprächtige Kleid verheißungsvoll immer wieder freigab". Gott sei Dank kommt Klaghofer und mit ihm der Leser irgendwann zur Besinnung. Und dann macht der Roman wirklich Lust, nach der Bibel zu greifen und die Geschichte von König Sha'ul, Saul, selbst nachzulesen.

Sha'ul. König von Israel

Roman von Wolfgang Klaghofer-Treitler

Achinoam Verlag, Kirchstetten 2003

234 Seiten, brosch., e 11,90

Erhältl. unter Tel.: 02743/ 25 777

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